That. Das ist so nothwendig, daß die Anerkennung der einzelnen Rechte der juristischen Persönlichkeit mit der Anerkennung als Selbst- verwaltungskörper bereits gegeben sind. Ob nun aber diese juristische Persönlichkeit neben ihrer wirthschaftlichen und administrativen Natur auch die staatlichen Rechte der individuellen Theilnahme an der Gesetz- gebung hat, ist wieder nach der Verfassung verschieden. Schon hier beginnt die Mannichfaltigkeit der Rechtsbildungen in diesem Gebiete.
Das zweite Princip ist, daß diese Selbstverwaltungskörper, indem sie einen Theil der Regierungsgewalt durch ihren eigenen Willen und That verwalten, auch damit einen Theil des Organismus der ganzen Regierung bilden; das ist, daß weder ihre Verordnungs-, noch ihre Organisations-, noch ihre Polizeigewalt selbstherrlich sind, sondern stets unter dem Rechte des Verbots und der Genehmigung, das ist unter der oberaufsehenden Gewalt stehen, die aber erst durch sie ihren Inhalt empfängt. Hier nun sind wieder die verschiedensten Formen und Bildungen möglich, theils in dem Punkte, wo diese Oberaufsicht beginnt, theils in dem Punkte, wo der Selbstverwaltungskörper den Charakter der selbstän- digen Verwaltung verliert und zu einem bloßen Organ der Regierungs- gewalt wird. Wir werden unten sehen, wie sich grade dadurch nament- lich das Gemeindewesen der großen Länder Europas unterscheidet -- so tief, daß das eine Land das andere nicht mehr versteht, und dennoch nur Unterschiede innerhalb desselben Princips. So viel aber leuchtet ein, daß es gar keine Thätigkeit dieser Körper geben kann, welche nicht dem verfassungsmäßigen Verwaltungsrechte, damit also nicht bloß dem höch- sten, wenn auch verantwortlichen Willen der Regierung, sondern auch dem Klag- und Beschwerderecht unterworfen wäre. In der That muß die Regierung, wenn auch nicht verantwortlich sein für das, was diese Körper thun, so doch für das, was sie nicht hätten thun oder lassen sollen, so weit es das öffentliche Interesse betrifft, und dafür steht ihr immer das Recht des Verbots zu; dem Einzelnen gegenüber ist es das Klagrecht, das die Gesetzmäßigkeit herstellt. Sie sind dem Staat gegenüber Unterthanen, dem Einzelnen gegenüber amt- liche Organe.
3) Das innere Recht dieser Körper nun ist insofern der Ausdruck des Wesens der Selbstverwaltung, als dasselbe die Gesammtheit der Ordnungen bestimmt, nach welchen die Einzelnen an diesem persönlichen Leben derselben Theil nehmen. Die Persönlichkeit dieser Körper erzeugt dabei zuerst den Satz, daß dieselben dem Staate analoge Bildungen entwickeln, und daher eine Verfassung mit Gesetzgebung, eine Verwal- tung mit Regierung und Amt, und endlich ein persönliches Oberhaupt haben. Diese Grundformen der allgemeinen Persönlichkeit, das Ich,
That. Das iſt ſo nothwendig, daß die Anerkennung der einzelnen Rechte der juriſtiſchen Perſönlichkeit mit der Anerkennung als Selbſt- verwaltungskörper bereits gegeben ſind. Ob nun aber dieſe juriſtiſche Perſönlichkeit neben ihrer wirthſchaftlichen und adminiſtrativen Natur auch die ſtaatlichen Rechte der individuellen Theilnahme an der Geſetz- gebung hat, iſt wieder nach der Verfaſſung verſchieden. Schon hier beginnt die Mannichfaltigkeit der Rechtsbildungen in dieſem Gebiete.
Das zweite Princip iſt, daß dieſe Selbſtverwaltungskörper, indem ſie einen Theil der Regierungsgewalt durch ihren eigenen Willen und That verwalten, auch damit einen Theil des Organismus der ganzen Regierung bilden; das iſt, daß weder ihre Verordnungs-, noch ihre Organiſations-, noch ihre Polizeigewalt ſelbſtherrlich ſind, ſondern ſtets unter dem Rechte des Verbots und der Genehmigung, das iſt unter der oberaufſehenden Gewalt ſtehen, die aber erſt durch ſie ihren Inhalt empfängt. Hier nun ſind wieder die verſchiedenſten Formen und Bildungen möglich, theils in dem Punkte, wo dieſe Oberaufſicht beginnt, theils in dem Punkte, wo der Selbſtverwaltungskörper den Charakter der ſelbſtän- digen Verwaltung verliert und zu einem bloßen Organ der Regierungs- gewalt wird. Wir werden unten ſehen, wie ſich grade dadurch nament- lich das Gemeindeweſen der großen Länder Europas unterſcheidet — ſo tief, daß das eine Land das andere nicht mehr verſteht, und dennoch nur Unterſchiede innerhalb deſſelben Princips. So viel aber leuchtet ein, daß es gar keine Thätigkeit dieſer Körper geben kann, welche nicht dem verfaſſungsmäßigen Verwaltungsrechte, damit alſo nicht bloß dem höch- ſten, wenn auch verantwortlichen Willen der Regierung, ſondern auch dem Klag- und Beſchwerderecht unterworfen wäre. In der That muß die Regierung, wenn auch nicht verantwortlich ſein für das, was dieſe Körper thun, ſo doch für das, was ſie nicht hätten thun oder laſſen ſollen, ſo weit es das öffentliche Intereſſe betrifft, und dafür ſteht ihr immer das Recht des Verbots zu; dem Einzelnen gegenüber iſt es das Klagrecht, das die Geſetzmäßigkeit herſtellt. Sie ſind dem Staat gegenüber Unterthanen, dem Einzelnen gegenüber amt- liche Organe.
3) Das innere Recht dieſer Körper nun iſt inſofern der Ausdruck des Weſens der Selbſtverwaltung, als daſſelbe die Geſammtheit der Ordnungen beſtimmt, nach welchen die Einzelnen an dieſem perſönlichen Leben derſelben Theil nehmen. Die Perſönlichkeit dieſer Körper erzeugt dabei zuerſt den Satz, daß dieſelben dem Staate analoge Bildungen entwickeln, und daher eine Verfaſſung mit Geſetzgebung, eine Verwal- tung mit Regierung und Amt, und endlich ein perſönliches Oberhaupt haben. Dieſe Grundformen der allgemeinen Perſönlichkeit, das Ich,
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That. Das iſt ſo nothwendig, daß die Anerkennung der einzelnen
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verwaltungskörper bereits gegeben ſind. Ob nun aber dieſe juriſtiſche
Perſönlichkeit neben ihrer wirthſchaftlichen und adminiſtrativen Natur
auch die ſtaatlichen Rechte der individuellen Theilnahme an der Geſetz-
gebung hat, iſt wieder nach der Verfaſſung verſchieden. Schon hier
beginnt die Mannichfaltigkeit der Rechtsbildungen in dieſem Gebiete.
Das zweite Princip iſt, daß dieſe Selbſtverwaltungskörper, indem
ſie einen Theil der Regierungsgewalt durch ihren eigenen Willen und That
verwalten, auch damit einen Theil des Organismus der ganzen Regierung
bilden; das iſt, daß weder ihre Verordnungs-, noch ihre Organiſations-,
noch ihre Polizeigewalt ſelbſtherrlich ſind, ſondern ſtets unter dem Rechte
des Verbots und der Genehmigung, das iſt unter der oberaufſehenden
Gewalt ſtehen, die aber erſt durch ſie ihren Inhalt empfängt. Hier
nun ſind wieder die verſchiedenſten Formen und Bildungen möglich,
theils in dem Punkte, wo dieſe Oberaufſicht beginnt, theils in dem
Punkte, wo der Selbſtverwaltungskörper den Charakter der ſelbſtän-
digen Verwaltung verliert und zu einem bloßen Organ der Regierungs-
gewalt wird. Wir werden unten ſehen, wie ſich grade dadurch nament-
lich das Gemeindeweſen der großen Länder Europas unterſcheidet —
ſo tief, daß das eine Land das andere nicht mehr verſteht, und dennoch
nur Unterſchiede innerhalb deſſelben Princips. So viel aber leuchtet ein,
daß es gar keine Thätigkeit dieſer Körper geben kann, welche nicht dem
verfaſſungsmäßigen Verwaltungsrechte, damit alſo nicht bloß dem höch-
ſten, wenn auch verantwortlichen Willen der Regierung, ſondern auch dem
Klag- und Beſchwerderecht unterworfen wäre. In der That muß die
Regierung, wenn auch nicht verantwortlich ſein für das, was dieſe
Körper thun, ſo doch für das, was ſie nicht hätten thun oder laſſen
ſollen, ſo weit es das öffentliche Intereſſe betrifft, und dafür ſteht ihr
immer das Recht des Verbots zu; dem Einzelnen gegenüber iſt es
das Klagrecht, das die Geſetzmäßigkeit herſtellt. Sie ſind dem Staat
gegenüber Unterthanen, dem Einzelnen gegenüber amt-
liche Organe.
3) Das innere Recht dieſer Körper nun iſt inſofern der Ausdruck
des Weſens der Selbſtverwaltung, als daſſelbe die Geſammtheit der
Ordnungen beſtimmt, nach welchen die Einzelnen an dieſem perſönlichen
Leben derſelben Theil nehmen. Die Perſönlichkeit dieſer Körper erzeugt
dabei zuerſt den Satz, daß dieſelben dem Staate analoge Bildungen
entwickeln, und daher eine Verfaſſung mit Geſetzgebung, eine Verwal-
tung mit Regierung und Amt, und endlich ein perſönliches Oberhaupt
haben. Dieſe Grundformen der allgemeinen Perſönlichkeit, das Ich,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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