dem ersten hinzuzufügen. Hat derselbe das Recht nicht einmal bei der querela denegatae justitiae, so hat er es gewiß noch weniger hier. Ihm bleibt nichts übrig, als eine Klage zu führen, und es ist dann Sache der Gewalten, welche die Verantwortlichkeit verwirklichen, das Recht gegen die Verwaltung zu schützen. Vermag die es auch nicht, so ist das eben ein öffentliches Unglück, das aber dadurch nicht besser wird, wenn das Individuum ein zweites hinzufügt, indem es sich durch Weigerung des Gehorsams selbst Recht verschafft. Die Entwicklung der Grundsätze des öffentlichen Rechts setzen ja eben einen Rechtszustand voraus; der Grundsatz der Verweigerung des Gehorsams durch den Einzelnen würde ihn auch hier vernichten. Nicht in ihm, sondern im organischen Zusammenwirken der Gewalten muß hier daher Abhülfe ge- sucht werden.
Dieß sind nun die Grundsätze für das öffentliche Klagrecht. Andere Regeln treten für das Beschwerderecht ein.
Wir müssen in Betreff der bisherigen Auffassung aller dieser Fragen, namentlich in Betreff der Administrativ- und Justizsachen, auf die Darstellung am Ende des Beschwerderechts verweisen, die sich beide nicht trennen lassen. Ebenso muß die ganze Frage nach den Competenzverhältnissen definitiv hier fern gehalten werden; wir müssen nothwendig voraussetzen, daß eben Gesetz und Verordnung schon klar geschieden vorliegen. Ohne das ist das Klag- und Beschwerderecht durchaus nicht klar darzustellen.
3) Das Beschwerderecht und das Gesuchsrecht.
Ein von dem administrativen Klagrecht ganz wesentlich verschiedenes Gebiet betreten wir nun mit dem Begriff und Inhalt der Beschwerde. Eine Darstellung des Wesens und Rechts der Beschwerde ist uns außer- halb der bürgerlichen Rechtspflege nicht bekannt. Wir müssen daher auf die Sache genauer eingehen.
Während nämlich die Klage dadurch, und nur dadurch entsteht, daß ein Willensakt der vollziehenden Gewalt mit einem positiven Ge- setze in Widerspruch tritt und in seiner Vollziehung das Recht des Ein- zelnen, welches von diesem Gesetze geschützt ist, verletzt, kann ein zweites Verhältniß innerhalb der Vollziehung auftreten, welches gleichfalls zu einem Widerspruch in der wirklichen Verwaltung führt.
An sich ist der Wille der vollziehenden Gewalt ein in sich einheit- licher, wie der Staatswille überhaupt. So gut aber in dem letztern vermöge der Selbständigkeit des vollziehenden Willens ein Gegensatz zwischen Gesetz und Verordnung entstehen und zum Klagrecht führen kann, so gut erscheint auch der Wille der erstern in der Wirklichkeit als ein vielfacher, indem die einzelnen Organe ihn in sich reproduciren, und
dem erſten hinzuzufügen. Hat derſelbe das Recht nicht einmal bei der querela denegatae justitiae, ſo hat er es gewiß noch weniger hier. Ihm bleibt nichts übrig, als eine Klage zu führen, und es iſt dann Sache der Gewalten, welche die Verantwortlichkeit verwirklichen, das Recht gegen die Verwaltung zu ſchützen. Vermag die es auch nicht, ſo iſt das eben ein öffentliches Unglück, das aber dadurch nicht beſſer wird, wenn das Individuum ein zweites hinzufügt, indem es ſich durch Weigerung des Gehorſams ſelbſt Recht verſchafft. Die Entwicklung der Grundſätze des öffentlichen Rechts ſetzen ja eben einen Rechtszuſtand voraus; der Grundſatz der Verweigerung des Gehorſams durch den Einzelnen würde ihn auch hier vernichten. Nicht in ihm, ſondern im organiſchen Zuſammenwirken der Gewalten muß hier daher Abhülfe ge- ſucht werden.
Dieß ſind nun die Grundſätze für das öffentliche Klagrecht. Andere Regeln treten für das Beſchwerderecht ein.
Wir müſſen in Betreff der bisherigen Auffaſſung aller dieſer Fragen, namentlich in Betreff der Adminiſtrativ- und Juſtizſachen, auf die Darſtellung am Ende des Beſchwerderechts verweiſen, die ſich beide nicht trennen laſſen. Ebenſo muß die ganze Frage nach den Competenzverhältniſſen definitiv hier fern gehalten werden; wir müſſen nothwendig vorausſetzen, daß eben Geſetz und Verordnung ſchon klar geſchieden vorliegen. Ohne das iſt das Klag- und Beſchwerderecht durchaus nicht klar darzuſtellen.
3) Das Beſchwerderecht und das Geſuchsrecht.
Ein von dem adminiſtrativen Klagrecht ganz weſentlich verſchiedenes Gebiet betreten wir nun mit dem Begriff und Inhalt der Beſchwerde. Eine Darſtellung des Weſens und Rechts der Beſchwerde iſt uns außer- halb der bürgerlichen Rechtspflege nicht bekannt. Wir müſſen daher auf die Sache genauer eingehen.
Während nämlich die Klage dadurch, und nur dadurch entſteht, daß ein Willensakt der vollziehenden Gewalt mit einem poſitiven Ge- ſetze in Widerſpruch tritt und in ſeiner Vollziehung das Recht des Ein- zelnen, welches von dieſem Geſetze geſchützt iſt, verletzt, kann ein zweites Verhältniß innerhalb der Vollziehung auftreten, welches gleichfalls zu einem Widerſpruch in der wirklichen Verwaltung führt.
An ſich iſt der Wille der vollziehenden Gewalt ein in ſich einheit- licher, wie der Staatswille überhaupt. So gut aber in dem letztern vermöge der Selbſtändigkeit des vollziehenden Willens ein Gegenſatz zwiſchen Geſetz und Verordnung entſtehen und zum Klagrecht führen kann, ſo gut erſcheint auch der Wille der erſtern in der Wirklichkeit als ein vielfacher, indem die einzelnen Organe ihn in ſich reproduciren, und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0145"n="121"/>
dem erſten hinzuzufügen. Hat derſelbe das Recht nicht einmal bei der<lb/><hirendition="#aq">querela denegatae justitiae,</hi>ſo hat er es gewiß noch weniger hier.<lb/>
Ihm bleibt nichts übrig, als eine Klage zu führen, und es iſt dann<lb/>
Sache der Gewalten, welche die Verantwortlichkeit verwirklichen, das<lb/>
Recht gegen die Verwaltung zu ſchützen. Vermag die es auch nicht, ſo<lb/>
iſt das eben ein öffentliches Unglück, das aber dadurch nicht beſſer<lb/>
wird, wenn das Individuum ein zweites hinzufügt, indem es ſich durch<lb/>
Weigerung des Gehorſams ſelbſt Recht verſchafft. Die Entwicklung der<lb/>
Grundſätze des öffentlichen Rechts ſetzen ja eben einen Rechtszuſtand<lb/>
voraus; der Grundſatz der Verweigerung des Gehorſams durch den<lb/>
Einzelnen würde ihn auch hier vernichten. Nicht in ihm, ſondern im<lb/>
organiſchen Zuſammenwirken der Gewalten muß hier daher Abhülfe ge-<lb/>ſucht werden.</p><lb/><p>Dieß ſind nun die Grundſätze für das öffentliche Klagrecht. Andere<lb/>
Regeln treten für das Beſchwerderecht ein.</p><lb/><p>Wir müſſen in Betreff der bisherigen Auffaſſung aller dieſer Fragen,<lb/>
namentlich in Betreff der Adminiſtrativ- und Juſtizſachen, auf die Darſtellung<lb/>
am Ende des Beſchwerderechts verweiſen, die ſich beide nicht trennen laſſen.<lb/>
Ebenſo muß die ganze Frage nach den Competenzverhältniſſen definitiv hier<lb/>
fern gehalten werden; wir müſſen nothwendig vorausſetzen, daß eben Geſetz<lb/>
und Verordnung ſchon klar geſchieden vorliegen. Ohne das iſt das Klag- und<lb/>
Beſchwerderecht durchaus nicht klar darzuſtellen.</p></div><lb/><divn="6"><head>3) <hirendition="#g">Das Beſchwerderecht und das Geſuchsrecht</hi>.</head><lb/><p>Ein von dem adminiſtrativen Klagrecht ganz weſentlich verſchiedenes<lb/>
Gebiet betreten wir nun mit dem Begriff und Inhalt der <hirendition="#g">Beſchwerde</hi>.<lb/>
Eine Darſtellung des Weſens und Rechts der Beſchwerde iſt uns außer-<lb/>
halb der bürgerlichen Rechtspflege nicht bekannt. Wir müſſen daher<lb/>
auf die Sache genauer eingehen.</p><lb/><p>Während nämlich die Klage dadurch, und <hirendition="#g">nur</hi> dadurch entſteht,<lb/>
daß ein Willensakt der vollziehenden Gewalt mit einem poſitiven Ge-<lb/>ſetze in Widerſpruch tritt und in ſeiner Vollziehung das Recht des Ein-<lb/>
zelnen, welches von dieſem Geſetze geſchützt iſt, verletzt, kann ein zweites<lb/>
Verhältniß <hirendition="#g">innerhalb</hi> der Vollziehung auftreten, welches gleichfalls<lb/>
zu einem Widerſpruch in der wirklichen Verwaltung führt.</p><lb/><p>An ſich iſt der Wille der vollziehenden Gewalt ein in ſich einheit-<lb/>
licher, wie der Staatswille überhaupt. So gut aber in dem letztern<lb/>
vermöge der Selbſtändigkeit des vollziehenden Willens ein Gegenſatz<lb/>
zwiſchen Geſetz und Verordnung entſtehen und zum Klagrecht führen<lb/>
kann, ſo gut erſcheint auch der Wille der erſtern in der Wirklichkeit als<lb/>
ein vielfacher, indem die einzelnen Organe ihn in ſich reproduciren, und<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[121/0145]
dem erſten hinzuzufügen. Hat derſelbe das Recht nicht einmal bei der
querela denegatae justitiae, ſo hat er es gewiß noch weniger hier.
Ihm bleibt nichts übrig, als eine Klage zu führen, und es iſt dann
Sache der Gewalten, welche die Verantwortlichkeit verwirklichen, das
Recht gegen die Verwaltung zu ſchützen. Vermag die es auch nicht, ſo
iſt das eben ein öffentliches Unglück, das aber dadurch nicht beſſer
wird, wenn das Individuum ein zweites hinzufügt, indem es ſich durch
Weigerung des Gehorſams ſelbſt Recht verſchafft. Die Entwicklung der
Grundſätze des öffentlichen Rechts ſetzen ja eben einen Rechtszuſtand
voraus; der Grundſatz der Verweigerung des Gehorſams durch den
Einzelnen würde ihn auch hier vernichten. Nicht in ihm, ſondern im
organiſchen Zuſammenwirken der Gewalten muß hier daher Abhülfe ge-
ſucht werden.
Dieß ſind nun die Grundſätze für das öffentliche Klagrecht. Andere
Regeln treten für das Beſchwerderecht ein.
Wir müſſen in Betreff der bisherigen Auffaſſung aller dieſer Fragen,
namentlich in Betreff der Adminiſtrativ- und Juſtizſachen, auf die Darſtellung
am Ende des Beſchwerderechts verweiſen, die ſich beide nicht trennen laſſen.
Ebenſo muß die ganze Frage nach den Competenzverhältniſſen definitiv hier
fern gehalten werden; wir müſſen nothwendig vorausſetzen, daß eben Geſetz
und Verordnung ſchon klar geſchieden vorliegen. Ohne das iſt das Klag- und
Beſchwerderecht durchaus nicht klar darzuſtellen.
3) Das Beſchwerderecht und das Geſuchsrecht.
Ein von dem adminiſtrativen Klagrecht ganz weſentlich verſchiedenes
Gebiet betreten wir nun mit dem Begriff und Inhalt der Beſchwerde.
Eine Darſtellung des Weſens und Rechts der Beſchwerde iſt uns außer-
halb der bürgerlichen Rechtspflege nicht bekannt. Wir müſſen daher
auf die Sache genauer eingehen.
Während nämlich die Klage dadurch, und nur dadurch entſteht,
daß ein Willensakt der vollziehenden Gewalt mit einem poſitiven Ge-
ſetze in Widerſpruch tritt und in ſeiner Vollziehung das Recht des Ein-
zelnen, welches von dieſem Geſetze geſchützt iſt, verletzt, kann ein zweites
Verhältniß innerhalb der Vollziehung auftreten, welches gleichfalls
zu einem Widerſpruch in der wirklichen Verwaltung führt.
An ſich iſt der Wille der vollziehenden Gewalt ein in ſich einheit-
licher, wie der Staatswille überhaupt. So gut aber in dem letztern
vermöge der Selbſtändigkeit des vollziehenden Willens ein Gegenſatz
zwiſchen Geſetz und Verordnung entſtehen und zum Klagrecht führen
kann, ſo gut erſcheint auch der Wille der erſtern in der Wirklichkeit als
ein vielfacher, indem die einzelnen Organe ihn in ſich reproduciren, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/145>, abgerufen am 15.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.