seine dritte ist das Auftreten der "Manufaktur," in der sich mit dem vorigen Jahrhundert die Industrie (noch ohne Maschinen, aber schon im Großbetrieb) vom Gewerbe ablöst; seine vierte sind die "Bestätigun- gen" der "Privilegien," welche die historische Selbständigkeit der aus- schließlichen Berechtigungen allmälig auflösen; zugleich beginnt mit dem achtzehnten Jahrhundert die physiokratische und die Smith'sche Schule theoretisch den Gedanken der Arbeitsfreiheit zu vertreten, bis die fran- zösische Revolution den Anstoß zu der dritten Epoche der eigentlichen Gewerbefreiheit gibt.
Diese dritte Epoche beruht nun in ihrer Rechtsbildung einerseits allerdings auf der Gleichheit des staatsbürgerlichen Rechts für alle, andererseits aber auch auf der wirthschaftlichen Unmöglichkeit, die historisch feste Gränze der einzelnen Gewerbe faktisch oder rechtlich fest- zuhalten. Die Beschränkung des Gewerbes wird damit ein immer härterer Widerspruch mit dem neuen Leben der Volkswirthschaft, dem nur noch Begriff und Recht der Gewerbefreiheit genügen. Die- selbe hat nun neben ihrer unbedingten französischen und englischen Anerkennung in Deutschland wieder ihre eigene Geschichte. Sie beginnt mit der preußischen Gewerbefreiheit, deren Grundgedanke wir als die polizeiliche bezeichnen. Ihr Princip ist die völlige Unabhängig- keit des Gewerbes von den bisherigen Zunftbeschränkungen, dagegen die polizeiliche, fast alle Gewerbe umfassende Genehmigung, die in der Form von Prüfungen, resp. Verboten durch die Behörde auftritt. Das war ein großer Fortschritt vor dem übrigen Deutsch- land, das bis auf unsere Zeit noch immer seine Zünfte und ihre Privilegien, die Realgewerbe und Bannrechte des Mittelalters nicht los werden konnte. Die Bewegung von 1848 erschütterte freilich auch hier das bisherige System, aber den entscheidenden Schritt that doch erst Oesterreich in seiner Gewerbeordnung von 1859, welche die volle Freiheit des Gewerbebetriebes zuerst durchführte. An das Bei- spiel Oesterreichs schloßen sich alsbald die meisten übrigen Staaten an, und es ist zu hoffen, daß auch Preußen dieser allein berechtigten Rich- tung Raum geben werde.
Erst dadurch ist nun die Frage praktisch geworden, ob es neben dem positiven Gewerberecht in den gesetzlichen Gewerbeordnungen noch eine Verwaltung des Gewerbewesens geben könne. Und diese nun enthält folgende wesentlichen Grundlagen, die in ihren Hauptformen dem Landwirthschaftswesen analog sind.
In Deutschland beginnt der Kampf des Staats mit der Zunftordnung bereits mit dem Reichsabschied von 1558; Gerstlacher, Handbuch IX. (1722) und X. (1996) (Reichsgesetze mit Anmerkungen). Das Hauptgesetz ist der Reichs-
ſeine dritte iſt das Auftreten der „Manufaktur,“ in der ſich mit dem vorigen Jahrhundert die Induſtrie (noch ohne Maſchinen, aber ſchon im Großbetrieb) vom Gewerbe ablöſt; ſeine vierte ſind die „Beſtätigun- gen“ der „Privilegien,“ welche die hiſtoriſche Selbſtändigkeit der aus- ſchließlichen Berechtigungen allmälig auflöſen; zugleich beginnt mit dem achtzehnten Jahrhundert die phyſiokratiſche und die Smith’ſche Schule theoretiſch den Gedanken der Arbeitsfreiheit zu vertreten, bis die fran- zöſiſche Revolution den Anſtoß zu der dritten Epoche der eigentlichen Gewerbefreiheit gibt.
Dieſe dritte Epoche beruht nun in ihrer Rechtsbildung einerſeits allerdings auf der Gleichheit des ſtaatsbürgerlichen Rechts für alle, andererſeits aber auch auf der wirthſchaftlichen Unmöglichkeit, die hiſtoriſch feſte Gränze der einzelnen Gewerbe faktiſch oder rechtlich feſt- zuhalten. Die Beſchränkung des Gewerbes wird damit ein immer härterer Widerſpruch mit dem neuen Leben der Volkswirthſchaft, dem nur noch Begriff und Recht der Gewerbefreiheit genügen. Die- ſelbe hat nun neben ihrer unbedingten franzöſiſchen und engliſchen Anerkennung in Deutſchland wieder ihre eigene Geſchichte. Sie beginnt mit der preußiſchen Gewerbefreiheit, deren Grundgedanke wir als die polizeiliche bezeichnen. Ihr Princip iſt die völlige Unabhängig- keit des Gewerbes von den bisherigen Zunftbeſchränkungen, dagegen die polizeiliche, faſt alle Gewerbe umfaſſende Genehmigung, die in der Form von Prüfungen, reſp. Verboten durch die Behörde auftritt. Das war ein großer Fortſchritt vor dem übrigen Deutſch- land, das bis auf unſere Zeit noch immer ſeine Zünfte und ihre Privilegien, die Realgewerbe und Bannrechte des Mittelalters nicht los werden konnte. Die Bewegung von 1848 erſchütterte freilich auch hier das bisherige Syſtem, aber den entſcheidenden Schritt that doch erſt Oeſterreich in ſeiner Gewerbeordnung von 1859, welche die volle Freiheit des Gewerbebetriebes zuerſt durchführte. An das Bei- ſpiel Oeſterreichs ſchloßen ſich alsbald die meiſten übrigen Staaten an, und es iſt zu hoffen, daß auch Preußen dieſer allein berechtigten Rich- tung Raum geben werde.
Erſt dadurch iſt nun die Frage praktiſch geworden, ob es neben dem poſitiven Gewerberecht in den geſetzlichen Gewerbeordnungen noch eine Verwaltung des Gewerbeweſens geben könne. Und dieſe nun enthält folgende weſentlichen Grundlagen, die in ihren Hauptformen dem Landwirthſchaftsweſen analog ſind.
In Deutſchland beginnt der Kampf des Staats mit der Zunftordnung bereits mit dem Reichsabſchied von 1558; Gerſtlacher, Handbuch IX. (1722) und X. (1996) (Reichsgeſetze mit Anmerkungen). Das Hauptgeſetz iſt der Reichs-
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im Großbetrieb) vom Gewerbe ablöſt; ſeine vierte ſind die „Beſtätigun-
gen“ der „Privilegien,“ welche die hiſtoriſche Selbſtändigkeit der aus-
ſchließlichen Berechtigungen allmälig auflöſen; zugleich beginnt mit dem
achtzehnten Jahrhundert die phyſiokratiſche und die Smith’ſche Schule
theoretiſch den Gedanken der Arbeitsfreiheit zu vertreten, bis die fran-
zöſiſche Revolution den Anſtoß zu der dritten Epoche der eigentlichen
Gewerbefreiheit gibt.
Dieſe dritte Epoche beruht nun in ihrer Rechtsbildung einerſeits
allerdings auf der Gleichheit des ſtaatsbürgerlichen Rechts für alle,
andererſeits aber auch auf der wirthſchaftlichen Unmöglichkeit, die
hiſtoriſch feſte Gränze der einzelnen Gewerbe faktiſch oder rechtlich feſt-
zuhalten. Die Beſchränkung des Gewerbes wird damit ein immer
härterer Widerſpruch mit dem neuen Leben der Volkswirthſchaft, dem
nur noch Begriff und Recht der Gewerbefreiheit genügen. Die-
ſelbe hat nun neben ihrer unbedingten franzöſiſchen und engliſchen
Anerkennung in Deutſchland wieder ihre eigene Geſchichte. Sie beginnt
mit der preußiſchen Gewerbefreiheit, deren Grundgedanke wir als
die polizeiliche bezeichnen. Ihr Princip iſt die völlige Unabhängig-
keit des Gewerbes von den bisherigen Zunftbeſchränkungen, dagegen
die polizeiliche, faſt alle Gewerbe umfaſſende Genehmigung, die
in der Form von Prüfungen, reſp. Verboten durch die Behörde
auftritt. Das war ein großer Fortſchritt vor dem übrigen Deutſch-
land, das bis auf unſere Zeit noch immer ſeine Zünfte und ihre
Privilegien, die Realgewerbe und Bannrechte des Mittelalters nicht
los werden konnte. Die Bewegung von 1848 erſchütterte freilich auch
hier das bisherige Syſtem, aber den entſcheidenden Schritt that doch
erſt Oeſterreich in ſeiner Gewerbeordnung von 1859, welche die
volle Freiheit des Gewerbebetriebes zuerſt durchführte. An das Bei-
ſpiel Oeſterreichs ſchloßen ſich alsbald die meiſten übrigen Staaten an,
und es iſt zu hoffen, daß auch Preußen dieſer allein berechtigten Rich-
tung Raum geben werde.
Erſt dadurch iſt nun die Frage praktiſch geworden, ob es neben
dem poſitiven Gewerberecht in den geſetzlichen Gewerbeordnungen noch
eine Verwaltung des Gewerbeweſens geben könne. Und dieſe nun
enthält folgende weſentlichen Grundlagen, die in ihren Hauptformen
dem Landwirthſchaftsweſen analog ſind.
In Deutſchland beginnt der Kampf des Staats mit der Zunftordnung
bereits mit dem Reichsabſchied von 1558; Gerſtlacher, Handbuch IX. (1722)
und X. (1996) (Reichsgeſetze mit Anmerkungen). Das Hauptgeſetz iſt der Reichs-
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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