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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Fähigkeit beruht, die Werth- und Preisdifferenzen der Güter an ver-
schiedenen Orten zu berechnen. Der Handel beruht daher vor allem
auf persönlichem Capital, auf persönlicher Thätigkeit und Bildung.
Dasjenige, dessen diese Elemente bedürfen, ist vor allem die Möglichkeit
ihrer vollen freien Bethätigung im wirthschaftlichen Leben eines Volkes.
Die wahren und letzten Bedingungen der Entwicklung des Handels
sind daher nicht einzelne, noch so großartige Maßregeln der Verwal-
tung, sondern Bildung und Freiheit. Mit ihnen entsteht er, und
mit ihnen geht er unter. Sein wahres Lebensgebiet liegt daher in
den Elementen der Verwaltung überhaupt, speciell in denen der all-
gemeinen Volkswirthschaftspflege. Nur auf einzelnen, ganz bestimmten
Punkten fordert er besondere Ordnungen und Anstalten, die ihm eigen-
thümlich gehören. Und von diesem Princip aus wird sowohl die Ge-
schichte des Handels als das System des öffentlichen Rechts desselben
auf jedem Punkte beherrscht.

Der Begriff des Handels ist in der Wissenschaft eben so unbestimmt, wie
die Vorstellung von demselben bestimmt zu sein scheint. Aufgabe, den Handel
zuerst von dem allgemeinen Begriff des Verkehrs zu scheiden, dann Handel
und Industrie streng getrennt zu behandeln. Das erste ist die absolute Be-
dingung für die richtige Auffassung des Verkehrs- und Vertragsrechts, welches
rein bürgerliches Recht ist, und des eigentlichen Handelsrechts, welches das
durch das Wesen des Handels im Sinne des Gesammtinteresses modificirte
Vertragsrecht enthält. Das zweite ist die Bedingung für eine selbständige Be-
handlung des Handels in der Verwaltungslehre. Es ist der Hauptmangel der
Handelsgesetzbücher seit dem Code de Com., Handel und Verkehr nicht ge-
schieden zu haben; es gibt kaum eine unvollkommenere Definition des Handels
als die des "Handelsgeschäfts" im Handelsgesetzbuch. Das "Handelsgeschäft"
ist das Geschäft (der einzelne Verkehrsakt) nicht eines Wiederverkäufers, sondern
einer Firma; ohne diesen Begriff ist hier nicht weiter zu kommen. Es ist un-
glücklich, wenn andere den allgemeinen Begriff des "Gewerbes" an die Spitze
stellen; namentlich wenn man nicht klar festhält, daß der Handel keine Güter,
sondern Werth producirt. Uebrigens gibt es wohl kaum einen Begriff in der
ganzen Nationalökonomie, der so verschieden behandelt wurde, wie der des
Handels; man vergl. z. B. die Volkswirthschaftslehren von Lotz und Kraus
an bis auf Glaser, Dietzel, Schulze, Maurus, Dühring und neben
Roscher Stein. Hier ist offenbar völlige Unsicherheit in der Hauptsache.
Rau hat den Handel in der Volkswirthschaftspflege ausführlich behandelt, Mohl
in der Polizeiwissenschaft gar nicht.

Elemente der Geschichte.

Der Verkehr unter den Menschen ist natürlich so alt wie die Welt.
Der Handel aber beginnt innerhalb des Verkehrs da, wo die Völker sich

Fähigkeit beruht, die Werth- und Preisdifferenzen der Güter an ver-
ſchiedenen Orten zu berechnen. Der Handel beruht daher vor allem
auf perſönlichem Capital, auf perſönlicher Thätigkeit und Bildung.
Dasjenige, deſſen dieſe Elemente bedürfen, iſt vor allem die Möglichkeit
ihrer vollen freien Bethätigung im wirthſchaftlichen Leben eines Volkes.
Die wahren und letzten Bedingungen der Entwicklung des Handels
ſind daher nicht einzelne, noch ſo großartige Maßregeln der Verwal-
tung, ſondern Bildung und Freiheit. Mit ihnen entſteht er, und
mit ihnen geht er unter. Sein wahres Lebensgebiet liegt daher in
den Elementen der Verwaltung überhaupt, ſpeciell in denen der all-
gemeinen Volkswirthſchaftspflege. Nur auf einzelnen, ganz beſtimmten
Punkten fordert er beſondere Ordnungen und Anſtalten, die ihm eigen-
thümlich gehören. Und von dieſem Princip aus wird ſowohl die Ge-
ſchichte des Handels als das Syſtem des öffentlichen Rechts deſſelben
auf jedem Punkte beherrſcht.

Der Begriff des Handels iſt in der Wiſſenſchaft eben ſo unbeſtimmt, wie
die Vorſtellung von demſelben beſtimmt zu ſein ſcheint. Aufgabe, den Handel
zuerſt von dem allgemeinen Begriff des Verkehrs zu ſcheiden, dann Handel
und Induſtrie ſtreng getrennt zu behandeln. Das erſte iſt die abſolute Be-
dingung für die richtige Auffaſſung des Verkehrs- und Vertragsrechts, welches
rein bürgerliches Recht iſt, und des eigentlichen Handelsrechts, welches das
durch das Weſen des Handels im Sinne des Geſammtintereſſes modificirte
Vertragsrecht enthält. Das zweite iſt die Bedingung für eine ſelbſtändige Be-
handlung des Handels in der Verwaltungslehre. Es iſt der Hauptmangel der
Handelsgeſetzbücher ſeit dem Code de Com., Handel und Verkehr nicht ge-
ſchieden zu haben; es gibt kaum eine unvollkommenere Definition des Handels
als die des „Handelsgeſchäfts“ im Handelsgeſetzbuch. Das „Handelsgeſchäft“
iſt das Geſchäft (der einzelne Verkehrsakt) nicht eines Wiederverkäufers, ſondern
einer Firma; ohne dieſen Begriff iſt hier nicht weiter zu kommen. Es iſt un-
glücklich, wenn andere den allgemeinen Begriff des „Gewerbes“ an die Spitze
ſtellen; namentlich wenn man nicht klar feſthält, daß der Handel keine Güter,
ſondern Werth producirt. Uebrigens gibt es wohl kaum einen Begriff in der
ganzen Nationalökonomie, der ſo verſchieden behandelt wurde, wie der des
Handels; man vergl. z. B. die Volkswirthſchaftslehren von Lotz und Kraus
an bis auf Glaſer, Dietzel, Schulze, Maurus, Dühring und neben
Roſcher Stein. Hier iſt offenbar völlige Unſicherheit in der Hauptſache.
Rau hat den Handel in der Volkswirthſchaftspflege ausführlich behandelt, Mohl
in der Polizeiwiſſenſchaft gar nicht.

Elemente der Geſchichte.

Der Verkehr unter den Menſchen iſt natürlich ſo alt wie die Welt.
Der Handel aber beginnt innerhalb des Verkehrs da, wo die Völker ſich

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[364/0388] Fähigkeit beruht, die Werth- und Preisdifferenzen der Güter an ver- ſchiedenen Orten zu berechnen. Der Handel beruht daher vor allem auf perſönlichem Capital, auf perſönlicher Thätigkeit und Bildung. Dasjenige, deſſen dieſe Elemente bedürfen, iſt vor allem die Möglichkeit ihrer vollen freien Bethätigung im wirthſchaftlichen Leben eines Volkes. Die wahren und letzten Bedingungen der Entwicklung des Handels ſind daher nicht einzelne, noch ſo großartige Maßregeln der Verwal- tung, ſondern Bildung und Freiheit. Mit ihnen entſteht er, und mit ihnen geht er unter. Sein wahres Lebensgebiet liegt daher in den Elementen der Verwaltung überhaupt, ſpeciell in denen der all- gemeinen Volkswirthſchaftspflege. Nur auf einzelnen, ganz beſtimmten Punkten fordert er beſondere Ordnungen und Anſtalten, die ihm eigen- thümlich gehören. Und von dieſem Princip aus wird ſowohl die Ge- ſchichte des Handels als das Syſtem des öffentlichen Rechts deſſelben auf jedem Punkte beherrſcht. Der Begriff des Handels iſt in der Wiſſenſchaft eben ſo unbeſtimmt, wie die Vorſtellung von demſelben beſtimmt zu ſein ſcheint. Aufgabe, den Handel zuerſt von dem allgemeinen Begriff des Verkehrs zu ſcheiden, dann Handel und Induſtrie ſtreng getrennt zu behandeln. Das erſte iſt die abſolute Be- dingung für die richtige Auffaſſung des Verkehrs- und Vertragsrechts, welches rein bürgerliches Recht iſt, und des eigentlichen Handelsrechts, welches das durch das Weſen des Handels im Sinne des Geſammtintereſſes modificirte Vertragsrecht enthält. Das zweite iſt die Bedingung für eine ſelbſtändige Be- handlung des Handels in der Verwaltungslehre. Es iſt der Hauptmangel der Handelsgeſetzbücher ſeit dem Code de Com., Handel und Verkehr nicht ge- ſchieden zu haben; es gibt kaum eine unvollkommenere Definition des Handels als die des „Handelsgeſchäfts“ im Handelsgeſetzbuch. Das „Handelsgeſchäft“ iſt das Geſchäft (der einzelne Verkehrsakt) nicht eines Wiederverkäufers, ſondern einer Firma; ohne dieſen Begriff iſt hier nicht weiter zu kommen. Es iſt un- glücklich, wenn andere den allgemeinen Begriff des „Gewerbes“ an die Spitze ſtellen; namentlich wenn man nicht klar feſthält, daß der Handel keine Güter, ſondern Werth producirt. Uebrigens gibt es wohl kaum einen Begriff in der ganzen Nationalökonomie, der ſo verſchieden behandelt wurde, wie der des Handels; man vergl. z. B. die Volkswirthſchaftslehren von Lotz und Kraus an bis auf Glaſer, Dietzel, Schulze, Maurus, Dühring und neben Roſcher Stein. Hier iſt offenbar völlige Unſicherheit in der Hauptſache. Rau hat den Handel in der Volkswirthſchaftspflege ausführlich behandelt, Mohl in der Polizeiwiſſenſchaft gar nicht. Elemente der Geſchichte. Der Verkehr unter den Menſchen iſt natürlich ſo alt wie die Welt. Der Handel aber beginnt innerhalb des Verkehrs da, wo die Völker ſich

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/388>, abgerufen am 22.11.2024.