Fälle, in welchen es sich um Verbrechen der Beamteten handelt, zum Theil diejenigen, in welchen es sich um Vergehen handelt (conflits en matiere criminelle und en matiere correctionnelle). -- Zweitens hat man den tiefen Unterschied zwischen contentieux und conflit darin aner- kannt, daß die höchste entscheidende Behörde, der Conseil d'Etat, eine eigene Sektion pour le contentieux, und eine zweite Sektion pour les conflits hat. Die erste Sektion entscheidet daher die Competenz- streitigkeiten, die zweite entscheidet über den conflit, indem sie die Zu- ständigkeit entweder der administration oder der tribunaux formell ausspricht. Die große Wichtigkeit der Sache und die hohe, in Deutsch- land nur zum Theil nachgeahmte Vortrefflichkeit des Beschwerde- verfahrens haben nun über das ganze Verfahren beim conflit eine selbständige jurisprudence geschaffen, welche hier natürlich nicht mit- getheilt werden kann. Es möge nur zum Schlusse bemerkt werden, daß das Hauptgesetz über den conflit die Ordonnanz vom 1. Juni 1828 ist, dem ein Bericht von Cormenin zu Grunde liegt. Es ward später ein eigener Gesetzentwurf darüber ausgearbeitet (1835), aber den Kammern nicht vorgelegt. Man fühlte vollkommen das höchst Unvollständige in dem bestehenden Rechte; aber man glaubte und glaubt noch immer, daß es gelingen werde, durch eine scharfe gesetzliche Trennung der contentieux zu einer Regelung des conflit zu gelangen. Man hat daher wieder in der Constitution von 1848 den Satz aufgenommen, daß die conflits d'attributions entre l'autorite administrative et l'au- torite judiciaire definitiv geregelt werden sollen (a. 89). Ein Reglement vom 26. Oktober 1848 hat ein Tribunal dafür eingesetzt; ein Gesetz vom 4. Februar 1850 hat die Ordnung und das Verfahren desselben geregelt; aber das decret organique de Conseil d'Etat vom 25. Januar 1852 hat demselben in Art. 17, die Entscheidung des conflit zurückgegeben und diesen Conseil d'Etat in seinen zwei eben erwähnten Sektionen wieder zum Competenzgerichtshof von Frankreich gemacht. Aber im höchsten Grade für den Begriff der französischen Verwaltung bezeichnend ist dabei der Grundsatz: "le Conseil d'Etat n'admet pas que les tribunaux puissent elever le conflit contre l'administration." "La verite est," sagt Bou- latignier, "qu'en instituant le conflit, on a eu surtout en vue de proteger l'autorite administrative contre les empietements de l'autorite judiciaire." -- Das heißt also, wenn einmal ein gesetzliches Recht durch einen Verwaltungsakt verletzt, aber trotzdem aus irgend einem Grunde nur eine Beschwerde erhoben ist, wo eine Klage unbedingt hätte statt- finden sollen, so hat dennoch nur die Verwaltungsbehörde zu ent- scheiden; es wird Gericht durch das Erheben der Beschwerde. Es ist natürlich vollkommen unmöglich, in diesem Zustande noch ein auf
Fälle, in welchen es ſich um Verbrechen der Beamteten handelt, zum Theil diejenigen, in welchen es ſich um Vergehen handelt (conflits en matière criminelle und en matière correctionnelle). — Zweitens hat man den tiefen Unterſchied zwiſchen contentieux und conflit darin aner- kannt, daß die höchſte entſcheidende Behörde, der Conseil d’État, eine eigene Sektion pour le contentieux, und eine zweite Sektion pour les conflits hat. Die erſte Sektion entſcheidet daher die Competenz- ſtreitigkeiten, die zweite entſcheidet über den conflit, indem ſie die Zu- ſtändigkeit entweder der administration oder der tribunaux formell ausſpricht. Die große Wichtigkeit der Sache und die hohe, in Deutſch- land nur zum Theil nachgeahmte Vortrefflichkeit des Beſchwerde- verfahrens haben nun über das ganze Verfahren beim conflit eine ſelbſtändige jurisprudence geſchaffen, welche hier natürlich nicht mit- getheilt werden kann. Es möge nur zum Schluſſe bemerkt werden, daß das Hauptgeſetz über den conflit die Ordonnanz vom 1. Juni 1828 iſt, dem ein Bericht von Cormenin zu Grunde liegt. Es ward ſpäter ein eigener Geſetzentwurf darüber ausgearbeitet (1835), aber den Kammern nicht vorgelegt. Man fühlte vollkommen das höchſt Unvollſtändige in dem beſtehenden Rechte; aber man glaubte und glaubt noch immer, daß es gelingen werde, durch eine ſcharfe geſetzliche Trennung der contentieux zu einer Regelung des conflit zu gelangen. Man hat daher wieder in der Conſtitution von 1848 den Satz aufgenommen, daß die conflits d’attributions entre l’autorité administrative et l’au- torité judiciaire definitiv geregelt werden ſollen (a. 89). Ein Reglement vom 26. Oktober 1848 hat ein Tribunal dafür eingeſetzt; ein Geſetz vom 4. Februar 1850 hat die Ordnung und das Verfahren deſſelben geregelt; aber das décret organique de Conseil d’État vom 25. Januar 1852 hat demſelben in Art. 17, die Entſcheidung des conflit zurückgegeben und dieſen Conseil d’État in ſeinen zwei eben erwähnten Sektionen wieder zum Competenzgerichtshof von Frankreich gemacht. Aber im höchſten Grade für den Begriff der franzöſiſchen Verwaltung bezeichnend iſt dabei der Grundſatz: „le Conseil d’État n’admet pas que les tribunaux puissent éléver le conflit contre l’administration.“ „La vérité est,“ ſagt Bou- latignier, „qu’en instituant le conflit, on a eu surtout en vue de protéger l’autorité administrative contre les empiètements de l’autorité judiciaire.“ — Das heißt alſo, wenn einmal ein geſetzliches Recht durch einen Verwaltungsakt verletzt, aber trotzdem aus irgend einem Grunde nur eine Beſchwerde erhoben iſt, wo eine Klage unbedingt hätte ſtatt- finden ſollen, ſo hat dennoch nur die Verwaltungsbehörde zu ent- ſcheiden; es wird Gericht durch das Erheben der Beſchwerde. Es iſt natürlich vollkommen unmöglich, in dieſem Zuſtande noch ein auf
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[178/0202]
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man den tiefen Unterſchied zwiſchen contentieux und conflit darin aner-
kannt, daß die höchſte entſcheidende Behörde, der Conseil d’État, eine
eigene Sektion pour le contentieux, und eine zweite Sektion pour
les conflits hat. Die erſte Sektion entſcheidet daher die Competenz-
ſtreitigkeiten, die zweite entſcheidet über den conflit, indem ſie die Zu-
ſtändigkeit entweder der administration oder der tribunaux formell
ausſpricht. Die große Wichtigkeit der Sache und die hohe, in Deutſch-
land nur zum Theil nachgeahmte Vortrefflichkeit des Beſchwerde-
verfahrens haben nun über das ganze Verfahren beim conflit eine
ſelbſtändige jurisprudence geſchaffen, welche hier natürlich nicht mit-
getheilt werden kann. Es möge nur zum Schluſſe bemerkt werden,
daß das Hauptgeſetz über den conflit die Ordonnanz vom 1. Juni 1828
iſt, dem ein Bericht von Cormenin zu Grunde liegt. Es ward ſpäter ein
eigener Geſetzentwurf darüber ausgearbeitet (1835), aber den Kammern
nicht vorgelegt. Man fühlte vollkommen das höchſt Unvollſtändige in
dem beſtehenden Rechte; aber man glaubte und glaubt noch immer,
daß es gelingen werde, durch eine ſcharfe geſetzliche Trennung der
contentieux zu einer Regelung des conflit zu gelangen. Man hat
daher wieder in der Conſtitution von 1848 den Satz aufgenommen,
daß die conflits d’attributions entre l’autorité administrative et l’au-
torité judiciaire definitiv geregelt werden ſollen (a. 89). Ein Reglement
vom 26. Oktober 1848 hat ein Tribunal dafür eingeſetzt; ein Geſetz
vom 4. Februar 1850 hat die Ordnung und das Verfahren deſſelben
geregelt; aber das décret organique de Conseil d’État vom 25. Januar
1852 hat demſelben in Art. 17, die Entſcheidung des conflit zurückgegeben
und dieſen Conseil d’État in ſeinen zwei eben erwähnten Sektionen wieder
zum Competenzgerichtshof von Frankreich gemacht. Aber im höchſten Grade
für den Begriff der franzöſiſchen Verwaltung bezeichnend iſt dabei der
Grundſatz: „le Conseil d’État n’admet pas que les tribunaux puissent
éléver le conflit contre l’administration.“ „La vérité est,“ ſagt Bou-
latignier, „qu’en instituant le conflit, on a eu surtout en vue de
protéger l’autorité administrative contre les empiètements de l’autorité
judiciaire.“ — Das heißt alſo, wenn einmal ein geſetzliches Recht durch
einen Verwaltungsakt verletzt, aber trotzdem aus irgend einem Grunde
nur eine Beſchwerde erhoben iſt, wo eine Klage unbedingt hätte ſtatt-
finden ſollen, ſo hat dennoch nur die Verwaltungsbehörde zu ent-
ſcheiden; es wird Gericht durch das Erheben der Beſchwerde. Es
iſt natürlich vollkommen unmöglich, in dieſem Zuſtande noch ein auf
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/202>, abgerufen am 22.11.2024.
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