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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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aber eben, ob eine solche Entscheidung nach Grundsätzen der Verwaltung ein
Recht bilden; denn wenn sie Recht enthält, muß eben das Gericht dieselbe
treffen, und das ist ja gerade der Zweifel. Mohl in seiner Polizeiwissenschaft
(I. §. 7. 8), dem sowohl der Begriff der Verordnung als der der Verwaltung
abgeht, nennt die Frage mit Recht eine "berüchtigte," hat aber selbst gar keine
Antwort darauf; nur das wird ihm klar "daß die Ansicht gerechtfertigt sei, daß
wenigstens (?) die bedeutenderen Straffälle wegen Uebertretung von Polizei-
gesetzen
den Gerichten zu überlassen seien" -- womit man im Grunde gar
nichts weiß. Planitz in einer neueren kleinen Schrift (Justiz und Verwal-
tung. Ein Beitrag zur Feststellung beider Gewalten. 1860), fühlt richtig, daß
man das Wesen beider Organe der Entscheidung zum Grunde legen müsse;
aber freilich muß man dann bei dem Begriffe des Staats anfangen, und nicht
damit beginnen, den Staat "zunächst" als einen Gerichtshof, und die Verwaltung
als etwas zu betrachten, was sich "neben der Justiz regt." Ohne die Bestimmung
des Begriffes der Verordnung wird die Sache nicht abgethan sein, noch weniger
durch Illustration einzelner Fälle. Mayer in seinem Verwaltungsrecht ist noch
übler daran; S. 39. 40 will er ganz allgemein, daß die Verwaltung "Recht
sprechen soll," S. 453 findet er, daß "gewisse Akte der Verwaltung nicht Gegen-
stand rechtlicher Beschwerde sein können;" S. 456 steht die "Erlassung allge-
meiner Anordnungen -- in der Mitte zwischen Aufstellung allgemeiner Ver-
ordnungen und der Anwendung derselben auf bestimmte Fälle" -- also wo? --
Und wer hat zu entscheiden, ob sie diese "richtige Mitte" zwischen Justiz und
Administration verloren haben? -- Es wäre leicht, diese Specifikation weiter zu
führen; es ist aber nutzlos.

Im Allgemeinen läßt sich nun nicht läugnen, daß man sich in Deutschland
unendlich viel Mühe gegeben hat, diese Frage zu einem klaren Abschluß zu
bringen. Ein Hauptgrund, woran man scheiterte, ist es, daß man nicht einig
werden konnte, ob man die jedenfalls gültigen Entscheidungen der höheren Ver-
waltungen als "Recht" anerkennen solle oder nicht, da man bei dem Ausdruck
"Recht" sich immer ein Gericht dachte, und den Begriff des französischen droit
administratif
nicht annahm, weil man der "Polizei" eine recht bildende Gewalt
nicht zuerkennen wollte. So ganz Unrecht hat Mayer wohl auch nicht, wenn er
dabei von einem "feindseligen Geiste der Gerichte gegen den Staat" (er meint die
finanzielle und die innere Verwaltung) "bei Ansprüchen der Einzelnen an den
Tresor" spricht. Würde man sich aber den Begriff des Verwaltungsrechts an-
eignen, so wäre die Frage im Wesentlichen entschieden. Aus demselben Grunde
ist die Lehre und das Recht der Competenzconflikte in der deutschen Theorie
höchst unklar; darauf kommen wir unten zurück. Merkwürdig, daß Pötzl
(bayerisches Verfassungsrecht §. 155) seine höchst richtige Bemerkung: "es ist nicht
ausgeschlossen, daß die nämliche Sache in ihrer rechtlichen Beziehung Justiz-
sache sei, welche in ihrer polizeilichen Richtung von der Polizeibehörde behandelt
wird" (also doch auch gewiß die Beschwerde zuläßt) "Beispiele: Heimath-, Ge-
werbesachen u. s. w." -- nicht weiter verfolgt hat. Er wäre genau zu unserem
Resultat gelangt. Uebrigens spricht auch Klüber (Off. R. §. 396) ganz den-
selben Satz aus: "Es kann dieselbe Sache in verschiedener Beziehung Justiz-

Stein, die Verwaltungslehre. I. 10

aber eben, ob eine ſolche Entſcheidung nach Grundſätzen der Verwaltung ein
Recht bilden; denn wenn ſie Recht enthält, muß eben das Gericht dieſelbe
treffen, und das iſt ja gerade der Zweifel. Mohl in ſeiner Polizeiwiſſenſchaft
(I. §. 7. 8), dem ſowohl der Begriff der Verordnung als der der Verwaltung
abgeht, nennt die Frage mit Recht eine „berüchtigte,“ hat aber ſelbſt gar keine
Antwort darauf; nur das wird ihm klar „daß die Anſicht gerechtfertigt ſei, daß
wenigſtens (?) die bedeutenderen Straffälle wegen Uebertretung von Polizei-
geſetzen
den Gerichten zu überlaſſen ſeien“ — womit man im Grunde gar
nichts weiß. Planitz in einer neueren kleinen Schrift (Juſtiz und Verwal-
tung. Ein Beitrag zur Feſtſtellung beider Gewalten. 1860), fühlt richtig, daß
man das Weſen beider Organe der Entſcheidung zum Grunde legen müſſe;
aber freilich muß man dann bei dem Begriffe des Staats anfangen, und nicht
damit beginnen, den Staat „zunächſt“ als einen Gerichtshof, und die Verwaltung
als etwas zu betrachten, was ſich „neben der Juſtiz regt.“ Ohne die Beſtimmung
des Begriffes der Verordnung wird die Sache nicht abgethan ſein, noch weniger
durch Illuſtration einzelner Fälle. Mayer in ſeinem Verwaltungsrecht iſt noch
übler daran; S. 39. 40 will er ganz allgemein, daß die Verwaltung „Recht
ſprechen ſoll,“ S. 453 findet er, daß „gewiſſe Akte der Verwaltung nicht Gegen-
ſtand rechtlicher Beſchwerde ſein können;“ S. 456 ſteht die „Erlaſſung allge-
meiner Anordnungen — in der Mitte zwiſchen Aufſtellung allgemeiner Ver-
ordnungen und der Anwendung derſelben auf beſtimmte Fälle“ — alſo wo? —
Und wer hat zu entſcheiden, ob ſie dieſe „richtige Mitte“ zwiſchen Juſtiz und
Adminiſtration verloren haben? — Es wäre leicht, dieſe Specifikation weiter zu
führen; es iſt aber nutzlos.

Im Allgemeinen läßt ſich nun nicht läugnen, daß man ſich in Deutſchland
unendlich viel Mühe gegeben hat, dieſe Frage zu einem klaren Abſchluß zu
bringen. Ein Hauptgrund, woran man ſcheiterte, iſt es, daß man nicht einig
werden konnte, ob man die jedenfalls gültigen Entſcheidungen der höheren Ver-
waltungen als „Recht“ anerkennen ſolle oder nicht, da man bei dem Ausdruck
„Recht“ ſich immer ein Gericht dachte, und den Begriff des franzöſiſchen droit
administratif
nicht annahm, weil man der „Polizei“ eine recht bildende Gewalt
nicht zuerkennen wollte. So ganz Unrecht hat Mayer wohl auch nicht, wenn er
dabei von einem „feindſeligen Geiſte der Gerichte gegen den Staat“ (er meint die
finanzielle und die innere Verwaltung) „bei Anſprüchen der Einzelnen an den
Treſor“ ſpricht. Würde man ſich aber den Begriff des Verwaltungsrechts an-
eignen, ſo wäre die Frage im Weſentlichen entſchieden. Aus demſelben Grunde
iſt die Lehre und das Recht der Competenzconflikte in der deutſchen Theorie
höchſt unklar; darauf kommen wir unten zurück. Merkwürdig, daß Pötzl
(bayeriſches Verfaſſungsrecht §. 155) ſeine höchſt richtige Bemerkung: „es iſt nicht
ausgeſchloſſen, daß die nämliche Sache in ihrer rechtlichen Beziehung Juſtiz-
ſache ſei, welche in ihrer polizeilichen Richtung von der Polizeibehörde behandelt
wird“ (alſo doch auch gewiß die Beſchwerde zuläßt) „Beiſpiele: Heimath-, Ge-
werbeſachen u. ſ. w.“ — nicht weiter verfolgt hat. Er wäre genau zu unſerem
Reſultat gelangt. Uebrigens ſpricht auch Klüber (Off. R. §. 396) ganz den-
ſelben Satz aus: „Es kann dieſelbe Sache in verſchiedener Beziehung Juſtiz-

Stein, die Verwaltungslehre. I. 10
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[145/0169] aber eben, ob eine ſolche Entſcheidung nach Grundſätzen der Verwaltung ein Recht bilden; denn wenn ſie Recht enthält, muß eben das Gericht dieſelbe treffen, und das iſt ja gerade der Zweifel. Mohl in ſeiner Polizeiwiſſenſchaft (I. §. 7. 8), dem ſowohl der Begriff der Verordnung als der der Verwaltung abgeht, nennt die Frage mit Recht eine „berüchtigte,“ hat aber ſelbſt gar keine Antwort darauf; nur das wird ihm klar „daß die Anſicht gerechtfertigt ſei, daß wenigſtens (?) die bedeutenderen Straffälle wegen Uebertretung von Polizei- geſetzen den Gerichten zu überlaſſen ſeien“ — womit man im Grunde gar nichts weiß. Planitz in einer neueren kleinen Schrift (Juſtiz und Verwal- tung. Ein Beitrag zur Feſtſtellung beider Gewalten. 1860), fühlt richtig, daß man das Weſen beider Organe der Entſcheidung zum Grunde legen müſſe; aber freilich muß man dann bei dem Begriffe des Staats anfangen, und nicht damit beginnen, den Staat „zunächſt“ als einen Gerichtshof, und die Verwaltung als etwas zu betrachten, was ſich „neben der Juſtiz regt.“ Ohne die Beſtimmung des Begriffes der Verordnung wird die Sache nicht abgethan ſein, noch weniger durch Illuſtration einzelner Fälle. Mayer in ſeinem Verwaltungsrecht iſt noch übler daran; S. 39. 40 will er ganz allgemein, daß die Verwaltung „Recht ſprechen ſoll,“ S. 453 findet er, daß „gewiſſe Akte der Verwaltung nicht Gegen- ſtand rechtlicher Beſchwerde ſein können;“ S. 456 ſteht die „Erlaſſung allge- meiner Anordnungen — in der Mitte zwiſchen Aufſtellung allgemeiner Ver- ordnungen und der Anwendung derſelben auf beſtimmte Fälle“ — alſo wo? — Und wer hat zu entſcheiden, ob ſie dieſe „richtige Mitte“ zwiſchen Juſtiz und Adminiſtration verloren haben? — Es wäre leicht, dieſe Specifikation weiter zu führen; es iſt aber nutzlos. Im Allgemeinen läßt ſich nun nicht läugnen, daß man ſich in Deutſchland unendlich viel Mühe gegeben hat, dieſe Frage zu einem klaren Abſchluß zu bringen. Ein Hauptgrund, woran man ſcheiterte, iſt es, daß man nicht einig werden konnte, ob man die jedenfalls gültigen Entſcheidungen der höheren Ver- waltungen als „Recht“ anerkennen ſolle oder nicht, da man bei dem Ausdruck „Recht“ ſich immer ein Gericht dachte, und den Begriff des franzöſiſchen droit administratif nicht annahm, weil man der „Polizei“ eine recht bildende Gewalt nicht zuerkennen wollte. So ganz Unrecht hat Mayer wohl auch nicht, wenn er dabei von einem „feindſeligen Geiſte der Gerichte gegen den Staat“ (er meint die finanzielle und die innere Verwaltung) „bei Anſprüchen der Einzelnen an den Treſor“ ſpricht. Würde man ſich aber den Begriff des Verwaltungsrechts an- eignen, ſo wäre die Frage im Weſentlichen entſchieden. Aus demſelben Grunde iſt die Lehre und das Recht der Competenzconflikte in der deutſchen Theorie höchſt unklar; darauf kommen wir unten zurück. Merkwürdig, daß Pötzl (bayeriſches Verfaſſungsrecht §. 155) ſeine höchſt richtige Bemerkung: „es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß die nämliche Sache in ihrer rechtlichen Beziehung Juſtiz- ſache ſei, welche in ihrer polizeilichen Richtung von der Polizeibehörde behandelt wird“ (alſo doch auch gewiß die Beſchwerde zuläßt) „Beiſpiele: Heimath-, Ge- werbeſachen u. ſ. w.“ — nicht weiter verfolgt hat. Er wäre genau zu unſerem Reſultat gelangt. Uebrigens ſpricht auch Klüber (Off. R. §. 396) ganz den- ſelben Satz aus: „Es kann dieſelbe Sache in verſchiedener Beziehung Juſtiz- Stein, die Verwaltungslehre. I. 10

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/169>, abgerufen am 25.04.2024.