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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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nach mit eigenthümlichen Gefahren für die Arbeit verbunden, welche
im Sonderinteresse der Unternehmer nur zu leicht unberücksichtigt bleiben.
Das Gesammtinteresse fordert daher eine öffentlich rechtliche Ordnung
und Verwaltung dieser Punkte, und die Gesammtheit der darauf be-
züglichen Bestimmungen bildet das Bergwesen.

Das Bergwesen ist daher die öffentlich rechtliche Ordnung des
Bergbaus, durch welche das Sonderinteresse und Recht der einzelnen
Betheiligten dem allgemeinen Interesse untergeordnet wird. Er hat
daher dieselben historischen Bildungsepochen durchgemacht, wie die übri-
gen Gebiete, bis es mit unserer Zeit hier wie immer seine feste Ge-
staltung im Bergrecht empfangen hat.

Die reiche Literatur über das Bergwesen hat drei Richtungen, die tech-
nische, die wirthschaftliche und die juristische, von denen die letztere bei weitem
die entwickeltste ist, da sich in ihr in der That die ganze Lehre vom Bergwesen
in rechtlicher Form zusammenfaßt. Dieselbe begleitet daher auch die Rechts-
bildung, die gerade hier von großem Interesse ist.

Elemente der Geschichte des Bergwesens.

Die Geschlechteordnung kennt noch kein vom Grundbesitz geschie-
denes eigenes Bergrecht. Dasselbe entsteht erst da, wo der Bergbau zu
einer selbständigen Unternehmung wird, und daher die Frage auftritt,
ob das Privateigenthum berechtigt sein solle, ein solches Unternehmen
vom eigenen Grund und Boden auszuschließen. Ein Aufheben dieser
Berechtigung war offenbar für die ganze Volkswirthschaft unabweisbar
nothwendig, aber sie konnte nur vom Oberhaupt verliehen werden.
Diese Verleihung ist die Freierklärung des Bergbaues, welche als
Beginn des öffentlichen Rechts desselben angesehen werden muß (drei-
zehntes Jahrhundert). Aus diesem Entwährungsrecht der Krone fol-
gerte nun die öffentliche Jurisprudenz die Regalität, und zwar mit
ihrem doppelten, bis zu unserem Jahrhundert nicht zum klaren Be-
wußtsein gelangenden Inhalt, das Princip eines Obereigenthums
an den Urprodukten, und dem Princip der Oberaufsicht über den
wirklichen Betrieb. Aus dem ersten ging der Gedanke hervor, daß
das Recht auf den Beginn des Bergbaues einer förmlichen Belehnung
bedürfe, wobei es fraglich war, wer sie zu geben habe, der Kaiser oder
der Landesherr. Aus dem zweiten entsteht der Grundsatz der Bestä-
tigung
der rechtlichen Ordnungen, welche sich durch die Natur des
Bergbaues von selbst gebildet hatten und alle Verhältnisse desselben
umfaßten und ordneten. Das ist der Inhalt der ständischen Epoche
des Bergwesens, in welcher jede solche Unternehmung noch als selb-
ständige Corporation mit eigener corporativer Rechtsbildung auftritt.

nach mit eigenthümlichen Gefahren für die Arbeit verbunden, welche
im Sonderintereſſe der Unternehmer nur zu leicht unberückſichtigt bleiben.
Das Geſammtintereſſe fordert daher eine öffentlich rechtliche Ordnung
und Verwaltung dieſer Punkte, und die Geſammtheit der darauf be-
züglichen Beſtimmungen bildet das Bergweſen.

Das Bergweſen iſt daher die öffentlich rechtliche Ordnung des
Bergbaus, durch welche das Sonderintereſſe und Recht der einzelnen
Betheiligten dem allgemeinen Intereſſe untergeordnet wird. Er hat
daher dieſelben hiſtoriſchen Bildungsepochen durchgemacht, wie die übri-
gen Gebiete, bis es mit unſerer Zeit hier wie immer ſeine feſte Ge-
ſtaltung im Bergrecht empfangen hat.

Die reiche Literatur über das Bergweſen hat drei Richtungen, die tech-
niſche, die wirthſchaftliche und die juriſtiſche, von denen die letztere bei weitem
die entwickeltſte iſt, da ſich in ihr in der That die ganze Lehre vom Bergweſen
in rechtlicher Form zuſammenfaßt. Dieſelbe begleitet daher auch die Rechts-
bildung, die gerade hier von großem Intereſſe iſt.

Elemente der Geſchichte des Bergweſens.

Die Geſchlechteordnung kennt noch kein vom Grundbeſitz geſchie-
denes eigenes Bergrecht. Daſſelbe entſteht erſt da, wo der Bergbau zu
einer ſelbſtändigen Unternehmung wird, und daher die Frage auftritt,
ob das Privateigenthum berechtigt ſein ſolle, ein ſolches Unternehmen
vom eigenen Grund und Boden auszuſchließen. Ein Aufheben dieſer
Berechtigung war offenbar für die ganze Volkswirthſchaft unabweisbar
nothwendig, aber ſie konnte nur vom Oberhaupt verliehen werden.
Dieſe Verleihung iſt die Freierklärung des Bergbaues, welche als
Beginn des öffentlichen Rechts deſſelben angeſehen werden muß (drei-
zehntes Jahrhundert). Aus dieſem Entwährungsrecht der Krone fol-
gerte nun die öffentliche Jurisprudenz die Regalität, und zwar mit
ihrem doppelten, bis zu unſerem Jahrhundert nicht zum klaren Be-
wußtſein gelangenden Inhalt, das Princip eines Obereigenthums
an den Urprodukten, und dem Princip der Oberaufſicht über den
wirklichen Betrieb. Aus dem erſten ging der Gedanke hervor, daß
das Recht auf den Beginn des Bergbaues einer förmlichen Belehnung
bedürfe, wobei es fraglich war, wer ſie zu geben habe, der Kaiſer oder
der Landesherr. Aus dem zweiten entſteht der Grundſatz der Beſtä-
tigung
der rechtlichen Ordnungen, welche ſich durch die Natur des
Bergbaues von ſelbſt gebildet hatten und alle Verhältniſſe deſſelben
umfaßten und ordneten. Das iſt der Inhalt der ſtändiſchen Epoche
des Bergweſens, in welcher jede ſolche Unternehmung noch als ſelb-
ſtändige Corporation mit eigener corporativer Rechtsbildung auftritt.

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[315/0339] nach mit eigenthümlichen Gefahren für die Arbeit verbunden, welche im Sonderintereſſe der Unternehmer nur zu leicht unberückſichtigt bleiben. Das Geſammtintereſſe fordert daher eine öffentlich rechtliche Ordnung und Verwaltung dieſer Punkte, und die Geſammtheit der darauf be- züglichen Beſtimmungen bildet das Bergweſen. Das Bergweſen iſt daher die öffentlich rechtliche Ordnung des Bergbaus, durch welche das Sonderintereſſe und Recht der einzelnen Betheiligten dem allgemeinen Intereſſe untergeordnet wird. Er hat daher dieſelben hiſtoriſchen Bildungsepochen durchgemacht, wie die übri- gen Gebiete, bis es mit unſerer Zeit hier wie immer ſeine feſte Ge- ſtaltung im Bergrecht empfangen hat. Die reiche Literatur über das Bergweſen hat drei Richtungen, die tech- niſche, die wirthſchaftliche und die juriſtiſche, von denen die letztere bei weitem die entwickeltſte iſt, da ſich in ihr in der That die ganze Lehre vom Bergweſen in rechtlicher Form zuſammenfaßt. Dieſelbe begleitet daher auch die Rechts- bildung, die gerade hier von großem Intereſſe iſt. Elemente der Geſchichte des Bergweſens. Die Geſchlechteordnung kennt noch kein vom Grundbeſitz geſchie- denes eigenes Bergrecht. Daſſelbe entſteht erſt da, wo der Bergbau zu einer ſelbſtändigen Unternehmung wird, und daher die Frage auftritt, ob das Privateigenthum berechtigt ſein ſolle, ein ſolches Unternehmen vom eigenen Grund und Boden auszuſchließen. Ein Aufheben dieſer Berechtigung war offenbar für die ganze Volkswirthſchaft unabweisbar nothwendig, aber ſie konnte nur vom Oberhaupt verliehen werden. Dieſe Verleihung iſt die Freierklärung des Bergbaues, welche als Beginn des öffentlichen Rechts deſſelben angeſehen werden muß (drei- zehntes Jahrhundert). Aus dieſem Entwährungsrecht der Krone fol- gerte nun die öffentliche Jurisprudenz die Regalität, und zwar mit ihrem doppelten, bis zu unſerem Jahrhundert nicht zum klaren Be- wußtſein gelangenden Inhalt, das Princip eines Obereigenthums an den Urprodukten, und dem Princip der Oberaufſicht über den wirklichen Betrieb. Aus dem erſten ging der Gedanke hervor, daß das Recht auf den Beginn des Bergbaues einer förmlichen Belehnung bedürfe, wobei es fraglich war, wer ſie zu geben habe, der Kaiſer oder der Landesherr. Aus dem zweiten entſteht der Grundſatz der Beſtä- tigung der rechtlichen Ordnungen, welche ſich durch die Natur des Bergbaues von ſelbſt gebildet hatten und alle Verhältniſſe deſſelben umfaßten und ordneten. Das iſt der Inhalt der ſtändiſchen Epoche des Bergweſens, in welcher jede ſolche Unternehmung noch als ſelb- ſtändige Corporation mit eigener corporativer Rechtsbildung auftritt.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/339>, abgerufen am 22.11.2024.