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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Volkswirthschaftspflege in ihrer Anwendung auf die Landwirthschaft
empfangen. Dieselben sind an sich sehr einfach, ihre Verwirklichung
aber fordert große Fachkenntniß, und in ihr besteht jetzt eigent-
lich der Inhalt
der Volkswirthschaftspflege unserer Epoche. Die
betreffenden Gebiete sind die Verkehrsfreiheit des Grundes und Bodens,
der Schutz der Produktion, das Communikationswesen für die erzeugten
Produkte, und das Creditwesen für die landwirthschaftlichen Unter-
nehmungen, welche sie erzeugen.

a) Die rechtliche Verkehrsfreiheit des Grundes und Bodens ist die
freie Theilbarkeit. Das Recht der Theilbarkeit hat zwei Epochen.
In der ersten erscheint es als einfacher Ausdruck der wirthschaftlichen
Befreiung des Grundbesitzes von der ständischen Herrschaft, und ist
eben deßhalb der freieren Richtung überhaupt nicht zweifelhaft. In der
zweiten tritt die Frage nach der Zweckmäßigkeit derselben auf,
welcher die Vorstellung von der einerseits wirthschaftlichen und anderer-
seits gesellschaftlichen Gefahr zum Grunde liegt, die mit der Zerstücke-
lung in zu kleine Theile und der Anhäufung zu großer Grundbesitze
verbunden ist. Der Streit darüber kommt weder auf Grundlage stati-
stischer Thatsachen noch theoretischer Erwägungen zu einem festen Re-
sultat, obwohl er seit einem halben Jahrhundert auf das lebhafteste
geführt wird, da immer neue Thatsachen bisher anerkannte wissenschaft-
liche Principien wieder zweifelhaft machen. Es wird daher klar, daß
ein definitives Resultat innerhalb der Gränze der bloßen Zweckmäßig-
keit oder Gefahr überhaupt nicht gefunden werden kann. Der einzig
richtige Standpunkt ist der, der über beiden steht. Zerstückelung und
Zusammenlegung sind an und für sich weder gut noch schlecht; Verbote
der Theilung des Gutes können die Theilung des Werthes durch Hy-
potheken doch nicht aufhalten, so wenig wie man gesetzlich die Bildung
von Latifundien hindern kann; und was man nicht thun kann, soll
man nicht thun wollen. In der That ist jeder Rechtssatz, der den
freien Verkehr hindert, nicht ein Ausdruck nationalökonomischer Auf-
fassungen, sondern der Rest der Geschlechterordnung im Recht
des Grundbesitzes, und die freie Theilbarkeit die rechtliche Geltung der
staatsbürgerlichen Gesellschaft und ihrer Principien auch auf diesem
Gebiet. Und darum ist ihr Sieg unvermeidlich, und der Kampf da-
gegen nutzlos. Denn jede freie Bewegung ist heilsam, so lange die
persönliche wirthschaftliche Tüchtigkeit nicht darunter leidet. Beschrän-
kungen derselben sind nicht bloß immer volkswirthschaftlich bedenklich,
sondern stets die Unmündigkeitserklärung des Standes der Landwirthe,
und die ist an und für sich schlimmer, als alle Folgen der Zerstücke-
lung. Die Latifundienbildung aber ist nie bedenklich, so lange die

Volkswirthſchaftspflege in ihrer Anwendung auf die Landwirthſchaft
empfangen. Dieſelben ſind an ſich ſehr einfach, ihre Verwirklichung
aber fordert große Fachkenntniß, und in ihr beſteht jetzt eigent-
lich der Inhalt
der Volkswirthſchaftspflege unſerer Epoche. Die
betreffenden Gebiete ſind die Verkehrsfreiheit des Grundes und Bodens,
der Schutz der Produktion, das Communikationsweſen für die erzeugten
Produkte, und das Creditweſen für die landwirthſchaftlichen Unter-
nehmungen, welche ſie erzeugen.

a) Die rechtliche Verkehrsfreiheit des Grundes und Bodens iſt die
freie Theilbarkeit. Das Recht der Theilbarkeit hat zwei Epochen.
In der erſten erſcheint es als einfacher Ausdruck der wirthſchaftlichen
Befreiung des Grundbeſitzes von der ſtändiſchen Herrſchaft, und iſt
eben deßhalb der freieren Richtung überhaupt nicht zweifelhaft. In der
zweiten tritt die Frage nach der Zweckmäßigkeit derſelben auf,
welcher die Vorſtellung von der einerſeits wirthſchaftlichen und anderer-
ſeits geſellſchaftlichen Gefahr zum Grunde liegt, die mit der Zerſtücke-
lung in zu kleine Theile und der Anhäufung zu großer Grundbeſitze
verbunden iſt. Der Streit darüber kommt weder auf Grundlage ſtati-
ſtiſcher Thatſachen noch theoretiſcher Erwägungen zu einem feſten Re-
ſultat, obwohl er ſeit einem halben Jahrhundert auf das lebhafteſte
geführt wird, da immer neue Thatſachen bisher anerkannte wiſſenſchaft-
liche Principien wieder zweifelhaft machen. Es wird daher klar, daß
ein definitives Reſultat innerhalb der Gränze der bloßen Zweckmäßig-
keit oder Gefahr überhaupt nicht gefunden werden kann. Der einzig
richtige Standpunkt iſt der, der über beiden ſteht. Zerſtückelung und
Zuſammenlegung ſind an und für ſich weder gut noch ſchlecht; Verbote
der Theilung des Gutes können die Theilung des Werthes durch Hy-
potheken doch nicht aufhalten, ſo wenig wie man geſetzlich die Bildung
von Latifundien hindern kann; und was man nicht thun kann, ſoll
man nicht thun wollen. In der That iſt jeder Rechtsſatz, der den
freien Verkehr hindert, nicht ein Ausdruck nationalökonomiſcher Auf-
faſſungen, ſondern der Reſt der Geſchlechterordnung im Recht
des Grundbeſitzes, und die freie Theilbarkeit die rechtliche Geltung der
ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft und ihrer Principien auch auf dieſem
Gebiet. Und darum iſt ihr Sieg unvermeidlich, und der Kampf da-
gegen nutzlos. Denn jede freie Bewegung iſt heilſam, ſo lange die
perſönliche wirthſchaftliche Tüchtigkeit nicht darunter leidet. Beſchrän-
kungen derſelben ſind nicht bloß immer volkswirthſchaftlich bedenklich,
ſondern ſtets die Unmündigkeitserklärung des Standes der Landwirthe,
und die iſt an und für ſich ſchlimmer, als alle Folgen der Zerſtücke-
lung. Die Latifundienbildung aber iſt nie bedenklich, ſo lange die

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[334/0358] Volkswirthſchaftspflege in ihrer Anwendung auf die Landwirthſchaft empfangen. Dieſelben ſind an ſich ſehr einfach, ihre Verwirklichung aber fordert große Fachkenntniß, und in ihr beſteht jetzt eigent- lich der Inhalt der Volkswirthſchaftspflege unſerer Epoche. Die betreffenden Gebiete ſind die Verkehrsfreiheit des Grundes und Bodens, der Schutz der Produktion, das Communikationsweſen für die erzeugten Produkte, und das Creditweſen für die landwirthſchaftlichen Unter- nehmungen, welche ſie erzeugen. a) Die rechtliche Verkehrsfreiheit des Grundes und Bodens iſt die freie Theilbarkeit. Das Recht der Theilbarkeit hat zwei Epochen. In der erſten erſcheint es als einfacher Ausdruck der wirthſchaftlichen Befreiung des Grundbeſitzes von der ſtändiſchen Herrſchaft, und iſt eben deßhalb der freieren Richtung überhaupt nicht zweifelhaft. In der zweiten tritt die Frage nach der Zweckmäßigkeit derſelben auf, welcher die Vorſtellung von der einerſeits wirthſchaftlichen und anderer- ſeits geſellſchaftlichen Gefahr zum Grunde liegt, die mit der Zerſtücke- lung in zu kleine Theile und der Anhäufung zu großer Grundbeſitze verbunden iſt. Der Streit darüber kommt weder auf Grundlage ſtati- ſtiſcher Thatſachen noch theoretiſcher Erwägungen zu einem feſten Re- ſultat, obwohl er ſeit einem halben Jahrhundert auf das lebhafteſte geführt wird, da immer neue Thatſachen bisher anerkannte wiſſenſchaft- liche Principien wieder zweifelhaft machen. Es wird daher klar, daß ein definitives Reſultat innerhalb der Gränze der bloßen Zweckmäßig- keit oder Gefahr überhaupt nicht gefunden werden kann. Der einzig richtige Standpunkt iſt der, der über beiden ſteht. Zerſtückelung und Zuſammenlegung ſind an und für ſich weder gut noch ſchlecht; Verbote der Theilung des Gutes können die Theilung des Werthes durch Hy- potheken doch nicht aufhalten, ſo wenig wie man geſetzlich die Bildung von Latifundien hindern kann; und was man nicht thun kann, ſoll man nicht thun wollen. In der That iſt jeder Rechtsſatz, der den freien Verkehr hindert, nicht ein Ausdruck nationalökonomiſcher Auf- faſſungen, ſondern der Reſt der Geſchlechterordnung im Recht des Grundbeſitzes, und die freie Theilbarkeit die rechtliche Geltung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft und ihrer Principien auch auf dieſem Gebiet. Und darum iſt ihr Sieg unvermeidlich, und der Kampf da- gegen nutzlos. Denn jede freie Bewegung iſt heilſam, ſo lange die perſönliche wirthſchaftliche Tüchtigkeit nicht darunter leidet. Beſchrän- kungen derſelben ſind nicht bloß immer volkswirthſchaftlich bedenklich, ſondern ſtets die Unmündigkeitserklärung des Standes der Landwirthe, und die iſt an und für ſich ſchlimmer, als alle Folgen der Zerſtücke- lung. Die Latifundienbildung aber iſt nie bedenklich, ſo lange die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/358>, abgerufen am 23.11.2024.