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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Arbeitervereine wollen nicht mehr den einfachen Communismus, sondern
sie wollen vielmehr irgend ein in sehr verschiedener Weise formulirtes
Verhältniß, in welchem ihre Arbeit ihnen zu einem Kapitale helfen soll.
Es ist auch die Reihe von Vorstellungen, durch welche sie dieß Ziel zu
erreichen trachten, von uns genau dargelegt. Ganz offenbar liegt nun
all diesen Erscheinungen, von denen wir in diesem Augenblick ein
schwaches und an Theorie und Mißverstand gleich sehr kränkelndes Nach-
bild erleben, ein gemeinsamer Gedanke zum Grunde. Bei ihnen ist
nämlich weder die Bildung noch das Kapital eigentlicher Zweck, sondern
nur ein Mittel, und zwar das Mittel für die Gleichstellung der
kapitallosen Arbeit mit dem Kapitale. Solche Bestrebungen, welche in
sich einen unlösbaren Widerspruch tragen, da sie die absolute Gleichheit
des als absolut verschieden Erkannten fordern, bedürfen irgendwo eines
ethischen Haltpunktes, um nicht geradezu in sich selbst zusammen zu
fallen. Und diesen ethischen Haltpunkt suchen nun diese Arbeitervereine
darin, daß sie, da sie weder die Nothwendigkeit des Kapitals noch die
Unvermeidlichkeit seiner verschiedenen Vertheilung und damit auch nicht
die materiell unabweisbare Ungleichheit in der principiellen Gleichheit
der staatsbürgerlichen Gesellschaft erkennen können, in der immer klarer
werdenden Richtung, aus der Arbeiterklasse einen Arbeiterstand
zu bilden. Ihr -- zum Theil ihnen selbst unbewußtes -- Streben geht
dahin, die Arbeiter als eine selbständige Gemeinschaft hinzustellen, welche
eine große organische, ihr eigenthümliche Funktion zu verrichten haben.
Das Bewußtsein von der Nothwendigkeit und der Bedeutung dieser
Funktion erscheint ihnen als ein Beruf der Arbeiter; und die Gemein-
schaft der Arbeiter wird dadurch zu einem Stande in der Gesellschaft.
Die Folge dieser Auffassung ist freilich zunächst die, daß die Arbeiter
sich eine Reihe von Standesinteressen formuliren, und daß sie mit ver-
einter Kraft diese Standesinteressen zu verwirklichen trachten. Es ist
von großem Interesse, diese Erscheinungen von diesem Standpunkt aus
zu verfolgen. Denn in der That geht die Spitze aller dieser Interessen
und Bestrebungen nicht dahin, für die Arbeiter als Arbeiter zu sorgen,
und die Arbeit zum wirklichen Stande zu erheben, sondern vielmehr
dahin, irgend eine Form zu finden, in welcher den Arbeitern das erfor-
derliche Kapital gegeben werden könne, damit sie aus dem Stande der
Arbeiter heraustreten, und in die Klasse der Unternehmer gelangen.
Die Hervorhebung der ethischen Seite der Arbeit, ihres Berufes, dient
nur dazu, um jene Ansprüche ethisch zu legalisiren; die Arbeitervereine
haben nicht die Hebung der Arbeit an sich zum Zweck, sondern nur die
Sammlung der Kräfte der Arbeiter, um jenes Ziel zu erreichen, und
da es nicht möglich ist, das Kapital des Unternehmers durch die freie

Arbeitervereine wollen nicht mehr den einfachen Communismus, ſondern
ſie wollen vielmehr irgend ein in ſehr verſchiedener Weiſe formulirtes
Verhältniß, in welchem ihre Arbeit ihnen zu einem Kapitale helfen ſoll.
Es iſt auch die Reihe von Vorſtellungen, durch welche ſie dieß Ziel zu
erreichen trachten, von uns genau dargelegt. Ganz offenbar liegt nun
all dieſen Erſcheinungen, von denen wir in dieſem Augenblick ein
ſchwaches und an Theorie und Mißverſtand gleich ſehr kränkelndes Nach-
bild erleben, ein gemeinſamer Gedanke zum Grunde. Bei ihnen iſt
nämlich weder die Bildung noch das Kapital eigentlicher Zweck, ſondern
nur ein Mittel, und zwar das Mittel für die Gleichſtellung der
kapitalloſen Arbeit mit dem Kapitale. Solche Beſtrebungen, welche in
ſich einen unlösbaren Widerſpruch tragen, da ſie die abſolute Gleichheit
des als abſolut verſchieden Erkannten fordern, bedürfen irgendwo eines
ethiſchen Haltpunktes, um nicht geradezu in ſich ſelbſt zuſammen zu
fallen. Und dieſen ethiſchen Haltpunkt ſuchen nun dieſe Arbeitervereine
darin, daß ſie, da ſie weder die Nothwendigkeit des Kapitals noch die
Unvermeidlichkeit ſeiner verſchiedenen Vertheilung und damit auch nicht
die materiell unabweisbare Ungleichheit in der principiellen Gleichheit
der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft erkennen können, in der immer klarer
werdenden Richtung, aus der Arbeiterklaſſe einen Arbeiterſtand
zu bilden. Ihr — zum Theil ihnen ſelbſt unbewußtes — Streben geht
dahin, die Arbeiter als eine ſelbſtändige Gemeinſchaft hinzuſtellen, welche
eine große organiſche, ihr eigenthümliche Funktion zu verrichten haben.
Das Bewußtſein von der Nothwendigkeit und der Bedeutung dieſer
Funktion erſcheint ihnen als ein Beruf der Arbeiter; und die Gemein-
ſchaft der Arbeiter wird dadurch zu einem Stande in der Geſellſchaft.
Die Folge dieſer Auffaſſung iſt freilich zunächſt die, daß die Arbeiter
ſich eine Reihe von Standesintereſſen formuliren, und daß ſie mit ver-
einter Kraft dieſe Standesintereſſen zu verwirklichen trachten. Es iſt
von großem Intereſſe, dieſe Erſcheinungen von dieſem Standpunkt aus
zu verfolgen. Denn in der That geht die Spitze aller dieſer Intereſſen
und Beſtrebungen nicht dahin, für die Arbeiter als Arbeiter zu ſorgen,
und die Arbeit zum wirklichen Stande zu erheben, ſondern vielmehr
dahin, irgend eine Form zu finden, in welcher den Arbeitern das erfor-
derliche Kapital gegeben werden könne, damit ſie aus dem Stande der
Arbeiter heraustreten, und in die Klaſſe der Unternehmer gelangen.
Die Hervorhebung der ethiſchen Seite der Arbeit, ihres Berufes, dient
nur dazu, um jene Anſprüche ethiſch zu legaliſiren; die Arbeitervereine
haben nicht die Hebung der Arbeit an ſich zum Zweck, ſondern nur die
Sammlung der Kräfte der Arbeiter, um jenes Ziel zu erreichen, und
da es nicht möglich iſt, das Kapital des Unternehmers durch die freie

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[552/0576] Arbeitervereine wollen nicht mehr den einfachen Communismus, ſondern ſie wollen vielmehr irgend ein in ſehr verſchiedener Weiſe formulirtes Verhältniß, in welchem ihre Arbeit ihnen zu einem Kapitale helfen ſoll. Es iſt auch die Reihe von Vorſtellungen, durch welche ſie dieß Ziel zu erreichen trachten, von uns genau dargelegt. Ganz offenbar liegt nun all dieſen Erſcheinungen, von denen wir in dieſem Augenblick ein ſchwaches und an Theorie und Mißverſtand gleich ſehr kränkelndes Nach- bild erleben, ein gemeinſamer Gedanke zum Grunde. Bei ihnen iſt nämlich weder die Bildung noch das Kapital eigentlicher Zweck, ſondern nur ein Mittel, und zwar das Mittel für die Gleichſtellung der kapitalloſen Arbeit mit dem Kapitale. Solche Beſtrebungen, welche in ſich einen unlösbaren Widerſpruch tragen, da ſie die abſolute Gleichheit des als abſolut verſchieden Erkannten fordern, bedürfen irgendwo eines ethiſchen Haltpunktes, um nicht geradezu in ſich ſelbſt zuſammen zu fallen. Und dieſen ethiſchen Haltpunkt ſuchen nun dieſe Arbeitervereine darin, daß ſie, da ſie weder die Nothwendigkeit des Kapitals noch die Unvermeidlichkeit ſeiner verſchiedenen Vertheilung und damit auch nicht die materiell unabweisbare Ungleichheit in der principiellen Gleichheit der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft erkennen können, in der immer klarer werdenden Richtung, aus der Arbeiterklaſſe einen Arbeiterſtand zu bilden. Ihr — zum Theil ihnen ſelbſt unbewußtes — Streben geht dahin, die Arbeiter als eine ſelbſtändige Gemeinſchaft hinzuſtellen, welche eine große organiſche, ihr eigenthümliche Funktion zu verrichten haben. Das Bewußtſein von der Nothwendigkeit und der Bedeutung dieſer Funktion erſcheint ihnen als ein Beruf der Arbeiter; und die Gemein- ſchaft der Arbeiter wird dadurch zu einem Stande in der Geſellſchaft. Die Folge dieſer Auffaſſung iſt freilich zunächſt die, daß die Arbeiter ſich eine Reihe von Standesintereſſen formuliren, und daß ſie mit ver- einter Kraft dieſe Standesintereſſen zu verwirklichen trachten. Es iſt von großem Intereſſe, dieſe Erſcheinungen von dieſem Standpunkt aus zu verfolgen. Denn in der That geht die Spitze aller dieſer Intereſſen und Beſtrebungen nicht dahin, für die Arbeiter als Arbeiter zu ſorgen, und die Arbeit zum wirklichen Stande zu erheben, ſondern vielmehr dahin, irgend eine Form zu finden, in welcher den Arbeitern das erfor- derliche Kapital gegeben werden könne, damit ſie aus dem Stande der Arbeiter heraustreten, und in die Klaſſe der Unternehmer gelangen. Die Hervorhebung der ethiſchen Seite der Arbeit, ihres Berufes, dient nur dazu, um jene Anſprüche ethiſch zu legaliſiren; die Arbeitervereine haben nicht die Hebung der Arbeit an ſich zum Zweck, ſondern nur die Sammlung der Kräfte der Arbeiter, um jenes Ziel zu erreichen, und da es nicht möglich iſt, das Kapital des Unternehmers durch die freie

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/576>, abgerufen am 22.11.2024.