Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.je geringer ist die Thätigkeit der Behörde. Die Frage nach der Er- Die Selbstverwaltung erscheint in den Gewerbekammern, die Das Vereinswesen entwickelt sich in dem Grade, in welchem England hat weder eigene Gewerbebehörden noch Gewerberäthe, noch je geringer iſt die Thätigkeit der Behörde. Die Frage nach der Er- Die Selbſtverwaltung erſcheint in den Gewerbekammern, die Das Vereinsweſen entwickelt ſich in dem Grade, in welchem England hat weder eigene Gewerbebehörden noch Gewerberäthe, noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0369" n="345"/> je geringer iſt die Thätigkeit der Behörde. Die Frage nach der Er-<lb/> richtung beſonderer Gewerb<hi rendition="#g">egerichte</hi> muß durchaus verneint werden.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Selbſtverwaltung</hi> erſcheint in den Gewerbekammern, die<lb/> meiſt mit den Handelskammern verbunden ſind, und die Vertretung<lb/> der Gewerbe übernehmen.</p><lb/> <p>Das <hi rendition="#g">Vereinsweſen</hi> entwickelt ſich in dem Grade, in welchem<lb/> die Gewerbe freier werden, als der eigentliche Träger der Gewerbe-<lb/> verwaltung. Es <hi rendition="#g">beginnt</hi> mit dem vergeblichen Verſuch der preußiſchen<lb/> Gewerbeordnung, die alten Zünfte zu Gewerbevereinen umzugeſtalten;<lb/> derſelbe Gedanke ſetzt ſich fort in den <hi rendition="#g">Genoſſenſchaften</hi> der öſter-<lb/> reichiſchen Gewerbeordnung; aber erſt da, wo die Gewerbetreibenden<lb/><hi rendition="#g">ſelbſt</hi> aus freiem Antrieb Vereine bilden, entwickelt es ſeine Bedeutung.<lb/> Die ſpeciell auf die Gewerbe berechneten Hülfs- und Bildungsvereine<lb/> gehen in allgemeine Vereine auf; dagegen entſtehen die gewerblichen<lb/><hi rendition="#g">Unternehmungsvereine</hi>, meiſt als Verkaufsgeſellſchaften u. ſ. w.<lb/> und von großer Bedeutung die gewerblichen Intereſſenvereine, die<lb/> eigentlich ſog. <hi rendition="#g">Gewerbevereine</hi>, welche mit der Verbreitung höherer<lb/> gewerblicher Bildung das Verſtändniß der wahren Intereſſen der Ge-<lb/> werbe verbinden, und dadurch höchſt wohlthätig wirken.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">England</hi> hat weder eigene Gewerbebehörden noch Gewerberäthe, noch<lb/> Gewerbegerichte. 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Febr. 1849; <hi rendition="#g">Rönne</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 294;<lb/> vergl. <hi rendition="#g">Rau</hi>, Volkswirthſchaftspflege <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 198); Gewerb<hi rendition="#g">eräthe</hi> in Preußen<lb/> als Gewerbekammern fakultativ (Geſetz vom 9. Febr. 1849); Bauräthe in Baden<lb/> (<hi rendition="#g">Dietz</hi>, Gewerbe S. 229). Handelskammern ſeit 1808; Gewerbeſchulräthe ebend.<lb/> S. 242 f. — <hi rendition="#g">Bayern</hi>: Gewerbekammer (Verordnung vom 27. Jan. 1850;<lb/><hi rendition="#g">Pözl</hi>, Verwaltungsrecht S. 337). — In <hi rendition="#g">Oeſterreich</hi> mit den Handelskammern<lb/> als ſelbſtändige Sektion verbunden (<hi rendition="#g">Stubenrauch</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 514). Neue Handels-<lb/> kammerordnung von 1868. Ueber die Genoſſenſchaften der öſterreich. 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je geringer iſt die Thätigkeit der Behörde. Die Frage nach der Er-
richtung beſonderer Gewerbegerichte muß durchaus verneint werden.
Die Selbſtverwaltung erſcheint in den Gewerbekammern, die
meiſt mit den Handelskammern verbunden ſind, und die Vertretung
der Gewerbe übernehmen.
Das Vereinsweſen entwickelt ſich in dem Grade, in welchem
die Gewerbe freier werden, als der eigentliche Träger der Gewerbe-
verwaltung. Es beginnt mit dem vergeblichen Verſuch der preußiſchen
Gewerbeordnung, die alten Zünfte zu Gewerbevereinen umzugeſtalten;
derſelbe Gedanke ſetzt ſich fort in den Genoſſenſchaften der öſter-
reichiſchen Gewerbeordnung; aber erſt da, wo die Gewerbetreibenden
ſelbſt aus freiem Antrieb Vereine bilden, entwickelt es ſeine Bedeutung.
Die ſpeciell auf die Gewerbe berechneten Hülfs- und Bildungsvereine
gehen in allgemeine Vereine auf; dagegen entſtehen die gewerblichen
Unternehmungsvereine, meiſt als Verkaufsgeſellſchaften u. ſ. w.
und von großer Bedeutung die gewerblichen Intereſſenvereine, die
eigentlich ſog. Gewerbevereine, welche mit der Verbreitung höherer
gewerblicher Bildung das Verſtändniß der wahren Intereſſen der Ge-
werbe verbinden, und dadurch höchſt wohlthätig wirken.
England hat weder eigene Gewerbebehörden noch Gewerberäthe, noch
Gewerbegerichte. Das Gericht iſt der Friedensrichter (Gneiſt, Engl. Ver-
faſſung I. 312; Verwaltung I. §. 38). — Frankreich hat die Gewerbe nicht
ſpeciell in ſein Syſtem der Conseils aufgenommen (Stein, Selbſtverwaltung
S. 118 f.), wohl aber ſind ſie in den Chambres de Commerce vertreten. Da-
gegen iſt das Conseil des prudhommes (Geſetz vom 18. März 1806) als Ge-
werbegericht der Urſprung der „Gewerbegerichte“ namentlich in Deutſchland.
(Meißner, Fabriksgerichte 1856); die Hauptaufgabe dieſer Conseils liegt je-
doch nicht im Gebiete der Gewerbe, ſondern der Induſtrie. — Preußen:
Art. 91 der Verfaſſung (Verordnung vom 9. Febr. 1849; Rönne II. §. 294;
vergl. Rau, Volkswirthſchaftspflege II. §. 198); Gewerberäthe in Preußen
als Gewerbekammern fakultativ (Geſetz vom 9. Febr. 1849); Bauräthe in Baden
(Dietz, Gewerbe S. 229). Handelskammern ſeit 1808; Gewerbeſchulräthe ebend.
S. 242 f. — Bayern: Gewerbekammer (Verordnung vom 27. Jan. 1850;
Pözl, Verwaltungsrecht S. 337). — In Oeſterreich mit den Handelskammern
als ſelbſtändige Sektion verbunden (Stubenrauch II. §. 514). Neue Handels-
kammerordnung von 1868. Ueber die Genoſſenſchaften der öſterreich. Gewerbe-
geſetze ſ. Stubenrauch II. §. 500. — Preußen ſeit 1849 (Rönne II. §. 395).
— Oeſterreich: Stubenrauch, Vereinsweſen S. 216 ff. Das Gewerbe-
geſetz hat die Gewerbegenoſſenſchaften fakultativ mit Gerichtsbarkeit über Streitig-
keiten zwiſchen Meiſter und Hülfsperſonal ins Leben rufen wollen, Hauptſt. VII.
und §. 102, ohne rechten Erfolg. — Baden: zweiundzwanzig Vereine (Dietz
a. a. O. Bayern: Pözl, Verwaltungsrecht §. 160).
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