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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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dadurch, daß die Organe dieser Selbstverwaltungskörper aus der Wahl
ihrer Angehörigen hervorgehen, und daß die so gewählten Vertreter
das Recht haben, den Willen der Körper zu bestimmen, und das
Recht, diesen Willen auszuführen. Die Ordnung des ersteren bildet
demgemäß ihre Verfassung, die Ordnung des zweiten ihre Verwaltung.
Ihre persönliche Einheit aber wird nach außen durch ihr Oberhaupt
vertreten, das gleichfalls aus der Wahl derselben hervorgehen soll.
Es ist aber natürlich, daß diese allgemeinen Grundsätze je nach der
Natur der Selbstverwaltungskörper eine vielfach verschiedene Gestalt
annehmen.

Die Vertretungen zunächst heißen da, wo sie von dem freien Willen
und den Interessen der Einzelnen ausgehen, um über die Aufgabe
der Vollziehung Wünsche und Forderungen auszusprechen, Gesuche
und Petitionen
; da wo die Ansichten einzelner Fachmänner von
der Regierung veranlaßt werden, Gutachten; wo sich alle Betheilig-
ten auf Veranlassung der Regierung aussprechen, Vernehmungen
(Enquetes). Wo dagegen dauernde Körper auf Grundlage der Wahl zu
diesem Zweck gebildet werden, entstehen die Räthe für die Aufgaben
der Verwaltung überhaupt, die Kammern für bestimmte Aufgaben
der Volkswirthschaftspflege. In den höheren Stadien der Selbstver-
waltung gehen die ersteren in amtliche Stellungen, letztere in die freien
Vereine über. Die strenge administrative Organisirung herrscht im
System der Conseils in Frankreich, die freiere in den Associations
in England; in Deutschland wirken noch beide neben einander.

Die Selbstverwaltung im eigentlichen Sinne hat drei, in sich und
ihren Funktionen und Rechten sehr verschiedene Körper.

Die Landschaft ist die, auf der historischen Staatenbildung be-
ruhende, Land und Stamm in ihrer Besonderheit umfassende Selbst-
verwaltung. Ihre wesentliche Bedeutung beruht darauf, daß sie die
Selbstverwaltung da am kräftigsten vertritt, wo sie am meisten gefährdet
wird, in streng administrativ centralisirten Staaten. Sie hat daher
in den verschiedenen Zeiten und Ländern ein sehr verschiedenes Schicksal
in Europa gehabt. Ihre dauernde Heimath scheint Mitteleuropa zu
sein. Ihre Organisation ist unter allen Organen der freien Verwal-
tung fast allein fähig, die Elemente der Geschlechter- und ständischen
Ordnung dauernd zu erhalten. Eben deßhalb wird ihre Competenz sich
mit der Entwicklung der staatsbürgerlichen Gesellschaft fast von selbst
beschränken.

Die Gemeinde ist die ausgebildete Organisation der örtlichen
Selbstverwaltung. Sie ist daher bestimmt und fähig, die Grundformen
und Organe des Staats für ihr begränztes Gebiet in begränzter Weise

dadurch, daß die Organe dieſer Selbſtverwaltungskörper aus der Wahl
ihrer Angehörigen hervorgehen, und daß die ſo gewählten Vertreter
das Recht haben, den Willen der Körper zu beſtimmen, und das
Recht, dieſen Willen auszuführen. Die Ordnung des erſteren bildet
demgemäß ihre Verfaſſung, die Ordnung des zweiten ihre Verwaltung.
Ihre perſönliche Einheit aber wird nach außen durch ihr Oberhaupt
vertreten, das gleichfalls aus der Wahl derſelben hervorgehen ſoll.
Es iſt aber natürlich, daß dieſe allgemeinen Grundſätze je nach der
Natur der Selbſtverwaltungskörper eine vielfach verſchiedene Geſtalt
annehmen.

Die Vertretungen zunächſt heißen da, wo ſie von dem freien Willen
und den Intereſſen der Einzelnen ausgehen, um über die Aufgabe
der Vollziehung Wünſche und Forderungen auszuſprechen, Geſuche
und Petitionen
; da wo die Anſichten einzelner Fachmänner von
der Regierung veranlaßt werden, Gutachten; wo ſich alle Betheilig-
ten auf Veranlaſſung der Regierung ausſprechen, Vernehmungen
(Enquêtes). Wo dagegen dauernde Körper auf Grundlage der Wahl zu
dieſem Zweck gebildet werden, entſtehen die Räthe für die Aufgaben
der Verwaltung überhaupt, die Kammern für beſtimmte Aufgaben
der Volkswirthſchaftspflege. In den höheren Stadien der Selbſtver-
waltung gehen die erſteren in amtliche Stellungen, letztere in die freien
Vereine über. Die ſtrenge adminiſtrative Organiſirung herrſcht im
Syſtem der Conseils in Frankreich, die freiere in den Associations
in England; in Deutſchland wirken noch beide neben einander.

Die Selbſtverwaltung im eigentlichen Sinne hat drei, in ſich und
ihren Funktionen und Rechten ſehr verſchiedene Körper.

Die Landſchaft iſt die, auf der hiſtoriſchen Staatenbildung be-
ruhende, Land und Stamm in ihrer Beſonderheit umfaſſende Selbſt-
verwaltung. Ihre weſentliche Bedeutung beruht darauf, daß ſie die
Selbſtverwaltung da am kräftigſten vertritt, wo ſie am meiſten gefährdet
wird, in ſtreng adminiſtrativ centraliſirten Staaten. Sie hat daher
in den verſchiedenen Zeiten und Ländern ein ſehr verſchiedenes Schickſal
in Europa gehabt. Ihre dauernde Heimath ſcheint Mitteleuropa zu
ſein. Ihre Organiſation iſt unter allen Organen der freien Verwal-
tung faſt allein fähig, die Elemente der Geſchlechter- und ſtändiſchen
Ordnung dauernd zu erhalten. Eben deßhalb wird ihre Competenz ſich
mit der Entwicklung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft faſt von ſelbſt
beſchränken.

Die Gemeinde iſt die ausgebildete Organiſation der örtlichen
Selbſtverwaltung. Sie iſt daher beſtimmt und fähig, die Grundformen
und Organe des Staats für ihr begränztes Gebiet in begränzter Weiſe

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[26/0050] dadurch, daß die Organe dieſer Selbſtverwaltungskörper aus der Wahl ihrer Angehörigen hervorgehen, und daß die ſo gewählten Vertreter das Recht haben, den Willen der Körper zu beſtimmen, und das Recht, dieſen Willen auszuführen. Die Ordnung des erſteren bildet demgemäß ihre Verfaſſung, die Ordnung des zweiten ihre Verwaltung. Ihre perſönliche Einheit aber wird nach außen durch ihr Oberhaupt vertreten, das gleichfalls aus der Wahl derſelben hervorgehen ſoll. Es iſt aber natürlich, daß dieſe allgemeinen Grundſätze je nach der Natur der Selbſtverwaltungskörper eine vielfach verſchiedene Geſtalt annehmen. Die Vertretungen zunächſt heißen da, wo ſie von dem freien Willen und den Intereſſen der Einzelnen ausgehen, um über die Aufgabe der Vollziehung Wünſche und Forderungen auszuſprechen, Geſuche und Petitionen; da wo die Anſichten einzelner Fachmänner von der Regierung veranlaßt werden, Gutachten; wo ſich alle Betheilig- ten auf Veranlaſſung der Regierung ausſprechen, Vernehmungen (Enquêtes). Wo dagegen dauernde Körper auf Grundlage der Wahl zu dieſem Zweck gebildet werden, entſtehen die Räthe für die Aufgaben der Verwaltung überhaupt, die Kammern für beſtimmte Aufgaben der Volkswirthſchaftspflege. In den höheren Stadien der Selbſtver- waltung gehen die erſteren in amtliche Stellungen, letztere in die freien Vereine über. Die ſtrenge adminiſtrative Organiſirung herrſcht im Syſtem der Conseils in Frankreich, die freiere in den Associations in England; in Deutſchland wirken noch beide neben einander. Die Selbſtverwaltung im eigentlichen Sinne hat drei, in ſich und ihren Funktionen und Rechten ſehr verſchiedene Körper. Die Landſchaft iſt die, auf der hiſtoriſchen Staatenbildung be- ruhende, Land und Stamm in ihrer Beſonderheit umfaſſende Selbſt- verwaltung. Ihre weſentliche Bedeutung beruht darauf, daß ſie die Selbſtverwaltung da am kräftigſten vertritt, wo ſie am meiſten gefährdet wird, in ſtreng adminiſtrativ centraliſirten Staaten. Sie hat daher in den verſchiedenen Zeiten und Ländern ein ſehr verſchiedenes Schickſal in Europa gehabt. Ihre dauernde Heimath ſcheint Mitteleuropa zu ſein. Ihre Organiſation iſt unter allen Organen der freien Verwal- tung faſt allein fähig, die Elemente der Geſchlechter- und ſtändiſchen Ordnung dauernd zu erhalten. Eben deßhalb wird ihre Competenz ſich mit der Entwicklung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft faſt von ſelbſt beſchränken. Die Gemeinde iſt die ausgebildete Organiſation der örtlichen Selbſtverwaltung. Sie iſt daher beſtimmt und fähig, die Grundformen und Organe des Staats für ihr begränztes Gebiet in begränzter Weiſe

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/50>, abgerufen am 24.11.2024.