Gemeindebeschlüsse; und wo sie wesentlich auf eine Gemeinde beschränkt sind, unter Oberaufsicht derselben.
Die Entwicklung und freie Bewegung dieses formalen Systems der Organisation beruht nun auf drei Punkten.
Zuerst auf der Bildung von Verwaltungsgemeinden aus den Ortsgemeinden für das Armenwesen, die stets da eintreten muß, wo die Armenanstalten für eine Gemeinde zu groß werden. Es ist eine wesentliche Aufgabe sowohl der Regierung als der Landschaft, diese Bildung auf jede Weise zu fördern und zu ordnen, namentlich da, wo die Armen arbeit in die Armenpflege systematisch aufgenommen wird. In dieser Beziehung ist England das Muster, dem bis jetzt nur Preußen seit 1842 nachgefolgt ist.
Zweitens soll die innere Ausbildung des Armenwesens nicht mehr wie bisher bloß auf der Literatur und dem Zufalle der indivi- duellen Theilnahme an der Armenfrage beruhen, sondern es soll jeder Armenkörper verpflichtet sein, durch jährliche Berichte sowohl statistisch als rationell auf die Natur der Armenhülfe im Allgemeinen und die Bedürfnisse der örtlichen Verhältnisse einzugehen. Die Landschaftskörper sollen darüber wachen, daß das regelmäßig geschehe, und aus dem jährlichen Gesammtbericht eine regelmäßige Landschaftsangelegenheit machen. Daran fehlt es bis jetzt am meisten, und daher liegt bis jetzt der Schwerpunkt des Bewußtseins über die Armenfrage mehr in der Literatur als in der Verwaltung selbst.
Das dritte und wichtigste Gebiet ist nun das System, nach welchem diese Verwaltungskörper der Armuth ihre Mittel zur Unterstützung gewinnen. Dieses System zerfällt in drei Theile:
1) Die zufälligen Beihülfen. Diese bestehen wieder zuerst aus solchen, die von Individuen ausgehen und daher durchaus unregelmäßig sind, wie Schenkungen und Vermächtnisse. Zweitens aber erscheinen sie als Organisation des Almosenwesens, und zwar in den beiden Instituten des Klingbeutelwesens und der Sammlungen. Beide haben die Aufgabe, die Mängel, welche in dem rein zufälligen Almosengeben, dessen Nachtheile in dem Grade größer werden, in welchem die Armenpflege sich systematisch ausbildet, aufzuheben, ohne das freie individuelle Element der Unterstützung zu beseitigen. Daher werden beide gesetzlich geordnet; Princip: Ord- nung des Klingbeutelwesens durch die Kirchenvorstände und Bewilli- gung der Sammlungen für einzelne Fälle von der Gemeinde. Es sollte keine Sammlung gestattet werden, ohne öffentliche Rechenschafts- ablage.
2) Das eigene Vermögen der Armenanstalten, das natürlich
Gemeindebeſchlüſſe; und wo ſie weſentlich auf eine Gemeinde beſchränkt ſind, unter Oberaufſicht derſelben.
Die Entwicklung und freie Bewegung dieſes formalen Syſtems der Organiſation beruht nun auf drei Punkten.
Zuerſt auf der Bildung von Verwaltungsgemeinden aus den Ortsgemeinden für das Armenweſen, die ſtets da eintreten muß, wo die Armenanſtalten für eine Gemeinde zu groß werden. Es iſt eine weſentliche Aufgabe ſowohl der Regierung als der Landſchaft, dieſe Bildung auf jede Weiſe zu fördern und zu ordnen, namentlich da, wo die Armen arbeit in die Armenpflege ſyſtematiſch aufgenommen wird. In dieſer Beziehung iſt England das Muſter, dem bis jetzt nur Preußen ſeit 1842 nachgefolgt iſt.
Zweitens ſoll die innere Ausbildung des Armenweſens nicht mehr wie bisher bloß auf der Literatur und dem Zufalle der indivi- duellen Theilnahme an der Armenfrage beruhen, ſondern es ſoll jeder Armenkörper verpflichtet ſein, durch jährliche Berichte ſowohl ſtatiſtiſch als rationell auf die Natur der Armenhülfe im Allgemeinen und die Bedürfniſſe der örtlichen Verhältniſſe einzugehen. Die Landſchaftskörper ſollen darüber wachen, daß das regelmäßig geſchehe, und aus dem jährlichen Geſammtbericht eine regelmäßige Landſchaftsangelegenheit machen. Daran fehlt es bis jetzt am meiſten, und daher liegt bis jetzt der Schwerpunkt des Bewußtſeins über die Armenfrage mehr in der Literatur als in der Verwaltung ſelbſt.
Das dritte und wichtigſte Gebiet iſt nun das Syſtem, nach welchem dieſe Verwaltungskörper der Armuth ihre Mittel zur Unterſtützung gewinnen. Dieſes Syſtem zerfällt in drei Theile:
1) Die zufälligen Beihülfen. Dieſe beſtehen wieder zuerſt aus ſolchen, die von Individuen ausgehen und daher durchaus unregelmäßig ſind, wie Schenkungen und Vermächtniſſe. Zweitens aber erſcheinen ſie als Organiſation des Almoſenweſens, und zwar in den beiden Inſtituten des Klingbeutelweſens und der Sammlungen. Beide haben die Aufgabe, die Mängel, welche in dem rein zufälligen Almoſengeben, deſſen Nachtheile in dem Grade größer werden, in welchem die Armenpflege ſich ſyſtematiſch ausbildet, aufzuheben, ohne das freie individuelle Element der Unterſtützung zu beſeitigen. Daher werden beide geſetzlich geordnet; Princip: Ord- nung des Klingbeutelweſens durch die Kirchenvorſtände und Bewilli- gung der Sammlungen für einzelne Fälle von der Gemeinde. Es ſollte keine Sammlung geſtattet werden, ohne öffentliche Rechenſchafts- ablage.
2) Das eigene Vermögen der Armenanſtalten, das natürlich
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Gemeindebeſchlüſſe; und wo ſie weſentlich auf eine Gemeinde beſchränkt
ſind, unter Oberaufſicht derſelben.
Die Entwicklung und freie Bewegung dieſes formalen Syſtems
der Organiſation beruht nun auf drei Punkten.
Zuerſt auf der Bildung von Verwaltungsgemeinden aus den
Ortsgemeinden für das Armenweſen, die ſtets da eintreten muß, wo
die Armenanſtalten für eine Gemeinde zu groß werden. Es iſt eine
weſentliche Aufgabe ſowohl der Regierung als der Landſchaft, dieſe
Bildung auf jede Weiſe zu fördern und zu ordnen, namentlich da, wo
die Armen arbeit in die Armenpflege ſyſtematiſch aufgenommen wird.
In dieſer Beziehung iſt England das Muſter, dem bis jetzt nur Preußen
ſeit 1842 nachgefolgt iſt.
Zweitens ſoll die innere Ausbildung des Armenweſens nicht
mehr wie bisher bloß auf der Literatur und dem Zufalle der indivi-
duellen Theilnahme an der Armenfrage beruhen, ſondern es ſoll jeder
Armenkörper verpflichtet ſein, durch jährliche Berichte ſowohl ſtatiſtiſch
als rationell auf die Natur der Armenhülfe im Allgemeinen und die
Bedürfniſſe der örtlichen Verhältniſſe einzugehen. Die Landſchaftskörper
ſollen darüber wachen, daß das regelmäßig geſchehe, und aus dem
jährlichen Geſammtbericht eine regelmäßige Landſchaftsangelegenheit
machen. Daran fehlt es bis jetzt am meiſten, und daher liegt bis
jetzt der Schwerpunkt des Bewußtſeins über die Armenfrage mehr in
der Literatur als in der Verwaltung ſelbſt.
Das dritte und wichtigſte Gebiet iſt nun das Syſtem, nach
welchem dieſe Verwaltungskörper der Armuth ihre Mittel zur
Unterſtützung gewinnen. Dieſes Syſtem zerfällt in drei Theile:
1) Die zufälligen Beihülfen. Dieſe beſtehen wieder zuerſt
aus ſolchen, die von Individuen ausgehen und daher durchaus
unregelmäßig ſind, wie Schenkungen und Vermächtniſſe. Zweitens
aber erſcheinen ſie als Organiſation des Almoſenweſens, und
zwar in den beiden Inſtituten des Klingbeutelweſens und der
Sammlungen. Beide haben die Aufgabe, die Mängel, welche in
dem rein zufälligen Almoſengeben, deſſen Nachtheile in dem Grade
größer werden, in welchem die Armenpflege ſich ſyſtematiſch ausbildet,
aufzuheben, ohne das freie individuelle Element der Unterſtützung zu
beſeitigen. Daher werden beide geſetzlich geordnet; Princip: Ord-
nung des Klingbeutelweſens durch die Kirchenvorſtände und Bewilli-
gung der Sammlungen für einzelne Fälle von der Gemeinde. Es
ſollte keine Sammlung geſtattet werden, ohne öffentliche Rechenſchafts-
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2) Das eigene Vermögen der Armenanſtalten, das natürlich
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/451>, abgerufen am 16.07.2024.
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