Volksvertretung möglich gemacht; und die Interessen aller Einzelnen sind in den, alle bureaux begleitenden Conseils ja ausreichend ver- treten. Eine Versammlungs- und Petitionsgewalt in administrativen Dingen, in England natürlich und sogar nothwendig, erscheint in Frankreich unorganisch und gefährlich; es ist dasselbe an und für sich ein Widerspruch mit dem ganzen System der Verwaltung; es kann daher faktisch auch nie mit einem Anklageakt gegen das Ministerium auf- treten, und da dieser der Volksvertretung vorbehalten ist, so ist in der That kein Raum da für dasselbe. An diese Auffassung muß man sich gewöhnen; Versammlungen und Petitionen sind in Frankreich nicht in englischer und deutscher Weise denkbar; sie sind im Widerspruch nicht gerade mit dem Rechte der Regierung, sondern mit dem System und Princip der Verwaltung, und ihre wirkliche Ausübung erscheint daher immer nur als ein Gesuch im bestimmten Interesse einzelner Angele- genheiten und wird auch als solches behandelt.
Dagegen mußte bei dieser Identificirung des Systems der Conseils mit der Selbstverwaltung allerdings die Frage beantwortet werden, in welchem Verhältniß denn nun das Recht dieser Conseils zu dem der Staatsbeamteten stehe. Und hier nun zeigt sich der Unterschied der Vertretungen von den Selbstverwaltungskörpern schlagend in einer Form, in der man ihn vielleicht am wenigsten erwartet. Das klare und praktische Verständniß der Franzosen hat sie nämlich gleich bei der Begründung des Systems der Conseils dahin geführt, das Recht der- jenigen Conseils, welche an der Stelle der Selbstverwaltungskörper fun- giren, wesentlich anders zu formuliren als das Recht derjenigen, welche nur Vertretungen sind. Die letzteren haben überhaupt nur Gutachten zu geben, und zwar, wie es natürlich ist, in den in ihrer Organisation ihnen vorgeschriebenen Fällen; ils sont appelles a donner avis. Die- jenigen Conseils dagegen, welche der örtlichen Verwaltung bei- gegeben sind, nehmen gleich anfangs den Charakter von Selbstverwal- tungskörpern an; es ist unmöglich, sie als bloß berathende Organe hinzustellen; sie müssen, um ihrer Idee zu entsprechen, irgend eine freie Selbstthätigkeit besitzen; demnach dürfen sie dieselbe weder über die ganze örtliche Verwaltung ausdehnen, noch dürfen sie die Vollzie- hung in Händen haben, die dem amtlichen Organe ausschließlich bleiben soll. Und so entsteht jenes eigenthümliche System für das Recht aller derjenigen Conseils, welche nicht mehr Räthe, sondern eigentlich Selbst- verwaltungskörper sind. Dieß Recht ist nämlich für alle diese Con- seils vom Conseil d'Etat bis zum Conseil municipal herab in drei feste Kategorien zusammengefaßt. Jeder dieser Conseils hat das Recht, in einzelnen, möglichst scharf bestimmten Fällen zu entscheiden -- il
Volksvertretung möglich gemacht; und die Intereſſen aller Einzelnen ſind in den, alle bureaux begleitenden Conseils ja ausreichend ver- treten. Eine Verſammlungs- und Petitionsgewalt in adminiſtrativen Dingen, in England natürlich und ſogar nothwendig, erſcheint in Frankreich unorganiſch und gefährlich; es iſt daſſelbe an und für ſich ein Widerſpruch mit dem ganzen Syſtem der Verwaltung; es kann daher faktiſch auch nie mit einem Anklageakt gegen das Miniſterium auf- treten, und da dieſer der Volksvertretung vorbehalten iſt, ſo iſt in der That kein Raum da für daſſelbe. An dieſe Auffaſſung muß man ſich gewöhnen; Verſammlungen und Petitionen ſind in Frankreich nicht in engliſcher und deutſcher Weiſe denkbar; ſie ſind im Widerſpruch nicht gerade mit dem Rechte der Regierung, ſondern mit dem Syſtem und Princip der Verwaltung, und ihre wirkliche Ausübung erſcheint daher immer nur als ein Geſuch im beſtimmten Intereſſe einzelner Angele- genheiten und wird auch als ſolches behandelt.
Dagegen mußte bei dieſer Identificirung des Syſtems der Conseils mit der Selbſtverwaltung allerdings die Frage beantwortet werden, in welchem Verhältniß denn nun das Recht dieſer Conseils zu dem der Staatsbeamteten ſtehe. Und hier nun zeigt ſich der Unterſchied der Vertretungen von den Selbſtverwaltungskörpern ſchlagend in einer Form, in der man ihn vielleicht am wenigſten erwartet. Das klare und praktiſche Verſtändniß der Franzoſen hat ſie nämlich gleich bei der Begründung des Syſtems der Conseils dahin geführt, das Recht der- jenigen Conseils, welche an der Stelle der Selbſtverwaltungskörper fun- giren, weſentlich anders zu formuliren als das Recht derjenigen, welche nur Vertretungen ſind. Die letzteren haben überhaupt nur Gutachten zu geben, und zwar, wie es natürlich iſt, in den in ihrer Organiſation ihnen vorgeſchriebenen Fällen; ils sont appellés à donner avis. Die- jenigen Conseils dagegen, welche der örtlichen Verwaltung bei- gegeben ſind, nehmen gleich anfangs den Charakter von Selbſtverwal- tungskörpern an; es iſt unmöglich, ſie als bloß berathende Organe hinzuſtellen; ſie müſſen, um ihrer Idee zu entſprechen, irgend eine freie Selbſtthätigkeit beſitzen; demnach dürfen ſie dieſelbe weder über die ganze örtliche Verwaltung ausdehnen, noch dürfen ſie die Vollzie- hung in Händen haben, die dem amtlichen Organe ausſchließlich bleiben ſoll. Und ſo entſteht jenes eigenthümliche Syſtem für das Recht aller derjenigen Conseils, welche nicht mehr Räthe, ſondern eigentlich Selbſt- verwaltungskörper ſind. Dieß Recht iſt nämlich für alle dieſe Con- seils vom Conseil d’État bis zum Conseil municipal herab in drei feſte Kategorien zuſammengefaßt. Jeder dieſer Conseils hat das Recht, in einzelnen, möglichſt ſcharf beſtimmten Fällen zu entſcheiden — il
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Dingen, in England natürlich und ſogar nothwendig, erſcheint in
Frankreich unorganiſch und gefährlich; es iſt daſſelbe an und für ſich
ein Widerſpruch mit dem ganzen Syſtem der Verwaltung; es kann
daher faktiſch auch nie mit einem Anklageakt gegen das Miniſterium auf-
treten, und da dieſer der Volksvertretung vorbehalten iſt, ſo iſt in der
That kein Raum da für daſſelbe. An dieſe Auffaſſung muß man ſich
gewöhnen; Verſammlungen und Petitionen ſind in Frankreich nicht in
engliſcher und deutſcher Weiſe denkbar; ſie ſind im Widerſpruch nicht
gerade mit dem Rechte der Regierung, ſondern mit dem Syſtem und
Princip der Verwaltung, und ihre wirkliche Ausübung erſcheint daher
immer nur als ein Geſuch im beſtimmten Intereſſe einzelner Angele-
genheiten und wird auch als ſolches behandelt.
Dagegen mußte bei dieſer Identificirung des Syſtems der Conseils
mit der Selbſtverwaltung allerdings die Frage beantwortet werden, in
welchem Verhältniß denn nun das Recht dieſer Conseils zu dem der
Staatsbeamteten ſtehe. Und hier nun zeigt ſich der Unterſchied der
Vertretungen von den Selbſtverwaltungskörpern ſchlagend in einer
Form, in der man ihn vielleicht am wenigſten erwartet. Das klare
und praktiſche Verſtändniß der Franzoſen hat ſie nämlich gleich bei der
Begründung des Syſtems der Conseils dahin geführt, das Recht der-
jenigen Conseils, welche an der Stelle der Selbſtverwaltungskörper fun-
giren, weſentlich anders zu formuliren als das Recht derjenigen, welche
nur Vertretungen ſind. Die letzteren haben überhaupt nur Gutachten
zu geben, und zwar, wie es natürlich iſt, in den in ihrer Organiſation
ihnen vorgeſchriebenen Fällen; ils sont appellés à donner avis. Die-
jenigen Conseils dagegen, welche der örtlichen Verwaltung bei-
gegeben ſind, nehmen gleich anfangs den Charakter von Selbſtverwal-
tungskörpern an; es iſt unmöglich, ſie als bloß berathende Organe
hinzuſtellen; ſie müſſen, um ihrer Idee zu entſprechen, irgend eine
freie Selbſtthätigkeit beſitzen; demnach dürfen ſie dieſelbe weder über
die ganze örtliche Verwaltung ausdehnen, noch dürfen ſie die Vollzie-
hung in Händen haben, die dem amtlichen Organe ausſchließlich bleiben
ſoll. Und ſo entſteht jenes eigenthümliche Syſtem für das Recht aller
derjenigen Conseils, welche nicht mehr Räthe, ſondern eigentlich Selbſt-
verwaltungskörper ſind. Dieß Recht iſt nämlich für alle dieſe Con-
seils vom Conseil d’État bis zum Conseil municipal herab in drei
feſte Kategorien zuſammengefaßt. Jeder dieſer Conseils hat das Recht,
in einzelnen, möglichſt ſcharf beſtimmten Fällen zu entſcheiden — il
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/419>, abgerufen am 25.11.2024.
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