obigen Sinne erscheinen, dennoch auf eigenthümlichen Grundlagen beruhen.
Wir müssen unter den gesellschaftlichen Vereinen zunächst zwei große Richtungen unterscheiden. Die erste können wir als die geselli- gen Vereine bezeichnen, die zweite erst enthält die eigentlich ge- sellschaftlichen Vereine.
A. Die geselligen Vereine sind diejenigen, welche auf Grund- lage gleichartiger gesellschaftlicher Stellung und Bildung eine gesellige Unterhaltung suchen. Im weiteren Sinne erschienen eine Menge von Vereinen, namentlich auch die Bildungsvereine, zugleich als gesellige Vereine, indem sie in ihren Zusammenkünften die Bildung mit der Geselligkeit, das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Es ist gerade hier auch oft zweifelhaft, welche von beiden Aufgaben als die ursprüngliche, und welche als die vorwiegende angesehen werden kann. Daneben dann bestehen andere, die aber nur die reine Geselligkeit zum Zweck haben. Zu jenen gehören bekanntlich die Lesevereine, Gesang- vereine, Turnvereine, Schützenvereine u. s. w. Diese haben die ver- schiedensten Namen, und kommen in dem verschiedensten Umfang vor. Es ist übrigens immerhin bezeichnend, daß die größeren geselligen Ver- eine fast nirgends mehr auf der ausschließlichen Basis der Unterhaltung beruhen, ja sich fast gar nicht mehr auf derselben bilden. Beinahe immer erscheint die Bildung als der Hauptzweck, und zwar um so vor- wiegender, je größer diese Vereine sind, während die reine Geselligkeit, indem sie in unserer Zeit mehr und mehr einen individuellen tieferen Inhalt gewinnt, nur noch ganz kleine Kreise zu vereinigen versteht. Es ist das ohne Zweifel ein Fortschritt. Aber indem das gesellige Moment in die Bildungsvereine hineintritt, hat es zugleich das gesell- schaftliche Element in demselben zur Geltung gebracht. Die Geselligkeit ist nicht denkbar, ohne eine im Wesentlichen gleichartige gesellschaft- liche Stellung. Sowohl die rein geselligen als die geselligen Bil- dungsvereine bezeichnen daher die Hauptformen der gesellschaftlichen Unterschiede, und nähren und entwickeln dieselben; an sie schließen sich diejenigen gesellschaftlichen Gegensätze an, welche das individuelle Leben berühren; sie haben es selten oder nie mit den großen gesellschaftlichen Fragen zu thun, indem sie sich grundsätzlich der Aufnahme jedes, nicht der gemeinsamen gesellschaftlichen Stellung angehörenden Elementes enthalten, wohl aber tragen sie die kleinern gesellschaftlichen Unterschiede aus, indem sie eben in ihrem Kreise den Werth dieser Unterschiede theils auf ihr richtiges Maß zurückführen, theils ganz verschwinden lassen. Sie sind es daher, welche die Berufs- und Standesdifferenzen in dem allgemeinen Begriff der persönlichen Bildung aufgehen
obigen Sinne erſcheinen, dennoch auf eigenthümlichen Grundlagen beruhen.
Wir müſſen unter den geſellſchaftlichen Vereinen zunächſt zwei große Richtungen unterſcheiden. Die erſte können wir als die geſelli- gen Vereine bezeichnen, die zweite erſt enthält die eigentlich ge- ſellſchaftlichen Vereine.
A. Die geſelligen Vereine ſind diejenigen, welche auf Grund- lage gleichartiger geſellſchaftlicher Stellung und Bildung eine geſellige Unterhaltung ſuchen. Im weiteren Sinne erſchienen eine Menge von Vereinen, namentlich auch die Bildungsvereine, zugleich als geſellige Vereine, indem ſie in ihren Zuſammenkünften die Bildung mit der Geſelligkeit, das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Es iſt gerade hier auch oft zweifelhaft, welche von beiden Aufgaben als die urſprüngliche, und welche als die vorwiegende angeſehen werden kann. Daneben dann beſtehen andere, die aber nur die reine Geſelligkeit zum Zweck haben. Zu jenen gehören bekanntlich die Leſevereine, Geſang- vereine, Turnvereine, Schützenvereine u. ſ. w. Dieſe haben die ver- ſchiedenſten Namen, und kommen in dem verſchiedenſten Umfang vor. Es iſt übrigens immerhin bezeichnend, daß die größeren geſelligen Ver- eine faſt nirgends mehr auf der ausſchließlichen Baſis der Unterhaltung beruhen, ja ſich faſt gar nicht mehr auf derſelben bilden. Beinahe immer erſcheint die Bildung als der Hauptzweck, und zwar um ſo vor- wiegender, je größer dieſe Vereine ſind, während die reine Geſelligkeit, indem ſie in unſerer Zeit mehr und mehr einen individuellen tieferen Inhalt gewinnt, nur noch ganz kleine Kreiſe zu vereinigen verſteht. Es iſt das ohne Zweifel ein Fortſchritt. Aber indem das geſellige Moment in die Bildungsvereine hineintritt, hat es zugleich das geſell- ſchaftliche Element in demſelben zur Geltung gebracht. Die Geſelligkeit iſt nicht denkbar, ohne eine im Weſentlichen gleichartige geſellſchaft- liche Stellung. Sowohl die rein geſelligen als die geſelligen Bil- dungsvereine bezeichnen daher die Hauptformen der geſellſchaftlichen Unterſchiede, und nähren und entwickeln dieſelben; an ſie ſchließen ſich diejenigen geſellſchaftlichen Gegenſätze an, welche das individuelle Leben berühren; ſie haben es ſelten oder nie mit den großen geſellſchaftlichen Fragen zu thun, indem ſie ſich grundſätzlich der Aufnahme jedes, nicht der gemeinſamen geſellſchaftlichen Stellung angehörenden Elementes enthalten, wohl aber tragen ſie die kleinern geſellſchaftlichen Unterſchiede aus, indem ſie eben in ihrem Kreiſe den Werth dieſer Unterſchiede theils auf ihr richtiges Maß zurückführen, theils ganz verſchwinden laſſen. Sie ſind es daher, welche die Berufs- und Standesdifferenzen in dem allgemeinen Begriff der perſönlichen Bildung aufgehen
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obigen Sinne erſcheinen, dennoch auf eigenthümlichen Grundlagen
beruhen.
Wir müſſen unter den geſellſchaftlichen Vereinen zunächſt zwei
große Richtungen unterſcheiden. Die erſte können wir als die geſelli-
gen Vereine bezeichnen, die zweite erſt enthält die eigentlich ge-
ſellſchaftlichen Vereine.
A. Die geſelligen Vereine ſind diejenigen, welche auf Grund-
lage gleichartiger geſellſchaftlicher Stellung und Bildung eine geſellige
Unterhaltung ſuchen. Im weiteren Sinne erſchienen eine Menge von
Vereinen, namentlich auch die Bildungsvereine, zugleich als geſellige
Vereine, indem ſie in ihren Zuſammenkünften die Bildung mit der
Geſelligkeit, das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Es iſt
gerade hier auch oft zweifelhaft, welche von beiden Aufgaben als die
urſprüngliche, und welche als die vorwiegende angeſehen werden kann.
Daneben dann beſtehen andere, die aber nur die reine Geſelligkeit zum
Zweck haben. Zu jenen gehören bekanntlich die Leſevereine, Geſang-
vereine, Turnvereine, Schützenvereine u. ſ. w. Dieſe haben die ver-
ſchiedenſten Namen, und kommen in dem verſchiedenſten Umfang vor.
Es iſt übrigens immerhin bezeichnend, daß die größeren geſelligen Ver-
eine faſt nirgends mehr auf der ausſchließlichen Baſis der Unterhaltung
beruhen, ja ſich faſt gar nicht mehr auf derſelben bilden. Beinahe
immer erſcheint die Bildung als der Hauptzweck, und zwar um ſo vor-
wiegender, je größer dieſe Vereine ſind, während die reine Geſelligkeit,
indem ſie in unſerer Zeit mehr und mehr einen individuellen tieferen
Inhalt gewinnt, nur noch ganz kleine Kreiſe zu vereinigen verſteht.
Es iſt das ohne Zweifel ein Fortſchritt. Aber indem das geſellige
Moment in die Bildungsvereine hineintritt, hat es zugleich das geſell-
ſchaftliche Element in demſelben zur Geltung gebracht. Die Geſelligkeit
iſt nicht denkbar, ohne eine im Weſentlichen gleichartige geſellſchaft-
liche Stellung. Sowohl die rein geſelligen als die geſelligen Bil-
dungsvereine bezeichnen daher die Hauptformen der geſellſchaftlichen
Unterſchiede, und nähren und entwickeln dieſelben; an ſie ſchließen ſich
diejenigen geſellſchaftlichen Gegenſätze an, welche das individuelle Leben
berühren; ſie haben es ſelten oder nie mit den großen geſellſchaftlichen
Fragen zu thun, indem ſie ſich grundſätzlich der Aufnahme jedes, nicht
der gemeinſamen geſellſchaftlichen Stellung angehörenden Elementes
enthalten, wohl aber tragen ſie die kleinern geſellſchaftlichen Unterſchiede
aus, indem ſie eben in ihrem Kreiſe den Werth dieſer Unterſchiede
theils auf ihr richtiges Maß zurückführen, theils ganz verſchwinden
laſſen. Sie ſind es daher, welche die Berufs- und Standesdifferenzen
in dem allgemeinen Begriff der perſönlichen Bildung aufgehen
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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