Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

20. Okt. 1858 und 16. Okt. 1861. (Austria 1864, Nr. 49.) -- Königreich
Sachsen, Verordnung vom 1. Okt. 1864. (Listen von den Behörden, Zählung
durch die Gemeinden.)

B. Die administrative Ordnung der Bevölkerung.
Begriff und Wesen.

Die administrative Ordnung der Bevölkerung beruht darauf, daß
die Constatirung einerseits der Angehörigkeit des Einzelnen an seinen
Staat und die Organe seiner Verwaltung, andererseits der Identität
der Persönlichkeit überhaupt in dem Grade mehr eine Bedingung für
die Entwicklung des Gesammtlebens wird, je mehr der Verkehr die
Einzelnen durcheinander wirft. Es ist klar, daß beide Bedingungen
von dem Einzelnen als solchem nicht erfüllt werden können. So wie
daher die Staatsthätigkeit und zugleich die Bewegung der Bevölkerung
wechseln, wird es nothwendig, dafür objektive gültige Bestimmungen
zu treffen. Und die Gesammtheit dieser Bestimmungen für die Staats-
angehörigkeit im weitesten Sinne, so wie für die öffentlich rechtliche
Constatirung der Identität des Einzelnen bilden die administrative
Ordnung der Bevölkerung.

Es leuchtet ein, daß es gar keinen Zustand eines Volkes geben
kann, in welchem nicht wenigstens bis zu einem gewissen Grade die
Elemente dieser Ordnung vorhanden wären. Allein eine systematische
Entwicklung kann erst dann eintreten, wenn einerseits der Staat sich
in Gesetzgebung und Verwaltung zu einem durchgearbeiteten Organis-
mus gestaltet, und andererseits die Schranken zwischen den Völkern im
Ganzen, und den einzelnen Orten innerhalb der Staaten gebrochen
werden. Alsdann aber muß diese Angehörigkeit auch als eine große,
auf jedes Lebensverhältniß sich beziehende Ordnung aufgefaßt werden.
Dabei nun ist es der naturgemäße Gang der Entwicklung, daß im
Anfange desselben diese Ordnung eine unfreie ist, das heißt, daß der
Staat die Aenderung der gegebenen Verhältnisse nicht von dem Ein-
zelnen, sondern von seiner Erlaubniß abhängig macht. Erst mit dem
neunzehnten Jahrhundert tritt auch hier die staatsbürgerliche Freiheit
ein, und das Rechtsprincip derselben wird der Satz, daß der Staat
diese Ordnung nur in so weit fordert, als sie im Gesammtinteresse
nothwendig ist, während da, wo es sich bloß um Einzelinteressen han-
delt, der Einzelne sich selbst überlassen bleibt. Von diesem Gesichts-
punkte aus hat sich das folgende System praktisch gebildet und ist zum
öffentlichen Recht geworden.

20. Okt. 1858 und 16. Okt. 1861. (Auſtria 1864, Nr. 49.) — Königreich
Sachſen, Verordnung vom 1. Okt. 1864. (Liſten von den Behörden, Zählung
durch die Gemeinden.)

B. Die adminiſtrative Ordnung der Bevölkerung.
Begriff und Weſen.

Die adminiſtrative Ordnung der Bevölkerung beruht darauf, daß
die Conſtatirung einerſeits der Angehörigkeit des Einzelnen an ſeinen
Staat und die Organe ſeiner Verwaltung, andererſeits der Identität
der Perſönlichkeit überhaupt in dem Grade mehr eine Bedingung für
die Entwicklung des Geſammtlebens wird, je mehr der Verkehr die
Einzelnen durcheinander wirft. Es iſt klar, daß beide Bedingungen
von dem Einzelnen als ſolchem nicht erfüllt werden können. So wie
daher die Staatsthätigkeit und zugleich die Bewegung der Bevölkerung
wechſeln, wird es nothwendig, dafür objektive gültige Beſtimmungen
zu treffen. Und die Geſammtheit dieſer Beſtimmungen für die Staats-
angehörigkeit im weiteſten Sinne, ſo wie für die öffentlich rechtliche
Conſtatirung der Identität des Einzelnen bilden die adminiſtrative
Ordnung der Bevölkerung.

Es leuchtet ein, daß es gar keinen Zuſtand eines Volkes geben
kann, in welchem nicht wenigſtens bis zu einem gewiſſen Grade die
Elemente dieſer Ordnung vorhanden wären. Allein eine ſyſtematiſche
Entwicklung kann erſt dann eintreten, wenn einerſeits der Staat ſich
in Geſetzgebung und Verwaltung zu einem durchgearbeiteten Organis-
mus geſtaltet, und andererſeits die Schranken zwiſchen den Völkern im
Ganzen, und den einzelnen Orten innerhalb der Staaten gebrochen
werden. Alsdann aber muß dieſe Angehörigkeit auch als eine große,
auf jedes Lebensverhältniß ſich beziehende Ordnung aufgefaßt werden.
Dabei nun iſt es der naturgemäße Gang der Entwicklung, daß im
Anfange deſſelben dieſe Ordnung eine unfreie iſt, das heißt, daß der
Staat die Aenderung der gegebenen Verhältniſſe nicht von dem Ein-
zelnen, ſondern von ſeiner Erlaubniß abhängig macht. Erſt mit dem
neunzehnten Jahrhundert tritt auch hier die ſtaatsbürgerliche Freiheit
ein, und das Rechtsprincip derſelben wird der Satz, daß der Staat
dieſe Ordnung nur in ſo weit fordert, als ſie im Geſammtintereſſe
nothwendig iſt, während da, wo es ſich bloß um Einzelintereſſen han-
delt, der Einzelne ſich ſelbſt überlaſſen bleibt. Von dieſem Geſichts-
punkte aus hat ſich das folgende Syſtem praktiſch gebildet und iſt zum
öffentlichen Recht geworden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0087" n="63"/>
20. Okt. 1858 und 16. Okt. 1861. (<hi rendition="#g">Au&#x017F;tria</hi> 1864, Nr. 49.) &#x2014; Königreich<lb/><hi rendition="#g">Sach&#x017F;en</hi>, Verordnung vom 1. Okt. 1864. (Li&#x017F;ten von den Behörden, Zählung<lb/>
durch die Gemeinden.)</p>
                </div>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">B.</hi> Die admini&#x017F;trative Ordnung der Bevölkerung.</hi><lb/>
Begriff und We&#x017F;en.</head><lb/>
                <p>Die admini&#x017F;trative Ordnung der Bevölkerung beruht darauf, daß<lb/>
die Con&#x017F;tatirung einer&#x017F;eits der Angehörigkeit des Einzelnen an &#x017F;einen<lb/>
Staat und die Organe &#x017F;einer Verwaltung, anderer&#x017F;eits der Identität<lb/>
der Per&#x017F;önlichkeit überhaupt in dem Grade mehr eine Bedingung für<lb/>
die Entwicklung des Ge&#x017F;ammtlebens wird, je mehr der Verkehr die<lb/>
Einzelnen durcheinander wirft. Es i&#x017F;t klar, daß beide Bedingungen<lb/>
von dem Einzelnen als &#x017F;olchem nicht erfüllt werden können. So wie<lb/>
daher die Staatsthätigkeit und zugleich die Bewegung der Bevölkerung<lb/>
wech&#x017F;eln, wird es nothwendig, dafür objektive gültige Be&#x017F;timmungen<lb/>
zu treffen. Und die Ge&#x017F;ammtheit die&#x017F;er Be&#x017F;timmungen für die Staats-<lb/>
angehörigkeit im weite&#x017F;ten Sinne, &#x017F;o wie für die öffentlich rechtliche<lb/>
Con&#x017F;tatirung der Identität des Einzelnen bilden die admini&#x017F;trative<lb/>
Ordnung der Bevölkerung.</p><lb/>
                <p>Es leuchtet ein, daß es gar keinen Zu&#x017F;tand eines Volkes geben<lb/>
kann, in welchem nicht wenig&#x017F;tens bis zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grade die<lb/>
Elemente die&#x017F;er Ordnung vorhanden wären. Allein eine &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che<lb/>
Entwicklung kann er&#x017F;t dann eintreten, wenn einer&#x017F;eits der Staat &#x017F;ich<lb/>
in Ge&#x017F;etzgebung und Verwaltung zu einem durchgearbeiteten Organis-<lb/>
mus ge&#x017F;taltet, und anderer&#x017F;eits die Schranken zwi&#x017F;chen den Völkern im<lb/>
Ganzen, und den einzelnen Orten innerhalb der Staaten gebrochen<lb/>
werden. Alsdann aber muß die&#x017F;e Angehörigkeit auch als eine große,<lb/>
auf <hi rendition="#g">jedes</hi> Lebensverhältniß &#x017F;ich beziehende Ordnung aufgefaßt werden.<lb/>
Dabei nun i&#x017F;t es der naturgemäße Gang der Entwicklung, daß im<lb/>
Anfange de&#x017F;&#x017F;elben die&#x017F;e Ordnung eine <hi rendition="#g">unfreie</hi> i&#x017F;t, das heißt, daß der<lb/>
Staat die Aenderung der gegebenen Verhältni&#x017F;&#x017F;e nicht von dem Ein-<lb/>
zelnen, &#x017F;ondern von &#x017F;einer Erlaubniß abhängig macht. Er&#x017F;t mit dem<lb/>
neunzehnten Jahrhundert tritt auch hier die &#x017F;taatsbürgerliche Freiheit<lb/>
ein, und das Rechtsprincip der&#x017F;elben wird der Satz, daß der Staat<lb/>
die&#x017F;e Ordnung nur in &#x017F;o weit <hi rendition="#g">fordert</hi>, als &#x017F;ie im Ge&#x017F;ammtintere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
nothwendig i&#x017F;t, während da, wo es &#x017F;ich bloß um Einzelintere&#x017F;&#x017F;en han-<lb/>
delt, der Einzelne &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überla&#x017F;&#x017F;en bleibt. Von die&#x017F;em Ge&#x017F;ichts-<lb/>
punkte aus hat &#x017F;ich das folgende Sy&#x017F;tem prakti&#x017F;ch gebildet und i&#x017F;t zum<lb/>
öffentlichen Recht geworden.</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0087] 20. Okt. 1858 und 16. Okt. 1861. (Auſtria 1864, Nr. 49.) — Königreich Sachſen, Verordnung vom 1. Okt. 1864. (Liſten von den Behörden, Zählung durch die Gemeinden.) B. Die adminiſtrative Ordnung der Bevölkerung. Begriff und Weſen. Die adminiſtrative Ordnung der Bevölkerung beruht darauf, daß die Conſtatirung einerſeits der Angehörigkeit des Einzelnen an ſeinen Staat und die Organe ſeiner Verwaltung, andererſeits der Identität der Perſönlichkeit überhaupt in dem Grade mehr eine Bedingung für die Entwicklung des Geſammtlebens wird, je mehr der Verkehr die Einzelnen durcheinander wirft. Es iſt klar, daß beide Bedingungen von dem Einzelnen als ſolchem nicht erfüllt werden können. So wie daher die Staatsthätigkeit und zugleich die Bewegung der Bevölkerung wechſeln, wird es nothwendig, dafür objektive gültige Beſtimmungen zu treffen. Und die Geſammtheit dieſer Beſtimmungen für die Staats- angehörigkeit im weiteſten Sinne, ſo wie für die öffentlich rechtliche Conſtatirung der Identität des Einzelnen bilden die adminiſtrative Ordnung der Bevölkerung. Es leuchtet ein, daß es gar keinen Zuſtand eines Volkes geben kann, in welchem nicht wenigſtens bis zu einem gewiſſen Grade die Elemente dieſer Ordnung vorhanden wären. Allein eine ſyſtematiſche Entwicklung kann erſt dann eintreten, wenn einerſeits der Staat ſich in Geſetzgebung und Verwaltung zu einem durchgearbeiteten Organis- mus geſtaltet, und andererſeits die Schranken zwiſchen den Völkern im Ganzen, und den einzelnen Orten innerhalb der Staaten gebrochen werden. Alsdann aber muß dieſe Angehörigkeit auch als eine große, auf jedes Lebensverhältniß ſich beziehende Ordnung aufgefaßt werden. Dabei nun iſt es der naturgemäße Gang der Entwicklung, daß im Anfange deſſelben dieſe Ordnung eine unfreie iſt, das heißt, daß der Staat die Aenderung der gegebenen Verhältniſſe nicht von dem Ein- zelnen, ſondern von ſeiner Erlaubniß abhängig macht. Erſt mit dem neunzehnten Jahrhundert tritt auch hier die ſtaatsbürgerliche Freiheit ein, und das Rechtsprincip derſelben wird der Satz, daß der Staat dieſe Ordnung nur in ſo weit fordert, als ſie im Geſammtintereſſe nothwendig iſt, während da, wo es ſich bloß um Einzelintereſſen han- delt, der Einzelne ſich ſelbſt überlaſſen bleibt. Von dieſem Geſichts- punkte aus hat ſich das folgende Syſtem praktiſch gebildet und iſt zum öffentlichen Recht geworden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/87
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/87>, abgerufen am 23.11.2024.