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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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nichts anderes, als die Anerkennung des organischen Satzes, daß
auch im Staatsleben Ort, Land und Reich das öffentliche Recht bilden.
Man muß daher als Princip der Competenz jeder wahren Mittelbehörde
sowohl für die Oberaufsicht als für die Entscheidung die Ausdehnung
über ein Land setzen; jede weitere Mittelbehörde erscheint als überflüssig,
weil sie keinem wirklich besondern Verhältniß des Lebens entspricht.
Wie daneben im Einzelnen nun Name und Zuständigkeit der einzelnen
Mittelbehörde bestimmt werden soll, muß als Sache der Organisations-
gewalt erscheinen.

Diese aber wird nun, indem gerade die Mittelbehörde auf diesen
gegebenen Verhältnissen beruht, sich an die großen Thatsachen des wirk-
lichen Lebens anschließen. Und hier erscheint nun der zweite organische
Faktor, das natürliche Element, das in dem Organismus des Behörden-
systems mit seiner Macht hineingreift.

Wir können im Allgemeinen sagen, daß die deutsche Literatur die Frage
nach der eigentlich organischen Bedeutung, und damit nach dem richtigen
Organismus der Mittelbehörden und dem sich an dieselben anschließenden
Instanzenzug seit den 30ger Jahren fallen gelassen hat. Es beruht das zum
Theil auf einer gewissen Hoffnungslosigkeit, in der Frage nach dem Beschwerde-
recht und der Administrativjustiz weiter zu kommen, welche natürlich wesentlich
von den Mittelbehörden abhängt, theils wohl auch darauf, daß der Organismus
derselben ziemlich allgemein feststeht, und man formell an ihm nichts mehr zu
ändern hat. Dennoch ist und bleibt dieselbe eine dauernd wichtige, und wird
sofort ein neues Leben bekommen, wenn man erst über Selbstverwaltung und
Klagerecht einigermaßen einig sein wird. Es möge daher hier gestattet sein,
dieselbe etwas genauer zu betrachten.

Man muß die Mittelbehörden überhaupt von zwei Standpunkten auf-
fassen. Den ersten können wir den administrativen und damit formellen nennen;
der zweite schließt sich an Wesen und Thätigkeit der Selbstverwaltung. Der
erste gehört Frankreich, der zweite ist Deutschland eigenthümlich. England hat
keine Mittelbehörde im continentalen Sinne. Das was die Stelle derselben
dort vertritt, sind die Petty und die Quarterly Sessions der Friedensrichter,
jene etwa mit der Kreis-, diese mit der Provinz- oder Departemental-Organi-
sation äußerlich vergleichbar. Nur sind beide keine Behörden, mit dem amtlichen
Rechte eines Verwaltungsorganes ausgerüstet, sondern sie sind Gerichtsinstanzen,
bei denen freilich auch jene Administration und Justiz innig verschmolzen sind.
Die Thätigkeit der inneren Verwaltung und selbst die der Finanzverwaltung
beruht auf der Selbstverwaltung und ihren Körpern, und die Friedensrichter
haben die letzteren nur gerichtlich zu verurtheilen, wenn sie ein Verwaltungs-
gesetz nicht ausführen. Die Mittelbehörden stammen formell aus Frankreich
und sind bekannt genug. Was sie sind und sollen, kann allerdings nur
durch die Auffassung der ganzen französischen Administration richtig verstanden
werden.


nichts anderes, als die Anerkennung des organiſchen Satzes, daß
auch im Staatsleben Ort, Land und Reich das öffentliche Recht bilden.
Man muß daher als Princip der Competenz jeder wahren Mittelbehörde
ſowohl für die Oberaufſicht als für die Entſcheidung die Ausdehnung
über ein Land ſetzen; jede weitere Mittelbehörde erſcheint als überflüſſig,
weil ſie keinem wirklich beſondern Verhältniß des Lebens entſpricht.
Wie daneben im Einzelnen nun Name und Zuſtändigkeit der einzelnen
Mittelbehörde beſtimmt werden ſoll, muß als Sache der Organiſations-
gewalt erſcheinen.

Dieſe aber wird nun, indem gerade die Mittelbehörde auf dieſen
gegebenen Verhältniſſen beruht, ſich an die großen Thatſachen des wirk-
lichen Lebens anſchließen. Und hier erſcheint nun der zweite organiſche
Faktor, das natürliche Element, das in dem Organismus des Behörden-
ſyſtems mit ſeiner Macht hineingreift.

Wir können im Allgemeinen ſagen, daß die deutſche Literatur die Frage
nach der eigentlich organiſchen Bedeutung, und damit nach dem richtigen
Organismus der Mittelbehörden und dem ſich an dieſelben anſchließenden
Inſtanzenzug ſeit den 30ger Jahren fallen gelaſſen hat. Es beruht das zum
Theil auf einer gewiſſen Hoffnungsloſigkeit, in der Frage nach dem Beſchwerde-
recht und der Adminiſtrativjuſtiz weiter zu kommen, welche natürlich weſentlich
von den Mittelbehörden abhängt, theils wohl auch darauf, daß der Organismus
derſelben ziemlich allgemein feſtſteht, und man formell an ihm nichts mehr zu
ändern hat. Dennoch iſt und bleibt dieſelbe eine dauernd wichtige, und wird
ſofort ein neues Leben bekommen, wenn man erſt über Selbſtverwaltung und
Klagerecht einigermaßen einig ſein wird. Es möge daher hier geſtattet ſein,
dieſelbe etwas genauer zu betrachten.

Man muß die Mittelbehörden überhaupt von zwei Standpunkten auf-
faſſen. Den erſten können wir den adminiſtrativen und damit formellen nennen;
der zweite ſchließt ſich an Weſen und Thätigkeit der Selbſtverwaltung. Der
erſte gehört Frankreich, der zweite iſt Deutſchland eigenthümlich. England hat
keine Mittelbehörde im continentalen Sinne. Das was die Stelle derſelben
dort vertritt, ſind die Petty und die Quarterly Sessions der Friedensrichter,
jene etwa mit der Kreis-, dieſe mit der Provinz- oder Departemental-Organi-
ſation äußerlich vergleichbar. Nur ſind beide keine Behörden, mit dem amtlichen
Rechte eines Verwaltungsorganes ausgerüſtet, ſondern ſie ſind Gerichtsinſtanzen,
bei denen freilich auch jene Adminiſtration und Juſtiz innig verſchmolzen ſind.
Die Thätigkeit der inneren Verwaltung und ſelbſt die der Finanzverwaltung
beruht auf der Selbſtverwaltung und ihren Körpern, und die Friedensrichter
haben die letzteren nur gerichtlich zu verurtheilen, wenn ſie ein Verwaltungs-
geſetz nicht ausführen. Die Mittelbehörden ſtammen formell aus Frankreich
und ſind bekannt genug. Was ſie ſind und ſollen, kann allerdings nur
durch die Auffaſſung der ganzen franzöſiſchen Adminiſtration richtig verſtanden
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[333/0357] nichts anderes, als die Anerkennung des organiſchen Satzes, daß auch im Staatsleben Ort, Land und Reich das öffentliche Recht bilden. Man muß daher als Princip der Competenz jeder wahren Mittelbehörde ſowohl für die Oberaufſicht als für die Entſcheidung die Ausdehnung über ein Land ſetzen; jede weitere Mittelbehörde erſcheint als überflüſſig, weil ſie keinem wirklich beſondern Verhältniß des Lebens entſpricht. Wie daneben im Einzelnen nun Name und Zuſtändigkeit der einzelnen Mittelbehörde beſtimmt werden ſoll, muß als Sache der Organiſations- gewalt erſcheinen. Dieſe aber wird nun, indem gerade die Mittelbehörde auf dieſen gegebenen Verhältniſſen beruht, ſich an die großen Thatſachen des wirk- lichen Lebens anſchließen. Und hier erſcheint nun der zweite organiſche Faktor, das natürliche Element, das in dem Organismus des Behörden- ſyſtems mit ſeiner Macht hineingreift. Wir können im Allgemeinen ſagen, daß die deutſche Literatur die Frage nach der eigentlich organiſchen Bedeutung, und damit nach dem richtigen Organismus der Mittelbehörden und dem ſich an dieſelben anſchließenden Inſtanzenzug ſeit den 30ger Jahren fallen gelaſſen hat. Es beruht das zum Theil auf einer gewiſſen Hoffnungsloſigkeit, in der Frage nach dem Beſchwerde- recht und der Adminiſtrativjuſtiz weiter zu kommen, welche natürlich weſentlich von den Mittelbehörden abhängt, theils wohl auch darauf, daß der Organismus derſelben ziemlich allgemein feſtſteht, und man formell an ihm nichts mehr zu ändern hat. Dennoch iſt und bleibt dieſelbe eine dauernd wichtige, und wird ſofort ein neues Leben bekommen, wenn man erſt über Selbſtverwaltung und Klagerecht einigermaßen einig ſein wird. Es möge daher hier geſtattet ſein, dieſelbe etwas genauer zu betrachten. Man muß die Mittelbehörden überhaupt von zwei Standpunkten auf- faſſen. Den erſten können wir den adminiſtrativen und damit formellen nennen; der zweite ſchließt ſich an Weſen und Thätigkeit der Selbſtverwaltung. Der erſte gehört Frankreich, der zweite iſt Deutſchland eigenthümlich. England hat keine Mittelbehörde im continentalen Sinne. Das was die Stelle derſelben dort vertritt, ſind die Petty und die Quarterly Sessions der Friedensrichter, jene etwa mit der Kreis-, dieſe mit der Provinz- oder Departemental-Organi- ſation äußerlich vergleichbar. Nur ſind beide keine Behörden, mit dem amtlichen Rechte eines Verwaltungsorganes ausgerüſtet, ſondern ſie ſind Gerichtsinſtanzen, bei denen freilich auch jene Adminiſtration und Juſtiz innig verſchmolzen ſind. Die Thätigkeit der inneren Verwaltung und ſelbſt die der Finanzverwaltung beruht auf der Selbſtverwaltung und ihren Körpern, und die Friedensrichter haben die letzteren nur gerichtlich zu verurtheilen, wenn ſie ein Verwaltungs- geſetz nicht ausführen. Die Mittelbehörden ſtammen formell aus Frankreich und ſind bekannt genug. Was ſie ſind und ſollen, kann allerdings nur durch die Auffaſſung der ganzen franzöſiſchen Adminiſtration richtig verſtanden werden.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/357>, abgerufen am 22.11.2024.