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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Rede war. Andererseits verfiel die Hauptthätigkeit auf das Bundesrecht, das
wunderlicher Weise als Haupttheil "des deutschen allgemeinen Staatsrechts" be-
trachtet ward. Der Bund aber hatte weder zu verwalten noch zu regieren. Der
Gründer des deutschen Bundesrechts, Klüber, wußte daher mit beiden Begriffen
gar nichts anzufangen, und warf Hoheitsrecht, Regierung, Verwaltung und die
einzelnen Gebiete der letztern so gründlich durcheinander, daß es nicht möglich war,
weder seine Meinung zu erkennen, noch sich eine eigene zu bilden. Von da an
sehen wir daher die Verwirrung aller Begriffe und das gänzliche Verschwinden
der obigen klaren Unterschiede entschieden, um so mehr als in den Hauptstaaten
überhaupt keine Verfassung bestand. Die Nachfolger, Maurenbrecher, Za-
chariä
(Göttingen), Leist, haben sich von dieser Verwirrung nicht frei zu
machen gewußt, weil auch ihnen die erste Basis, Gegensatz von Verfassung und
Verwaltung, fehlte. Nur Zöpfl (Staatsrecht II.) unterscheidet sehr gut Regierung
und Verwaltung, aber ohne für die Darstellung seines Staatsrechts irgend
eine
Consequenz daraus zu ziehen, §. 344, wogegen wieder Held in seiner
Verfassungslehre II. 450 kämpft. (S. übrigens über beide Begriffe unten.) Die
Bearbeitungen der einzelnen Staatsrechte, zuerst Mohl, Württemb. Staats-
recht, dann Moy und Pötzl, Bayr. Staatsrecht, kamen allerdings wieder zu
jenem Unterschied, aber sie verloren dabei den Begriff der Regierung, da
dieser nicht in objektiv geltende Bestimmungen zu fassen war. So sind wir
jetzt gezwungen, gleichsam von vorne anzufangen. Und allerdings kann es nicht
genügen, dieß bloß mit Definitionen zu thun. Wir haben zu versuchen, diese
bisher abstrakten Begriffe mit einem concreten und praktischen Inhalt zu er-
füllen. Das kann aber nur durch das Recht und seine Darstellung geschehen.

Begriff und Gebiete des öffentlichen Rechts.

In der bisherigen Darstellung haben wir nun den Begriff des
Staats in den Grundformen seiner organischen Gestaltung dargelegt.
Wenn wir jetzt vom Leben des Staats reden, so bezeichnet uns dieser
Ausdruck nicht länger jenes unbestimmte Etwas, das wir die Unter-
werfung des gegenständlichen Daseins unter die persönliche Bestimmung
des Staats nennen. Das Leben des Staats ist jetzt ein Proceß, den
wir in seinen organischen Elementen verfolgen können. Der Staat, in
der Mitte der wirklichen Dinge stehend, bestimmt die Ordnung und das
Ziel seines wirklichen Daseins durch seinen Willen, indem er vermöge
der Berathung zum Schluß kommt, und dieser bestimmte Wille, indem
er sich auf den wirklichen Inhalt des Staatslebens bezieht, oder das
Gesetz des Staats, bestimmt die Thätigkeit der Vollziehung, die wieder
in der wirthschaftlichen, der rechtlichen oder der innern Aufgabe als
Verwaltung erscheint. Das sind die absoluten Formen des Staatslebens.
Kein Theil dieses Lebens ist für sich denkbar; es gibt keine Gesetzgebung
ohne Vollziehung, keine Vollziehung ohne Verwaltung, keine Verwaltung

Rede war. Andererſeits verfiel die Hauptthätigkeit auf das Bundesrecht, das
wunderlicher Weiſe als Haupttheil „des deutſchen allgemeinen Staatsrechts“ be-
trachtet ward. Der Bund aber hatte weder zu verwalten noch zu regieren. Der
Gründer des deutſchen Bundesrechts, Klüber, wußte daher mit beiden Begriffen
gar nichts anzufangen, und warf Hoheitsrecht, Regierung, Verwaltung und die
einzelnen Gebiete der letztern ſo gründlich durcheinander, daß es nicht möglich war,
weder ſeine Meinung zu erkennen, noch ſich eine eigene zu bilden. Von da an
ſehen wir daher die Verwirrung aller Begriffe und das gänzliche Verſchwinden
der obigen klaren Unterſchiede entſchieden, um ſo mehr als in den Hauptſtaaten
überhaupt keine Verfaſſung beſtand. Die Nachfolger, Maurenbrecher, Za-
chariä
(Göttingen), Leiſt, haben ſich von dieſer Verwirrung nicht frei zu
machen gewußt, weil auch ihnen die erſte Baſis, Gegenſatz von Verfaſſung und
Verwaltung, fehlte. Nur Zöpfl (Staatsrecht II.) unterſcheidet ſehr gut Regierung
und Verwaltung, aber ohne für die Darſtellung ſeines Staatsrechts irgend
eine
Conſequenz daraus zu ziehen, §. 344, wogegen wieder Held in ſeiner
Verfaſſungslehre II. 450 kämpft. (S. übrigens über beide Begriffe unten.) Die
Bearbeitungen der einzelnen Staatsrechte, zuerſt Mohl, Württemb. Staats-
recht, dann Moy und Pötzl, Bayr. Staatsrecht, kamen allerdings wieder zu
jenem Unterſchied, aber ſie verloren dabei den Begriff der Regierung, da
dieſer nicht in objektiv geltende Beſtimmungen zu faſſen war. So ſind wir
jetzt gezwungen, gleichſam von vorne anzufangen. Und allerdings kann es nicht
genügen, dieß bloß mit Definitionen zu thun. Wir haben zu verſuchen, dieſe
bisher abſtrakten Begriffe mit einem concreten und praktiſchen Inhalt zu er-
füllen. Das kann aber nur durch das Recht und ſeine Darſtellung geſchehen.

Begriff und Gebiete des öffentlichen Rechts.

In der bisherigen Darſtellung haben wir nun den Begriff des
Staats in den Grundformen ſeiner organiſchen Geſtaltung dargelegt.
Wenn wir jetzt vom Leben des Staats reden, ſo bezeichnet uns dieſer
Ausdruck nicht länger jenes unbeſtimmte Etwas, das wir die Unter-
werfung des gegenſtändlichen Daſeins unter die perſönliche Beſtimmung
des Staats nennen. Das Leben des Staats iſt jetzt ein Proceß, den
wir in ſeinen organiſchen Elementen verfolgen können. Der Staat, in
der Mitte der wirklichen Dinge ſtehend, beſtimmt die Ordnung und das
Ziel ſeines wirklichen Daſeins durch ſeinen Willen, indem er vermöge
der Berathung zum Schluß kommt, und dieſer beſtimmte Wille, indem
er ſich auf den wirklichen Inhalt des Staatslebens bezieht, oder das
Geſetz des Staats, beſtimmt die Thätigkeit der Vollziehung, die wieder
in der wirthſchaftlichen, der rechtlichen oder der innern Aufgabe als
Verwaltung erſcheint. Das ſind die abſoluten Formen des Staatslebens.
Kein Theil dieſes Lebens iſt für ſich denkbar; es gibt keine Geſetzgebung
ohne Vollziehung, keine Vollziehung ohne Verwaltung, keine Verwaltung

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[20/0044] Rede war. Andererſeits verfiel die Hauptthätigkeit auf das Bundesrecht, das wunderlicher Weiſe als Haupttheil „des deutſchen allgemeinen Staatsrechts“ be- trachtet ward. Der Bund aber hatte weder zu verwalten noch zu regieren. Der Gründer des deutſchen Bundesrechts, Klüber, wußte daher mit beiden Begriffen gar nichts anzufangen, und warf Hoheitsrecht, Regierung, Verwaltung und die einzelnen Gebiete der letztern ſo gründlich durcheinander, daß es nicht möglich war, weder ſeine Meinung zu erkennen, noch ſich eine eigene zu bilden. Von da an ſehen wir daher die Verwirrung aller Begriffe und das gänzliche Verſchwinden der obigen klaren Unterſchiede entſchieden, um ſo mehr als in den Hauptſtaaten überhaupt keine Verfaſſung beſtand. Die Nachfolger, Maurenbrecher, Za- chariä (Göttingen), Leiſt, haben ſich von dieſer Verwirrung nicht frei zu machen gewußt, weil auch ihnen die erſte Baſis, Gegenſatz von Verfaſſung und Verwaltung, fehlte. Nur Zöpfl (Staatsrecht II.) unterſcheidet ſehr gut Regierung und Verwaltung, aber ohne für die Darſtellung ſeines Staatsrechts irgend eine Conſequenz daraus zu ziehen, §. 344, wogegen wieder Held in ſeiner Verfaſſungslehre II. 450 kämpft. (S. übrigens über beide Begriffe unten.) Die Bearbeitungen der einzelnen Staatsrechte, zuerſt Mohl, Württemb. Staats- recht, dann Moy und Pötzl, Bayr. Staatsrecht, kamen allerdings wieder zu jenem Unterſchied, aber ſie verloren dabei den Begriff der Regierung, da dieſer nicht in objektiv geltende Beſtimmungen zu faſſen war. So ſind wir jetzt gezwungen, gleichſam von vorne anzufangen. Und allerdings kann es nicht genügen, dieß bloß mit Definitionen zu thun. Wir haben zu verſuchen, dieſe bisher abſtrakten Begriffe mit einem concreten und praktiſchen Inhalt zu er- füllen. Das kann aber nur durch das Recht und ſeine Darſtellung geſchehen. Begriff und Gebiete des öffentlichen Rechts. In der bisherigen Darſtellung haben wir nun den Begriff des Staats in den Grundformen ſeiner organiſchen Geſtaltung dargelegt. Wenn wir jetzt vom Leben des Staats reden, ſo bezeichnet uns dieſer Ausdruck nicht länger jenes unbeſtimmte Etwas, das wir die Unter- werfung des gegenſtändlichen Daſeins unter die perſönliche Beſtimmung des Staats nennen. Das Leben des Staats iſt jetzt ein Proceß, den wir in ſeinen organiſchen Elementen verfolgen können. Der Staat, in der Mitte der wirklichen Dinge ſtehend, beſtimmt die Ordnung und das Ziel ſeines wirklichen Daſeins durch ſeinen Willen, indem er vermöge der Berathung zum Schluß kommt, und dieſer beſtimmte Wille, indem er ſich auf den wirklichen Inhalt des Staatslebens bezieht, oder das Geſetz des Staats, beſtimmt die Thätigkeit der Vollziehung, die wieder in der wirthſchaftlichen, der rechtlichen oder der innern Aufgabe als Verwaltung erſcheint. Das ſind die abſoluten Formen des Staatslebens. Kein Theil dieſes Lebens iſt für ſich denkbar; es gibt keine Geſetzgebung ohne Vollziehung, keine Vollziehung ohne Verwaltung, keine Verwaltung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/44>, abgerufen am 25.11.2024.