schaffen zu können. Diese nun kann nur in den Formen bestehen, in welchen die Personen, die den Zwang ausüben, entweder einen all- gemeinen Auftrag nachweisen, und zwar durch ein Symbol ihrer Gewalt, oder einen speziellen durch ein Dokument. Die Natur der Sache hat beide Punkte mehr als die Gesetzgebung bestimmt.
Diesem Principe entsprechen zwei Verpflichtungen. Die erste besteht darin, daß die Organe der Polizei das Symbol ihrer polizeilichen Ge- walt auch wirklich bei sich führen und vorzeigen müssen, wobei es zweck- mäßig ist, die Bestimmung dieses Symbols gesetzlich vorzuschreiben. Es ist nicht möglich, dem Einzelnen eine Verpflichtung zum Gehorsam gegen ein Individuum aufzuerlegen, das ohne dieß Symbol einen Zwang ausüben will; man muß im Gegentheil das Recht des materiellen Wider- standes so lange einräumen, als dasselbe nicht vorgezeigt wird. Dagegen würde das Recht der Verificirung des Symbols von Seiten des Einzelnen jeden Zwang illusorisch machen. Der Staat hat kein Mittel, den Be- trug auf diesem Punkte gänzlich zu beseitigen; der Einzelne muß die Gefahr des möglichen Falsums tragen, da sie geringer ist als die Gefahr der Auflösung der vollziehenden Thätigkeit durch das Recht des Einzelnen, einen Beweis für die Richtigkeit des Symbols zu fordern, ehe er gehorcht.
Die zweite Verpflichtung der vollziehenden Gewalt besteht darin, da wo es sich um die Vollziehung eines, bis dahin in irgend einer amtlichen Verhandlung begriffenen Ausspruches eines öffent- lichen Organs handelt, diese Vollziehung durch ein amtliches Doku- ment zu befehlen, und in diesem amtlichen Dokumente die Gründe, die Art und das Maß des vollziehenden Zwanges aufzuzeichnen. Diese Verpflichtung ist im Gebiete der Verwaltung der Finanzen und der Rechtspflege wohl in allen Staaten ausdrücklich anerkannt. Sie kann nur zweifelhaft werden im Gebiete der innern Verwaltung, da hier nicht immer eine förmliche Verhandlung vorausgehen kann, z. B. wenn der Einzelne in Gefahrsfällen eine Leistung zu machen oder etwas zu bieten hat, oder in den Fällen der Sicherheitspolizei, wo es sich um Verhaftungen handelt. Man muß daher bei dem Satze stehen bleiben, daß ein Vollziehungsdokument von der betreffenden Behörde nur da nothwendig ist, wo sich der Zwang auf eine bereits vorhandene und dem Einzelnen bekannte Verhandlung bezieht, während in allen andern Fällen der Beweis durch das amtliche Polizeisymbol ausreicht.
In diesen Fällen nun, wo ein solches Dokument den Zwang nicht bestimmt und bestimmen kann, muß mithin ein anderes Princip ein- treten, welches das Recht des Einzelnen gegen die Willkür des Organs schützt. Dieß nun ist in folgender Weise zu denken und auch in den meisten Gesetzgebungen in den einzelnen Punkten bereits aufgestellt.
ſchaffen zu können. Dieſe nun kann nur in den Formen beſtehen, in welchen die Perſonen, die den Zwang ausüben, entweder einen all- gemeinen Auftrag nachweiſen, und zwar durch ein Symbol ihrer Gewalt, oder einen ſpeziellen durch ein Dokument. Die Natur der Sache hat beide Punkte mehr als die Geſetzgebung beſtimmt.
Dieſem Principe entſprechen zwei Verpflichtungen. Die erſte beſteht darin, daß die Organe der Polizei das Symbol ihrer polizeilichen Ge- walt auch wirklich bei ſich führen und vorzeigen müſſen, wobei es zweck- mäßig iſt, die Beſtimmung dieſes Symbols geſetzlich vorzuſchreiben. Es iſt nicht möglich, dem Einzelnen eine Verpflichtung zum Gehorſam gegen ein Individuum aufzuerlegen, das ohne dieß Symbol einen Zwang ausüben will; man muß im Gegentheil das Recht des materiellen Wider- ſtandes ſo lange einräumen, als daſſelbe nicht vorgezeigt wird. Dagegen würde das Recht der Verificirung des Symbols von Seiten des Einzelnen jeden Zwang illuſoriſch machen. Der Staat hat kein Mittel, den Be- trug auf dieſem Punkte gänzlich zu beſeitigen; der Einzelne muß die Gefahr des möglichen Falſums tragen, da ſie geringer iſt als die Gefahr der Auflöſung der vollziehenden Thätigkeit durch das Recht des Einzelnen, einen Beweis für die Richtigkeit des Symbols zu fordern, ehe er gehorcht.
Die zweite Verpflichtung der vollziehenden Gewalt beſteht darin, da wo es ſich um die Vollziehung eines, bis dahin in irgend einer amtlichen Verhandlung begriffenen Ausſpruches eines öffent- lichen Organs handelt, dieſe Vollziehung durch ein amtliches Doku- ment zu befehlen, und in dieſem amtlichen Dokumente die Gründe, die Art und das Maß des vollziehenden Zwanges aufzuzeichnen. Dieſe Verpflichtung iſt im Gebiete der Verwaltung der Finanzen und der Rechtspflege wohl in allen Staaten ausdrücklich anerkannt. Sie kann nur zweifelhaft werden im Gebiete der innern Verwaltung, da hier nicht immer eine förmliche Verhandlung vorausgehen kann, z. B. wenn der Einzelne in Gefahrsfällen eine Leiſtung zu machen oder etwas zu bieten hat, oder in den Fällen der Sicherheitspolizei, wo es ſich um Verhaftungen handelt. Man muß daher bei dem Satze ſtehen bleiben, daß ein Vollziehungsdokument von der betreffenden Behörde nur da nothwendig iſt, wo ſich der Zwang auf eine bereits vorhandene und dem Einzelnen bekannte Verhandlung bezieht, während in allen andern Fällen der Beweis durch das amtliche Polizeiſymbol ausreicht.
In dieſen Fällen nun, wo ein ſolches Dokument den Zwang nicht beſtimmt und beſtimmen kann, muß mithin ein anderes Princip ein- treten, welches das Recht des Einzelnen gegen die Willkür des Organs ſchützt. Dieß nun iſt in folgender Weiſe zu denken und auch in den meiſten Geſetzgebungen in den einzelnen Punkten bereits aufgeſtellt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0226"n="202"/>ſchaffen zu können. Dieſe nun kann nur in den Formen beſtehen, in<lb/>
welchen die Perſonen, die den Zwang ausüben, entweder einen <hirendition="#g">all-<lb/>
gemeinen Auftrag</hi> nachweiſen, und zwar durch ein Symbol ihrer<lb/>
Gewalt, oder einen <hirendition="#g">ſpeziellen</hi> durch ein <hirendition="#g">Dokument</hi>. Die Natur<lb/>
der Sache hat beide Punkte mehr als die Geſetzgebung beſtimmt.</p><lb/><p>Dieſem Principe entſprechen zwei Verpflichtungen. Die erſte beſteht<lb/>
darin, daß die Organe der Polizei das Symbol ihrer polizeilichen Ge-<lb/>
walt auch wirklich bei ſich führen und vorzeigen müſſen, wobei es zweck-<lb/>
mäßig iſt, die Beſtimmung dieſes Symbols <hirendition="#g">geſetzlich</hi> vorzuſchreiben.<lb/>
Es iſt nicht möglich, dem Einzelnen eine Verpflichtung zum Gehorſam<lb/>
gegen ein Individuum aufzuerlegen, das ohne dieß Symbol einen Zwang<lb/>
ausüben will; man muß im Gegentheil das Recht des materiellen Wider-<lb/>ſtandes ſo lange einräumen, als daſſelbe nicht vorgezeigt wird. Dagegen<lb/>
würde das Recht der Verificirung des Symbols von Seiten des Einzelnen<lb/>
jeden Zwang illuſoriſch machen. Der Staat hat <hirendition="#g">kein</hi> Mittel, den Be-<lb/>
trug auf dieſem Punkte gänzlich zu beſeitigen; der Einzelne muß die<lb/>
Gefahr des möglichen Falſums tragen, da ſie geringer iſt als die Gefahr<lb/>
der Auflöſung der vollziehenden Thätigkeit durch das Recht des Einzelnen,<lb/>
einen Beweis für die Richtigkeit des Symbols zu fordern, ehe er gehorcht.</p><lb/><p>Die zweite Verpflichtung der vollziehenden Gewalt beſteht darin,<lb/>
da wo es ſich um die Vollziehung eines, bis <hirendition="#g">dahin in irgend einer<lb/>
amtlichen Verhandlung begriffenen</hi> Ausſpruches eines öffent-<lb/>
lichen Organs handelt, dieſe Vollziehung durch ein <hirendition="#g">amtliches Doku-<lb/>
ment</hi> zu befehlen, und in dieſem amtlichen Dokumente die Gründe,<lb/>
die Art und das Maß des vollziehenden Zwanges aufzuzeichnen. Dieſe<lb/>
Verpflichtung iſt im Gebiete der Verwaltung der Finanzen und der<lb/>
Rechtspflege wohl in allen Staaten ausdrücklich anerkannt. Sie kann<lb/>
nur zweifelhaft werden im Gebiete der innern Verwaltung, da hier<lb/>
nicht immer eine förmliche Verhandlung vorausgehen kann, z. B. wenn<lb/>
der Einzelne in Gefahrsfällen eine Leiſtung zu machen oder etwas zu<lb/>
bieten hat, oder in den Fällen der Sicherheitspolizei, wo es ſich um<lb/>
Verhaftungen handelt. Man muß daher bei dem Satze ſtehen bleiben,<lb/>
daß ein Vollziehungsdokument von der betreffenden Behörde nur da<lb/><hirendition="#g">nothwendig</hi> iſt, wo ſich der Zwang auf eine bereits vorhandene und<lb/>
dem Einzelnen <hirendition="#g">bekannte</hi> Verhandlung bezieht, während in allen andern<lb/>
Fällen der Beweis durch das amtliche Polizeiſymbol ausreicht.</p><lb/><p>In dieſen Fällen nun, wo ein ſolches Dokument den Zwang <hirendition="#g">nicht</hi><lb/>
beſtimmt und beſtimmen kann, muß mithin ein anderes Princip ein-<lb/>
treten, welches das Recht des Einzelnen gegen die Willkür des Organs<lb/>ſchützt. Dieß nun iſt in folgender Weiſe zu denken und auch in den<lb/>
meiſten Geſetzgebungen in den einzelnen Punkten bereits aufgeſtellt.</p><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[202/0226]
ſchaffen zu können. Dieſe nun kann nur in den Formen beſtehen, in
welchen die Perſonen, die den Zwang ausüben, entweder einen all-
gemeinen Auftrag nachweiſen, und zwar durch ein Symbol ihrer
Gewalt, oder einen ſpeziellen durch ein Dokument. Die Natur
der Sache hat beide Punkte mehr als die Geſetzgebung beſtimmt.
Dieſem Principe entſprechen zwei Verpflichtungen. Die erſte beſteht
darin, daß die Organe der Polizei das Symbol ihrer polizeilichen Ge-
walt auch wirklich bei ſich führen und vorzeigen müſſen, wobei es zweck-
mäßig iſt, die Beſtimmung dieſes Symbols geſetzlich vorzuſchreiben.
Es iſt nicht möglich, dem Einzelnen eine Verpflichtung zum Gehorſam
gegen ein Individuum aufzuerlegen, das ohne dieß Symbol einen Zwang
ausüben will; man muß im Gegentheil das Recht des materiellen Wider-
ſtandes ſo lange einräumen, als daſſelbe nicht vorgezeigt wird. Dagegen
würde das Recht der Verificirung des Symbols von Seiten des Einzelnen
jeden Zwang illuſoriſch machen. Der Staat hat kein Mittel, den Be-
trug auf dieſem Punkte gänzlich zu beſeitigen; der Einzelne muß die
Gefahr des möglichen Falſums tragen, da ſie geringer iſt als die Gefahr
der Auflöſung der vollziehenden Thätigkeit durch das Recht des Einzelnen,
einen Beweis für die Richtigkeit des Symbols zu fordern, ehe er gehorcht.
Die zweite Verpflichtung der vollziehenden Gewalt beſteht darin,
da wo es ſich um die Vollziehung eines, bis dahin in irgend einer
amtlichen Verhandlung begriffenen Ausſpruches eines öffent-
lichen Organs handelt, dieſe Vollziehung durch ein amtliches Doku-
ment zu befehlen, und in dieſem amtlichen Dokumente die Gründe,
die Art und das Maß des vollziehenden Zwanges aufzuzeichnen. Dieſe
Verpflichtung iſt im Gebiete der Verwaltung der Finanzen und der
Rechtspflege wohl in allen Staaten ausdrücklich anerkannt. Sie kann
nur zweifelhaft werden im Gebiete der innern Verwaltung, da hier
nicht immer eine förmliche Verhandlung vorausgehen kann, z. B. wenn
der Einzelne in Gefahrsfällen eine Leiſtung zu machen oder etwas zu
bieten hat, oder in den Fällen der Sicherheitspolizei, wo es ſich um
Verhaftungen handelt. Man muß daher bei dem Satze ſtehen bleiben,
daß ein Vollziehungsdokument von der betreffenden Behörde nur da
nothwendig iſt, wo ſich der Zwang auf eine bereits vorhandene und
dem Einzelnen bekannte Verhandlung bezieht, während in allen andern
Fällen der Beweis durch das amtliche Polizeiſymbol ausreicht.
In dieſen Fällen nun, wo ein ſolches Dokument den Zwang nicht
beſtimmt und beſtimmen kann, muß mithin ein anderes Princip ein-
treten, welches das Recht des Einzelnen gegen die Willkür des Organs
ſchützt. Dieß nun iſt in folgender Weiſe zu denken und auch in den
meiſten Geſetzgebungen in den einzelnen Punkten bereits aufgeſtellt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/226>, abgerufen am 06.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.