Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

schaffen zu können. Diese nun kann nur in den Formen bestehen, in
welchen die Personen, die den Zwang ausüben, entweder einen all-
gemeinen Auftrag
nachweisen, und zwar durch ein Symbol ihrer
Gewalt, oder einen speziellen durch ein Dokument. Die Natur
der Sache hat beide Punkte mehr als die Gesetzgebung bestimmt.

Diesem Principe entsprechen zwei Verpflichtungen. Die erste besteht
darin, daß die Organe der Polizei das Symbol ihrer polizeilichen Ge-
walt auch wirklich bei sich führen und vorzeigen müssen, wobei es zweck-
mäßig ist, die Bestimmung dieses Symbols gesetzlich vorzuschreiben.
Es ist nicht möglich, dem Einzelnen eine Verpflichtung zum Gehorsam
gegen ein Individuum aufzuerlegen, das ohne dieß Symbol einen Zwang
ausüben will; man muß im Gegentheil das Recht des materiellen Wider-
standes so lange einräumen, als dasselbe nicht vorgezeigt wird. Dagegen
würde das Recht der Verificirung des Symbols von Seiten des Einzelnen
jeden Zwang illusorisch machen. Der Staat hat kein Mittel, den Be-
trug auf diesem Punkte gänzlich zu beseitigen; der Einzelne muß die
Gefahr des möglichen Falsums tragen, da sie geringer ist als die Gefahr
der Auflösung der vollziehenden Thätigkeit durch das Recht des Einzelnen,
einen Beweis für die Richtigkeit des Symbols zu fordern, ehe er gehorcht.

Die zweite Verpflichtung der vollziehenden Gewalt besteht darin,
da wo es sich um die Vollziehung eines, bis dahin in irgend einer
amtlichen Verhandlung begriffenen
Ausspruches eines öffent-
lichen Organs handelt, diese Vollziehung durch ein amtliches Doku-
ment
zu befehlen, und in diesem amtlichen Dokumente die Gründe,
die Art und das Maß des vollziehenden Zwanges aufzuzeichnen. Diese
Verpflichtung ist im Gebiete der Verwaltung der Finanzen und der
Rechtspflege wohl in allen Staaten ausdrücklich anerkannt. Sie kann
nur zweifelhaft werden im Gebiete der innern Verwaltung, da hier
nicht immer eine förmliche Verhandlung vorausgehen kann, z. B. wenn
der Einzelne in Gefahrsfällen eine Leistung zu machen oder etwas zu
bieten hat, oder in den Fällen der Sicherheitspolizei, wo es sich um
Verhaftungen handelt. Man muß daher bei dem Satze stehen bleiben,
daß ein Vollziehungsdokument von der betreffenden Behörde nur da
nothwendig ist, wo sich der Zwang auf eine bereits vorhandene und
dem Einzelnen bekannte Verhandlung bezieht, während in allen andern
Fällen der Beweis durch das amtliche Polizeisymbol ausreicht.

In diesen Fällen nun, wo ein solches Dokument den Zwang nicht
bestimmt und bestimmen kann, muß mithin ein anderes Princip ein-
treten, welches das Recht des Einzelnen gegen die Willkür des Organs
schützt. Dieß nun ist in folgender Weise zu denken und auch in den
meisten Gesetzgebungen in den einzelnen Punkten bereits aufgestellt.


ſchaffen zu können. Dieſe nun kann nur in den Formen beſtehen, in
welchen die Perſonen, die den Zwang ausüben, entweder einen all-
gemeinen Auftrag
nachweiſen, und zwar durch ein Symbol ihrer
Gewalt, oder einen ſpeziellen durch ein Dokument. Die Natur
der Sache hat beide Punkte mehr als die Geſetzgebung beſtimmt.

Dieſem Principe entſprechen zwei Verpflichtungen. Die erſte beſteht
darin, daß die Organe der Polizei das Symbol ihrer polizeilichen Ge-
walt auch wirklich bei ſich führen und vorzeigen müſſen, wobei es zweck-
mäßig iſt, die Beſtimmung dieſes Symbols geſetzlich vorzuſchreiben.
Es iſt nicht möglich, dem Einzelnen eine Verpflichtung zum Gehorſam
gegen ein Individuum aufzuerlegen, das ohne dieß Symbol einen Zwang
ausüben will; man muß im Gegentheil das Recht des materiellen Wider-
ſtandes ſo lange einräumen, als daſſelbe nicht vorgezeigt wird. Dagegen
würde das Recht der Verificirung des Symbols von Seiten des Einzelnen
jeden Zwang illuſoriſch machen. Der Staat hat kein Mittel, den Be-
trug auf dieſem Punkte gänzlich zu beſeitigen; der Einzelne muß die
Gefahr des möglichen Falſums tragen, da ſie geringer iſt als die Gefahr
der Auflöſung der vollziehenden Thätigkeit durch das Recht des Einzelnen,
einen Beweis für die Richtigkeit des Symbols zu fordern, ehe er gehorcht.

Die zweite Verpflichtung der vollziehenden Gewalt beſteht darin,
da wo es ſich um die Vollziehung eines, bis dahin in irgend einer
amtlichen Verhandlung begriffenen
Ausſpruches eines öffent-
lichen Organs handelt, dieſe Vollziehung durch ein amtliches Doku-
ment
zu befehlen, und in dieſem amtlichen Dokumente die Gründe,
die Art und das Maß des vollziehenden Zwanges aufzuzeichnen. Dieſe
Verpflichtung iſt im Gebiete der Verwaltung der Finanzen und der
Rechtspflege wohl in allen Staaten ausdrücklich anerkannt. Sie kann
nur zweifelhaft werden im Gebiete der innern Verwaltung, da hier
nicht immer eine förmliche Verhandlung vorausgehen kann, z. B. wenn
der Einzelne in Gefahrsfällen eine Leiſtung zu machen oder etwas zu
bieten hat, oder in den Fällen der Sicherheitspolizei, wo es ſich um
Verhaftungen handelt. Man muß daher bei dem Satze ſtehen bleiben,
daß ein Vollziehungsdokument von der betreffenden Behörde nur da
nothwendig iſt, wo ſich der Zwang auf eine bereits vorhandene und
dem Einzelnen bekannte Verhandlung bezieht, während in allen andern
Fällen der Beweis durch das amtliche Polizeiſymbol ausreicht.

In dieſen Fällen nun, wo ein ſolches Dokument den Zwang nicht
beſtimmt und beſtimmen kann, muß mithin ein anderes Princip ein-
treten, welches das Recht des Einzelnen gegen die Willkür des Organs
ſchützt. Dieß nun iſt in folgender Weiſe zu denken und auch in den
meiſten Geſetzgebungen in den einzelnen Punkten bereits aufgeſtellt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0226" n="202"/>
&#x017F;chaffen zu können. Die&#x017F;e nun kann nur in den Formen be&#x017F;tehen, in<lb/>
welchen die Per&#x017F;onen, die den Zwang ausüben, entweder einen <hi rendition="#g">all-<lb/>
gemeinen Auftrag</hi> nachwei&#x017F;en, und zwar durch ein Symbol ihrer<lb/>
Gewalt, oder einen <hi rendition="#g">&#x017F;peziellen</hi> durch ein <hi rendition="#g">Dokument</hi>. Die Natur<lb/>
der Sache hat beide Punkte mehr als die Ge&#x017F;etzgebung be&#x017F;timmt.</p><lb/>
                <p>Die&#x017F;em Principe ent&#x017F;prechen zwei Verpflichtungen. Die er&#x017F;te be&#x017F;teht<lb/>
darin, daß die Organe der Polizei das Symbol ihrer polizeilichen Ge-<lb/>
walt auch wirklich bei &#x017F;ich führen und vorzeigen mü&#x017F;&#x017F;en, wobei es zweck-<lb/>
mäßig i&#x017F;t, die Be&#x017F;timmung die&#x017F;es Symbols <hi rendition="#g">ge&#x017F;etzlich</hi> vorzu&#x017F;chreiben.<lb/>
Es i&#x017F;t nicht möglich, dem Einzelnen eine Verpflichtung zum Gehor&#x017F;am<lb/>
gegen ein Individuum aufzuerlegen, das ohne dieß Symbol einen Zwang<lb/>
ausüben will; man muß im Gegentheil das Recht des materiellen Wider-<lb/>
&#x017F;tandes &#x017F;o lange einräumen, als da&#x017F;&#x017F;elbe nicht vorgezeigt wird. Dagegen<lb/>
würde das Recht der Verificirung des Symbols von Seiten des Einzelnen<lb/>
jeden Zwang illu&#x017F;ori&#x017F;ch machen. Der Staat hat <hi rendition="#g">kein</hi> Mittel, den Be-<lb/>
trug auf die&#x017F;em Punkte gänzlich zu be&#x017F;eitigen; der Einzelne muß die<lb/>
Gefahr des möglichen Fal&#x017F;ums tragen, da &#x017F;ie geringer i&#x017F;t als die Gefahr<lb/>
der Auflö&#x017F;ung der vollziehenden Thätigkeit durch das Recht des Einzelnen,<lb/>
einen Beweis für die Richtigkeit des Symbols zu fordern, ehe er gehorcht.</p><lb/>
                <p>Die zweite Verpflichtung der vollziehenden Gewalt be&#x017F;teht darin,<lb/>
da wo es &#x017F;ich um die Vollziehung eines, bis <hi rendition="#g">dahin in irgend einer<lb/>
amtlichen Verhandlung begriffenen</hi> Aus&#x017F;pruches eines öffent-<lb/>
lichen Organs handelt, die&#x017F;e Vollziehung durch ein <hi rendition="#g">amtliches Doku-<lb/>
ment</hi> zu befehlen, und in die&#x017F;em amtlichen Dokumente die Gründe,<lb/>
die Art und das Maß des vollziehenden Zwanges aufzuzeichnen. Die&#x017F;e<lb/>
Verpflichtung i&#x017F;t im Gebiete der Verwaltung der Finanzen und der<lb/>
Rechtspflege wohl in allen Staaten ausdrücklich anerkannt. Sie kann<lb/>
nur zweifelhaft werden im Gebiete der innern Verwaltung, da hier<lb/>
nicht immer eine förmliche Verhandlung vorausgehen kann, z. B. wenn<lb/>
der Einzelne in Gefahrsfällen eine Lei&#x017F;tung zu machen oder etwas zu<lb/>
bieten hat, oder in den Fällen der Sicherheitspolizei, wo es &#x017F;ich um<lb/>
Verhaftungen handelt. Man muß daher bei dem Satze &#x017F;tehen bleiben,<lb/>
daß ein Vollziehungsdokument von der betreffenden Behörde nur da<lb/><hi rendition="#g">nothwendig</hi> i&#x017F;t, wo &#x017F;ich der Zwang auf eine bereits vorhandene und<lb/>
dem Einzelnen <hi rendition="#g">bekannte</hi> Verhandlung bezieht, während in allen andern<lb/>
Fällen der Beweis durch das amtliche Polizei&#x017F;ymbol ausreicht.</p><lb/>
                <p>In die&#x017F;en Fällen nun, wo ein &#x017F;olches Dokument den Zwang <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/>
be&#x017F;timmt und be&#x017F;timmen kann, muß mithin ein anderes Princip ein-<lb/>
treten, welches das Recht des Einzelnen gegen die Willkür des Organs<lb/>
&#x017F;chützt. Dieß nun i&#x017F;t in folgender Wei&#x017F;e zu denken und auch in den<lb/>
mei&#x017F;ten Ge&#x017F;etzgebungen in den einzelnen Punkten bereits aufge&#x017F;tellt.</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0226] ſchaffen zu können. Dieſe nun kann nur in den Formen beſtehen, in welchen die Perſonen, die den Zwang ausüben, entweder einen all- gemeinen Auftrag nachweiſen, und zwar durch ein Symbol ihrer Gewalt, oder einen ſpeziellen durch ein Dokument. Die Natur der Sache hat beide Punkte mehr als die Geſetzgebung beſtimmt. Dieſem Principe entſprechen zwei Verpflichtungen. Die erſte beſteht darin, daß die Organe der Polizei das Symbol ihrer polizeilichen Ge- walt auch wirklich bei ſich führen und vorzeigen müſſen, wobei es zweck- mäßig iſt, die Beſtimmung dieſes Symbols geſetzlich vorzuſchreiben. Es iſt nicht möglich, dem Einzelnen eine Verpflichtung zum Gehorſam gegen ein Individuum aufzuerlegen, das ohne dieß Symbol einen Zwang ausüben will; man muß im Gegentheil das Recht des materiellen Wider- ſtandes ſo lange einräumen, als daſſelbe nicht vorgezeigt wird. Dagegen würde das Recht der Verificirung des Symbols von Seiten des Einzelnen jeden Zwang illuſoriſch machen. Der Staat hat kein Mittel, den Be- trug auf dieſem Punkte gänzlich zu beſeitigen; der Einzelne muß die Gefahr des möglichen Falſums tragen, da ſie geringer iſt als die Gefahr der Auflöſung der vollziehenden Thätigkeit durch das Recht des Einzelnen, einen Beweis für die Richtigkeit des Symbols zu fordern, ehe er gehorcht. Die zweite Verpflichtung der vollziehenden Gewalt beſteht darin, da wo es ſich um die Vollziehung eines, bis dahin in irgend einer amtlichen Verhandlung begriffenen Ausſpruches eines öffent- lichen Organs handelt, dieſe Vollziehung durch ein amtliches Doku- ment zu befehlen, und in dieſem amtlichen Dokumente die Gründe, die Art und das Maß des vollziehenden Zwanges aufzuzeichnen. Dieſe Verpflichtung iſt im Gebiete der Verwaltung der Finanzen und der Rechtspflege wohl in allen Staaten ausdrücklich anerkannt. Sie kann nur zweifelhaft werden im Gebiete der innern Verwaltung, da hier nicht immer eine förmliche Verhandlung vorausgehen kann, z. B. wenn der Einzelne in Gefahrsfällen eine Leiſtung zu machen oder etwas zu bieten hat, oder in den Fällen der Sicherheitspolizei, wo es ſich um Verhaftungen handelt. Man muß daher bei dem Satze ſtehen bleiben, daß ein Vollziehungsdokument von der betreffenden Behörde nur da nothwendig iſt, wo ſich der Zwang auf eine bereits vorhandene und dem Einzelnen bekannte Verhandlung bezieht, während in allen andern Fällen der Beweis durch das amtliche Polizeiſymbol ausreicht. In dieſen Fällen nun, wo ein ſolches Dokument den Zwang nicht beſtimmt und beſtimmen kann, muß mithin ein anderes Princip ein- treten, welches das Recht des Einzelnen gegen die Willkür des Organs ſchützt. Dieß nun iſt in folgender Weiſe zu denken und auch in den meiſten Geſetzgebungen in den einzelnen Punkten bereits aufgeſtellt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/226
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/226>, abgerufen am 24.11.2024.