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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Die Aufgabe des folgenden Systems ist es nun, den allgemeinen
Theil der Verwaltung im weitesten Sinne oder die Lehre der vollziehen-
den Gewalt nach all ihren Seiten und Ordnungen darzustellen. Und,
da die Finanzverwaltung in der Finanzwissenschaft, die Rechtspflege
in Rechtslehre und Proceß ohnehin dargelegt wird, so bleibt als zweites
Gebiet unserer Aufgabe die innere Verwaltungslehre übrig. Wir
geben demnach zuerst den ersten Theil der Verwaltungslehre im wei-
testen Sinn, und dann den letzten Theil, es dem Leser überlassend,
die beiden mittleren Gebiete durch die bestehenden Bearbeitungen aus-
zufüllen.

Dies nun wird seine definitive Gestalt empfangen, indem wir den
Begriff und Inhalt des öffentlichen Rechts damit verbinden.

Verfassung, Regierung und Verwaltung. -- Vielleicht auf keinem
Punkte der ganzen Staatswissenschaft zeigt sich das, was wir das, der deutschen
Theorie überhaupt eigenthümliche Widerstreben gegen Annahme fester Begriffe
und Ausdrücke nennen müssen, so sehr, als in dem Ausdruck Verwaltung
und Regierung. Die Grundlage der ganzen obigen Auffassung, einerseits
der Unterschied zwischen Verfassung und Verwaltung, im weiteren Sinn, und
andererseits zwischen Regierung (als allgemeiner) und eigentlicher Verwaltung
(als besonderer) Thätigkeit des Staats ist keineswegs neu; allein so klar diese
Unterschiede auch ausgesprochen werden, so hat man sie doch nicht festhalten
können. Vielleicht daß die Bezeichnung der Gründe, welche die Unsicherheit
der Ausdrücke erzeugten, dazu beitragen werden, sie endlich selbst mit all ihren
Uebelständen zu erkennen. Während wir den Unterschied und die ganze Lehre
von den Gewalten den Franzosen verdanken, gehört die im Grunde weit wich-
tigere Unterscheidung von Verfassung, Regierung und Verwaltung der deutschen
Wissenschaft, welche sie leider nicht gehörig entwickelt hat. So viel wir sehen,
hat sie Schlözer zuerst sehr klar aufgestellt (Staatsgelahrtheit 1793,
§. 3): "aus den Zwecken des Staats ergeben sich sowohl die Geschäfte des
Staats (Staatsverwaltung), als die zu deren Betreibung nothwendigen
Rechte und Pflichten der Regierenden und Gehorchenden (Staatsrecht)"
(eigentlich das Verwaltungsrecht im weitern Sinn; siehe unten) "sammt der
unter vielen möglichen Arten beliebten besondern Einrichtung (Staatsverfassung),"
eine Unterscheidung, die er dann in seiner Theorie der Statistik (1804)

[Tabelle]

Die Aufgabe des folgenden Syſtems iſt es nun, den allgemeinen
Theil der Verwaltung im weiteſten Sinne oder die Lehre der vollziehen-
den Gewalt nach all ihren Seiten und Ordnungen darzuſtellen. Und,
da die Finanzverwaltung in der Finanzwiſſenſchaft, die Rechtspflege
in Rechtslehre und Proceß ohnehin dargelegt wird, ſo bleibt als zweites
Gebiet unſerer Aufgabe die innere Verwaltungslehre übrig. Wir
geben demnach zuerſt den erſten Theil der Verwaltungslehre im wei-
teſten Sinn, und dann den letzten Theil, es dem Leſer überlaſſend,
die beiden mittleren Gebiete durch die beſtehenden Bearbeitungen aus-
zufüllen.

Dies nun wird ſeine definitive Geſtalt empfangen, indem wir den
Begriff und Inhalt des öffentlichen Rechts damit verbinden.

Verfaſſung, Regierung und Verwaltung. — Vielleicht auf keinem
Punkte der ganzen Staatswiſſenſchaft zeigt ſich das, was wir das, der deutſchen
Theorie überhaupt eigenthümliche Widerſtreben gegen Annahme feſter Begriffe
und Ausdrücke nennen müſſen, ſo ſehr, als in dem Ausdruck Verwaltung
und Regierung. Die Grundlage der ganzen obigen Auffaſſung, einerſeits
der Unterſchied zwiſchen Verfaſſung und Verwaltung, im weiteren Sinn, und
andererſeits zwiſchen Regierung (als allgemeiner) und eigentlicher Verwaltung
(als beſonderer) Thätigkeit des Staats iſt keineswegs neu; allein ſo klar dieſe
Unterſchiede auch ausgeſprochen werden, ſo hat man ſie doch nicht feſthalten
können. Vielleicht daß die Bezeichnung der Gründe, welche die Unſicherheit
der Ausdrücke erzeugten, dazu beitragen werden, ſie endlich ſelbſt mit all ihren
Uebelſtänden zu erkennen. Während wir den Unterſchied und die ganze Lehre
von den Gewalten den Franzoſen verdanken, gehört die im Grunde weit wich-
tigere Unterſcheidung von Verfaſſung, Regierung und Verwaltung der deutſchen
Wiſſenſchaft, welche ſie leider nicht gehörig entwickelt hat. So viel wir ſehen,
hat ſie Schlözer zuerſt ſehr klar aufgeſtellt (Staatsgelahrtheit 1793,
§. 3): „aus den Zwecken des Staats ergeben ſich ſowohl die Geſchäfte des
Staats (Staatsverwaltung), als die zu deren Betreibung nothwendigen
Rechte und Pflichten der Regierenden und Gehorchenden (Staatsrecht)“
(eigentlich das Verwaltungsrecht im weitern Sinn; ſiehe unten) „ſammt der
unter vielen möglichen Arten beliebten beſondern Einrichtung (Staatsverfaſſung),“
eine Unterſcheidung, die er dann in ſeiner Theorie der Statiſtik (1804)

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[18/0042] Die Aufgabe des folgenden Syſtems iſt es nun, den allgemeinen Theil der Verwaltung im weiteſten Sinne oder die Lehre der vollziehen- den Gewalt nach all ihren Seiten und Ordnungen darzuſtellen. Und, da die Finanzverwaltung in der Finanzwiſſenſchaft, die Rechtspflege in Rechtslehre und Proceß ohnehin dargelegt wird, ſo bleibt als zweites Gebiet unſerer Aufgabe die innere Verwaltungslehre übrig. Wir geben demnach zuerſt den erſten Theil der Verwaltungslehre im wei- teſten Sinn, und dann den letzten Theil, es dem Leſer überlaſſend, die beiden mittleren Gebiete durch die beſtehenden Bearbeitungen aus- zufüllen. Dies nun wird ſeine definitive Geſtalt empfangen, indem wir den Begriff und Inhalt des öffentlichen Rechts damit verbinden. Verfaſſung, Regierung und Verwaltung. — Vielleicht auf keinem Punkte der ganzen Staatswiſſenſchaft zeigt ſich das, was wir das, der deutſchen Theorie überhaupt eigenthümliche Widerſtreben gegen Annahme feſter Begriffe und Ausdrücke nennen müſſen, ſo ſehr, als in dem Ausdruck Verwaltung und Regierung. Die Grundlage der ganzen obigen Auffaſſung, einerſeits der Unterſchied zwiſchen Verfaſſung und Verwaltung, im weiteren Sinn, und andererſeits zwiſchen Regierung (als allgemeiner) und eigentlicher Verwaltung (als beſonderer) Thätigkeit des Staats iſt keineswegs neu; allein ſo klar dieſe Unterſchiede auch ausgeſprochen werden, ſo hat man ſie doch nicht feſthalten können. Vielleicht daß die Bezeichnung der Gründe, welche die Unſicherheit der Ausdrücke erzeugten, dazu beitragen werden, ſie endlich ſelbſt mit all ihren Uebelſtänden zu erkennen. Während wir den Unterſchied und die ganze Lehre von den Gewalten den Franzoſen verdanken, gehört die im Grunde weit wich- tigere Unterſcheidung von Verfaſſung, Regierung und Verwaltung der deutſchen Wiſſenſchaft, welche ſie leider nicht gehörig entwickelt hat. So viel wir ſehen, hat ſie Schlözer zuerſt ſehr klar aufgeſtellt (Staatsgelahrtheit 1793, §. 3): „aus den Zwecken des Staats ergeben ſich ſowohl die Geſchäfte des Staats (Staatsverwaltung), als die zu deren Betreibung nothwendigen Rechte und Pflichten der Regierenden und Gehorchenden (Staatsrecht)“ (eigentlich das Verwaltungsrecht im weitern Sinn; ſiehe unten) „ſammt der unter vielen möglichen Arten beliebten beſondern Einrichtung (Staatsverfaſſung),“ eine Unterſcheidung, die er dann in ſeiner Theorie der Statiſtik (1804)

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/42>, abgerufen am 25.11.2024.