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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Lebendigkeit der wirklichen Gestaltungen anschließen wird. Dieß Schema
ist folgendes:

[Tabelle]

Auf dieser Grundlage nun werden wir sogleich zur Vergleichung
übergehen. Allein es wird dennoch die Fragen, die hier entstehen, er-
klären, wenn wir die historische allgemeine Entwicklung Europas vor-
aussenden, um daran den Charakter der einzelnen Länder anzuschließen.

Es ist bekannt, daß es, abgesehen von allgemeinen Phrasen, wissenschaftlich
gar keinen Begriff der Selbstverwaltung gegeben hat, weder in der Rechts-
philosophie, noch in der Geschichte, noch in der constitutionellen Staatslehre,
noch in dem positiven Staatsrecht, noch in der Politik, bis ihm Gneist seinen
Boden gewonnen hat. Es wird nun darauf ankommen, nachdem über England
nach diesem so hochbedeutenden Manne wenig mehr zu sagen bleibt, ob es
möglich sein wird, einen allgemeineren organischen Begriff, der zugleich der
Vergleichung dienen kann, durchzuführen. Ob wir ihn richtig hinstellen, mag
immerhin bezweifelt werden; ganz gewiß ist nur, daß ohne ihn künftig keine,
den Anforderungen unserer Zeit entsprechende Staatslehre möglich sein wird.

IV. Elemente der allgemeinen Geschichte der Selbstverwaltung. Wesen
und Bedeutung des historischen Rechts derselben.

Allerdings beruht die Selbstverwaltung wie die staatliche Verwal-
tung auf dem Wesen der Persönlichkeit und des Staatslebens. Allein
wie jene hat sie selbst doch nur wie schon erwähnt eine bestimmte orga-
nische Funktion im Staate zu erfüllen. Sie ist in diesem Sinne ein
ethisches Element in demselben. Ihr positives Recht, ihre Gestalt und
ihre Geschichte hängen daher von dieser Funktion ab; wir dürfen sie
daher wiederholen.

Die Idee der freien Verwaltung fordert eine Theilnahme des Staats-
bürgerthums an der Vollziehung des Staatswillens. Dem abstrakten
Principe gemäß soll der freie Staat diese Theilnahme gesetzlich auf der
Grundlage der obigen organischen Elemente ausbilden und herstellen,
so daß die Selbstverwaltung ein gesetzlicher, verfassungsmäßig bestehender
Organismus wäre. Allein die innere persönliche Einheit der Staats-
gewalt ist zu mächtig, um aus sich heraus dem Besonderen eine dauernde
Berechtigung auch in der Verwaltung zuzuerkennen, oder sie nicht faktisch

Lebendigkeit der wirklichen Geſtaltungen anſchließen wird. Dieß Schema
iſt folgendes:

[Tabelle]

Auf dieſer Grundlage nun werden wir ſogleich zur Vergleichung
übergehen. Allein es wird dennoch die Fragen, die hier entſtehen, er-
klären, wenn wir die hiſtoriſche allgemeine Entwicklung Europas vor-
ausſenden, um daran den Charakter der einzelnen Länder anzuſchließen.

Es iſt bekannt, daß es, abgeſehen von allgemeinen Phraſen, wiſſenſchaftlich
gar keinen Begriff der Selbſtverwaltung gegeben hat, weder in der Rechts-
philoſophie, noch in der Geſchichte, noch in der conſtitutionellen Staatslehre,
noch in dem poſitiven Staatsrecht, noch in der Politik, bis ihm Gneiſt ſeinen
Boden gewonnen hat. Es wird nun darauf ankommen, nachdem über England
nach dieſem ſo hochbedeutenden Manne wenig mehr zu ſagen bleibt, ob es
möglich ſein wird, einen allgemeineren organiſchen Begriff, der zugleich der
Vergleichung dienen kann, durchzuführen. Ob wir ihn richtig hinſtellen, mag
immerhin bezweifelt werden; ganz gewiß iſt nur, daß ohne ihn künftig keine,
den Anforderungen unſerer Zeit entſprechende Staatslehre möglich ſein wird.

IV. Elemente der allgemeinen Geſchichte der Selbſtverwaltung. Weſen
und Bedeutung des hiſtoriſchen Rechts derſelben.

Allerdings beruht die Selbſtverwaltung wie die ſtaatliche Verwal-
tung auf dem Weſen der Perſönlichkeit und des Staatslebens. Allein
wie jene hat ſie ſelbſt doch nur wie ſchon erwähnt eine beſtimmte orga-
niſche Funktion im Staate zu erfüllen. Sie iſt in dieſem Sinne ein
ethiſches Element in demſelben. Ihr poſitives Recht, ihre Geſtalt und
ihre Geſchichte hängen daher von dieſer Funktion ab; wir dürfen ſie
daher wiederholen.

Die Idee der freien Verwaltung fordert eine Theilnahme des Staats-
bürgerthums an der Vollziehung des Staatswillens. Dem abſtrakten
Principe gemäß ſoll der freie Staat dieſe Theilnahme geſetzlich auf der
Grundlage der obigen organiſchen Elemente ausbilden und herſtellen,
ſo daß die Selbſtverwaltung ein geſetzlicher, verfaſſungsmäßig beſtehender
Organismus wäre. Allein die innere perſönliche Einheit der Staats-
gewalt iſt zu mächtig, um aus ſich heraus dem Beſonderen eine dauernde
Berechtigung auch in der Verwaltung zuzuerkennen, oder ſie nicht faktiſch

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[379/0403] Lebendigkeit der wirklichen Geſtaltungen anſchließen wird. Dieß Schema iſt folgendes: Auf dieſer Grundlage nun werden wir ſogleich zur Vergleichung übergehen. Allein es wird dennoch die Fragen, die hier entſtehen, er- klären, wenn wir die hiſtoriſche allgemeine Entwicklung Europas vor- ausſenden, um daran den Charakter der einzelnen Länder anzuſchließen. Es iſt bekannt, daß es, abgeſehen von allgemeinen Phraſen, wiſſenſchaftlich gar keinen Begriff der Selbſtverwaltung gegeben hat, weder in der Rechts- philoſophie, noch in der Geſchichte, noch in der conſtitutionellen Staatslehre, noch in dem poſitiven Staatsrecht, noch in der Politik, bis ihm Gneiſt ſeinen Boden gewonnen hat. Es wird nun darauf ankommen, nachdem über England nach dieſem ſo hochbedeutenden Manne wenig mehr zu ſagen bleibt, ob es möglich ſein wird, einen allgemeineren organiſchen Begriff, der zugleich der Vergleichung dienen kann, durchzuführen. Ob wir ihn richtig hinſtellen, mag immerhin bezweifelt werden; ganz gewiß iſt nur, daß ohne ihn künftig keine, den Anforderungen unſerer Zeit entſprechende Staatslehre möglich ſein wird. IV. Elemente der allgemeinen Geſchichte der Selbſtverwaltung. Weſen und Bedeutung des hiſtoriſchen Rechts derſelben. Allerdings beruht die Selbſtverwaltung wie die ſtaatliche Verwal- tung auf dem Weſen der Perſönlichkeit und des Staatslebens. Allein wie jene hat ſie ſelbſt doch nur wie ſchon erwähnt eine beſtimmte orga- niſche Funktion im Staate zu erfüllen. Sie iſt in dieſem Sinne ein ethiſches Element in demſelben. Ihr poſitives Recht, ihre Geſtalt und ihre Geſchichte hängen daher von dieſer Funktion ab; wir dürfen ſie daher wiederholen. Die Idee der freien Verwaltung fordert eine Theilnahme des Staats- bürgerthums an der Vollziehung des Staatswillens. Dem abſtrakten Principe gemäß ſoll der freie Staat dieſe Theilnahme geſetzlich auf der Grundlage der obigen organiſchen Elemente ausbilden und herſtellen, ſo daß die Selbſtverwaltung ein geſetzlicher, verfaſſungsmäßig beſtehender Organismus wäre. Allein die innere perſönliche Einheit der Staats- gewalt iſt zu mächtig, um aus ſich heraus dem Beſonderen eine dauernde Berechtigung auch in der Verwaltung zuzuerkennen, oder ſie nicht faktiſch

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/403>, abgerufen am 25.11.2024.