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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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gehören soll. Dahin gehören namentlich das Vormundschaftswesen, das
Grundbuchswesen und das Handels- und Wechselrecht. Es möge hier
nur bemerkt werden, daß hier im Grunde kein neues Verhältniß in der
Sache selbst auftritt, sondern daß das Ueberwiegen der Bestimmungen
des bürgerlichen Verwaltungsrechts zwar eine selbständige Verwaltung
desselben motivirt, aber keinesweges die Geltung des reinen bürgerlichen
Rechtes hier ausschließt. Daher die Erscheinung, daß diese Gebiete
immer eine doppelte Darstellung erfahren, was zur Unklarheit über die
Sache selbst nicht wenig beiträgt; einmal erscheinen sie in der Lehre
von den Pandekten und dem bürgerlichen Recht, zum zweitenmale als
sogenannte Lehre von der nicht streitigen Gerichtsbarkeit. Es ist nun
einleuchtend, daß dieß nicht eigentlich falsch, sondern unklar gedacht ist. Wir
müssen jedoch für unsre Arbeit hier auf den folgenden Theil verweisen.
Denn dieses ganze Gebiet gehört nicht mehr dem allgemeinen Begriffe der
Verwaltung und ihrem Recht, sondern vielmehr dem innern Verwaltungs-
recht an, von welchem demgemäß nur bei der letztern die Rede sein kann.

Dagegen haben wir schon hier den Begriff und das Wesen des
bürgerlichen Verwaltungsrechts als Theil des allgemeinen Verwaltungs-
rechts neben Verordnungs-, Competenz- und Polizeirecht darum hinstellen
müssen, weil eine Reihe der wichtigsten Bestimmungen desselben nicht
aus der innern Verwaltung, sondern aus der Finanzverwaltung einer-
seits, und aus der Justizverwaltung andererseits fließen. Was die
ersten betrifft, so gehören dahin namentlich diejenigen Bestimmungen
über das Eigenthum, welche sich auf den Fiscus beziehen, und theils
das dominium, theils die jura fisci, namentlich im Gebiete der Regalien
und der Monopole betreffen. Schon auf diesem Gebiete hat die strengere
deutsche Wissenschaft diesen Theil des bürgerlichen Rechts aus dem
letztern aus der Verschmelzung ausgeschieden, in welcher derselbe noch
in den Pandekten und der spätern Legalmethode vorkommt, um sie der
Finanzwissenschaft zu überweisen, und zwar als das bürgerliche Ver-
waltungsrecht der Finanzen. Noch klarer ist die Summe von Modi-
fikationen des reinen bürgerlichen Rechts durch die Bedürfnisse der
Rechtspflege. Der ganze bürgerliche Proceß, der ja nichts anderes ist
als eine geordnete Verwaltungsmaßregel für die Verwaltung der Rechts-
pflege, ist durchdrungen von lauter Bestimmungen, nach denen das reine
an sich unzweifelhafte bürgerliche Recht des Einzelnen im Namen des
Gesammtinteresses aufgehoben und für verfallen erklärt wird, wenn er
nicht in der Form der Vertretung eines gewissen Rechts sich den Vor-
schriften der Verwaltung des Rechts fügt, und zweitens von Bestimmun-
gen, welche im Namen desselben öffentlichen Interesses eine Verschiedenheit
in diesen Formen einführen, die nur durch die Verschiedenheit des

gehören ſoll. Dahin gehören namentlich das Vormundſchaftsweſen, das
Grundbuchsweſen und das Handels- und Wechſelrecht. Es möge hier
nur bemerkt werden, daß hier im Grunde kein neues Verhältniß in der
Sache ſelbſt auftritt, ſondern daß das Ueberwiegen der Beſtimmungen
des bürgerlichen Verwaltungsrechts zwar eine ſelbſtändige Verwaltung
deſſelben motivirt, aber keinesweges die Geltung des reinen bürgerlichen
Rechtes hier ausſchließt. Daher die Erſcheinung, daß dieſe Gebiete
immer eine doppelte Darſtellung erfahren, was zur Unklarheit über die
Sache ſelbſt nicht wenig beiträgt; einmal erſcheinen ſie in der Lehre
von den Pandekten und dem bürgerlichen Recht, zum zweitenmale als
ſogenannte Lehre von der nicht ſtreitigen Gerichtsbarkeit. Es iſt nun
einleuchtend, daß dieß nicht eigentlich falſch, ſondern unklar gedacht iſt. Wir
müſſen jedoch für unſre Arbeit hier auf den folgenden Theil verweiſen.
Denn dieſes ganze Gebiet gehört nicht mehr dem allgemeinen Begriffe der
Verwaltung und ihrem Recht, ſondern vielmehr dem innern Verwaltungs-
recht an, von welchem demgemäß nur bei der letztern die Rede ſein kann.

Dagegen haben wir ſchon hier den Begriff und das Weſen des
bürgerlichen Verwaltungsrechts als Theil des allgemeinen Verwaltungs-
rechts neben Verordnungs-, Competenz- und Polizeirecht darum hinſtellen
müſſen, weil eine Reihe der wichtigſten Beſtimmungen deſſelben nicht
aus der innern Verwaltung, ſondern aus der Finanzverwaltung einer-
ſeits, und aus der Juſtizverwaltung andererſeits fließen. Was die
erſten betrifft, ſo gehören dahin namentlich diejenigen Beſtimmungen
über das Eigenthum, welche ſich auf den Fiscus beziehen, und theils
das dominium, theils die jura fisci, namentlich im Gebiete der Regalien
und der Monopole betreffen. Schon auf dieſem Gebiete hat die ſtrengere
deutſche Wiſſenſchaft dieſen Theil des bürgerlichen Rechts aus dem
letztern aus der Verſchmelzung ausgeſchieden, in welcher derſelbe noch
in den Pandekten und der ſpätern Legalmethode vorkommt, um ſie der
Finanzwiſſenſchaft zu überweiſen, und zwar als das bürgerliche Ver-
waltungsrecht der Finanzen. Noch klarer iſt die Summe von Modi-
fikationen des reinen bürgerlichen Rechts durch die Bedürfniſſe der
Rechtspflege. Der ganze bürgerliche Proceß, der ja nichts anderes iſt
als eine geordnete Verwaltungsmaßregel für die Verwaltung der Rechts-
pflege, iſt durchdrungen von lauter Beſtimmungen, nach denen das reine
an ſich unzweifelhafte bürgerliche Recht des Einzelnen im Namen des
Geſammtintereſſes aufgehoben und für verfallen erklärt wird, wenn er
nicht in der Form der Vertretung eines gewiſſen Rechts ſich den Vor-
ſchriften der Verwaltung des Rechts fügt, und zweitens von Beſtimmun-
gen, welche im Namen deſſelben öffentlichen Intereſſes eine Verſchiedenheit
in dieſen Formen einführen, die nur durch die Verſchiedenheit des

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[217/0241] gehören ſoll. Dahin gehören namentlich das Vormundſchaftsweſen, das Grundbuchsweſen und das Handels- und Wechſelrecht. Es möge hier nur bemerkt werden, daß hier im Grunde kein neues Verhältniß in der Sache ſelbſt auftritt, ſondern daß das Ueberwiegen der Beſtimmungen des bürgerlichen Verwaltungsrechts zwar eine ſelbſtändige Verwaltung deſſelben motivirt, aber keinesweges die Geltung des reinen bürgerlichen Rechtes hier ausſchließt. Daher die Erſcheinung, daß dieſe Gebiete immer eine doppelte Darſtellung erfahren, was zur Unklarheit über die Sache ſelbſt nicht wenig beiträgt; einmal erſcheinen ſie in der Lehre von den Pandekten und dem bürgerlichen Recht, zum zweitenmale als ſogenannte Lehre von der nicht ſtreitigen Gerichtsbarkeit. Es iſt nun einleuchtend, daß dieß nicht eigentlich falſch, ſondern unklar gedacht iſt. Wir müſſen jedoch für unſre Arbeit hier auf den folgenden Theil verweiſen. Denn dieſes ganze Gebiet gehört nicht mehr dem allgemeinen Begriffe der Verwaltung und ihrem Recht, ſondern vielmehr dem innern Verwaltungs- recht an, von welchem demgemäß nur bei der letztern die Rede ſein kann. Dagegen haben wir ſchon hier den Begriff und das Weſen des bürgerlichen Verwaltungsrechts als Theil des allgemeinen Verwaltungs- rechts neben Verordnungs-, Competenz- und Polizeirecht darum hinſtellen müſſen, weil eine Reihe der wichtigſten Beſtimmungen deſſelben nicht aus der innern Verwaltung, ſondern aus der Finanzverwaltung einer- ſeits, und aus der Juſtizverwaltung andererſeits fließen. Was die erſten betrifft, ſo gehören dahin namentlich diejenigen Beſtimmungen über das Eigenthum, welche ſich auf den Fiscus beziehen, und theils das dominium, theils die jura fisci, namentlich im Gebiete der Regalien und der Monopole betreffen. Schon auf dieſem Gebiete hat die ſtrengere deutſche Wiſſenſchaft dieſen Theil des bürgerlichen Rechts aus dem letztern aus der Verſchmelzung ausgeſchieden, in welcher derſelbe noch in den Pandekten und der ſpätern Legalmethode vorkommt, um ſie der Finanzwiſſenſchaft zu überweiſen, und zwar als das bürgerliche Ver- waltungsrecht der Finanzen. Noch klarer iſt die Summe von Modi- fikationen des reinen bürgerlichen Rechts durch die Bedürfniſſe der Rechtspflege. Der ganze bürgerliche Proceß, der ja nichts anderes iſt als eine geordnete Verwaltungsmaßregel für die Verwaltung der Rechts- pflege, iſt durchdrungen von lauter Beſtimmungen, nach denen das reine an ſich unzweifelhafte bürgerliche Recht des Einzelnen im Namen des Geſammtintereſſes aufgehoben und für verfallen erklärt wird, wenn er nicht in der Form der Vertretung eines gewiſſen Rechts ſich den Vor- ſchriften der Verwaltung des Rechts fügt, und zweitens von Beſtimmun- gen, welche im Namen deſſelben öffentlichen Intereſſes eine Verſchiedenheit in dieſen Formen einführen, die nur durch die Verſchiedenheit des

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/241>, abgerufen am 26.04.2024.