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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Der erste Moment in dieser Entwicklung ist das Verhältniß der
Verfassungen der neuen deutschen Staaten zu dem allgemeinen Be-
griff der Gemeinde in den Rechten des Gemeindewesens. Allerdings
hatte der deutsche Bund nach Form und Inhalt dem Bedürfniß nach
einer staatsbürgerlichen Verfassung nur durch das Versprechen von
"landständischen Verfassungen" entsprochen. Allein die Natur der Sache
machte sie da, wo sie existirten, bald zu eigentlichen Verfassungen; das
staatsbürgerliche Element besiegte allenthalben das ständische, und die
natürliche Folge war daher, daß diese Verfassungen allenthalben die
Einführung des staatsbürgerlichen Gemeindewesens, und zwar als die
natürliche Grundlage ihres eigenen Bestandes, vorschrieben. Mit Aus-
nahme der preußischen Stadtordnung von 1808 sind daher die neuen
Gemeindeordnungen alle erst mit den Verfassungen selbst be-
gründet
, und nur Ausführungen der Grundsätze der Verfassungs-
urkunden über das Gemeinderecht. Die Gemeindeordnungen gruppiren
sich daher wie die Verfassungsurkunden zuerst um das Jahr 1820.
Unter allen ist das württembergische Gemeindewesen ausgezeichnet.
Die Verfassungsurkunde sprach den theoretischen Satz zuerst aus, daß
"die Gemeinde die Grundlage des Staats sei" (§. 62); die Elemente
des Rechts waren erstlich, daß die Gemeinde ihre Rechte durch selbst-
gewählte Vertreter auf Grundlage der Gesetze zu verwalten, dann daß
der Staat die Oberaufsicht habe (§. 65). Das Verwaltungsedikt vom
1. März 1822 bestimmte dann nach langem Kampfe, welches die Rechte
der Regierung gegenüber der Gemeinde seien, namentlich die Punkte,
in welchen die Genehmigung der Regierungsbehörden nothwendig sei."
(Mohl, Württemb. Verwaltungsrecht II, S. 131. ff.) Großh. Hessen,
Verfassungsurkunde §. 45. Coburg, Verfassung von 1821, Th. IV.
Bayern hat bekanntlich seine Gemeindeverfassung durch das Edikt vom
17. Mai 1818 geordnet, und in seiner Verfassung von 1818 darauf
als ein fertiges hinweisen können, während Coburg a. a. O. nur das
Versprechen einer Gemeindeordnung gab. Dann kommt das Jahr 1830,
wo entweder selbständige Gemeindeverfassungen gegeben werden, da die
alte Verfassung bestehen bleibt, wie in Baden, Gesetz 31. Dec. 1831,
oder als die Gemeindeordnung in ihren Grundsätzen unmittelbar in der
Verfassungsurkunde erschienen, wie in Kurhessen, Verfassung 1831,
Abschnitt IV, oder gar vollständig wie in Sachsen-Altenburg,
Abtheil. III, Braunschweig, Capitel III, Hannover, Capitel IV,
Sachsen-Meiningen, §. 19. -- oder wo endlich, wie im Königreich
Sachsen und Bayern (1834) ganz selbständige Gemeindeordnungen
erlassen werden -- (nach diesen Angaben ist Zöpfl II, §. 422. 1. zu
berichtigen) -- theils um das Jahr 1848, wo wir mit den Verfassungen

Der erſte Moment in dieſer Entwicklung iſt das Verhältniß der
Verfaſſungen der neuen deutſchen Staaten zu dem allgemeinen Be-
griff der Gemeinde in den Rechten des Gemeindeweſens. Allerdings
hatte der deutſche Bund nach Form und Inhalt dem Bedürfniß nach
einer ſtaatsbürgerlichen Verfaſſung nur durch das Verſprechen von
„landſtändiſchen Verfaſſungen“ entſprochen. Allein die Natur der Sache
machte ſie da, wo ſie exiſtirten, bald zu eigentlichen Verfaſſungen; das
ſtaatsbürgerliche Element beſiegte allenthalben das ſtändiſche, und die
natürliche Folge war daher, daß dieſe Verfaſſungen allenthalben die
Einführung des ſtaatsbürgerlichen Gemeindeweſens, und zwar als die
natürliche Grundlage ihres eigenen Beſtandes, vorſchrieben. Mit Aus-
nahme der preußiſchen Stadtordnung von 1808 ſind daher die neuen
Gemeindeordnungen alle erſt mit den Verfaſſungen ſelbſt be-
gründet
, und nur Ausführungen der Grundſätze der Verfaſſungs-
urkunden über das Gemeinderecht. Die Gemeindeordnungen gruppiren
ſich daher wie die Verfaſſungsurkunden zuerſt um das Jahr 1820.
Unter allen iſt das württembergiſche Gemeindeweſen ausgezeichnet.
Die Verfaſſungsurkunde ſprach den theoretiſchen Satz zuerſt aus, daß
„die Gemeinde die Grundlage des Staats ſei“ (§. 62); die Elemente
des Rechts waren erſtlich, daß die Gemeinde ihre Rechte durch ſelbſt-
gewählte Vertreter auf Grundlage der Geſetze zu verwalten, dann daß
der Staat die Oberaufſicht habe (§. 65). Das Verwaltungsedikt vom
1. März 1822 beſtimmte dann nach langem Kampfe, welches die Rechte
der Regierung gegenüber der Gemeinde ſeien, namentlich die Punkte,
in welchen die Genehmigung der Regierungsbehörden nothwendig ſei.“
(Mohl, Württemb. Verwaltungsrecht II, S. 131. ff.) Großh. Heſſen,
Verfaſſungsurkunde §. 45. Coburg, Verfaſſung von 1821, Th. IV.
Bayern hat bekanntlich ſeine Gemeindeverfaſſung durch das Edikt vom
17. Mai 1818 geordnet, und in ſeiner Verfaſſung von 1818 darauf
als ein fertiges hinweiſen können, während Coburg a. a. O. nur das
Verſprechen einer Gemeindeordnung gab. Dann kommt das Jahr 1830,
wo entweder ſelbſtändige Gemeindeverfaſſungen gegeben werden, da die
alte Verfaſſung beſtehen bleibt, wie in Baden, Geſetz 31. Dec. 1831,
oder als die Gemeindeordnung in ihren Grundſätzen unmittelbar in der
Verfaſſungsurkunde erſchienen, wie in Kurheſſen, Verfaſſung 1831,
Abſchnitt IV, oder gar vollſtändig wie in Sachſen-Altenburg,
Abtheil. III, Braunſchweig, Capitel III, Hannover, Capitel IV,
Sachſen-Meiningen, §. 19. — oder wo endlich, wie im Königreich
Sachſen und Bayern (1834) ganz ſelbſtändige Gemeindeordnungen
erlaſſen werden — (nach dieſen Angaben iſt Zöpfl II, §. 422. 1. zu
berichtigen) — theils um das Jahr 1848, wo wir mit den Verfaſſungen

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[495/0519] Der erſte Moment in dieſer Entwicklung iſt das Verhältniß der Verfaſſungen der neuen deutſchen Staaten zu dem allgemeinen Be- griff der Gemeinde in den Rechten des Gemeindeweſens. Allerdings hatte der deutſche Bund nach Form und Inhalt dem Bedürfniß nach einer ſtaatsbürgerlichen Verfaſſung nur durch das Verſprechen von „landſtändiſchen Verfaſſungen“ entſprochen. Allein die Natur der Sache machte ſie da, wo ſie exiſtirten, bald zu eigentlichen Verfaſſungen; das ſtaatsbürgerliche Element beſiegte allenthalben das ſtändiſche, und die natürliche Folge war daher, daß dieſe Verfaſſungen allenthalben die Einführung des ſtaatsbürgerlichen Gemeindeweſens, und zwar als die natürliche Grundlage ihres eigenen Beſtandes, vorſchrieben. Mit Aus- nahme der preußiſchen Stadtordnung von 1808 ſind daher die neuen Gemeindeordnungen alle erſt mit den Verfaſſungen ſelbſt be- gründet, und nur Ausführungen der Grundſätze der Verfaſſungs- urkunden über das Gemeinderecht. Die Gemeindeordnungen gruppiren ſich daher wie die Verfaſſungsurkunden zuerſt um das Jahr 1820. Unter allen iſt das württembergiſche Gemeindeweſen ausgezeichnet. Die Verfaſſungsurkunde ſprach den theoretiſchen Satz zuerſt aus, daß „die Gemeinde die Grundlage des Staats ſei“ (§. 62); die Elemente des Rechts waren erſtlich, daß die Gemeinde ihre Rechte durch ſelbſt- gewählte Vertreter auf Grundlage der Geſetze zu verwalten, dann daß der Staat die Oberaufſicht habe (§. 65). Das Verwaltungsedikt vom 1. März 1822 beſtimmte dann nach langem Kampfe, welches die Rechte der Regierung gegenüber der Gemeinde ſeien, namentlich die Punkte, in welchen die Genehmigung der Regierungsbehörden nothwendig ſei.“ (Mohl, Württemb. Verwaltungsrecht II, S. 131. ff.) Großh. Heſſen, Verfaſſungsurkunde §. 45. Coburg, Verfaſſung von 1821, Th. IV. Bayern hat bekanntlich ſeine Gemeindeverfaſſung durch das Edikt vom 17. Mai 1818 geordnet, und in ſeiner Verfaſſung von 1818 darauf als ein fertiges hinweiſen können, während Coburg a. a. O. nur das Verſprechen einer Gemeindeordnung gab. Dann kommt das Jahr 1830, wo entweder ſelbſtändige Gemeindeverfaſſungen gegeben werden, da die alte Verfaſſung beſtehen bleibt, wie in Baden, Geſetz 31. Dec. 1831, oder als die Gemeindeordnung in ihren Grundſätzen unmittelbar in der Verfaſſungsurkunde erſchienen, wie in Kurheſſen, Verfaſſung 1831, Abſchnitt IV, oder gar vollſtändig wie in Sachſen-Altenburg, Abtheil. III, Braunſchweig, Capitel III, Hannover, Capitel IV, Sachſen-Meiningen, §. 19. — oder wo endlich, wie im Königreich Sachſen und Bayern (1834) ganz ſelbſtändige Gemeindeordnungen erlaſſen werden — (nach dieſen Angaben iſt Zöpfl II, §. 422. 1. zu berichtigen) — theils um das Jahr 1848, wo wir mit den Verfaſſungen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/519>, abgerufen am 23.11.2024.