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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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erworben wird, und deren formale Richtigkeit daher die Voraussetzung
des Credits bildet. Dadurch werden die einzelnen Momente dieses
Verfahrens von entscheidender Bedeutung, und fordern eine eingehende
Erwägung.

Natürlich sind dieselben verschieden, je nachdem bloß ein Schuld-
oder auch ein Besitz- und Lastenbuch vorliegt. Die für alle Momente
gemeinsamen Grundlagen sind das Princip, die Führung, die Haftung
und die Kosten.

A. Das leitende Princip aller Grundbuchsführung muß ein
solches sein, das dem ganzen Verfahren selbst objektive Gewißheit und
Sicherheit gibt; die Grundbuchsakten dürfen demnach nicht einfach von
dem Willen und der Angabe der Parteien abhängen, sondern müssen
durch ein öffentliches Organ anerkannt werden. Dieß aber ist bei allen
Verkehrsakten das Gericht. Das leitende Princip alles Grundbuchs-
verfahrens ist demnach, daß die Gültigkeit jedes Akts einen gericht-
lichen Bescheid als Grundlage fordert
. Die Uebelstände dabei
durch mögliche Verzögerung sind groß, der Werth einer objektiven
Gültigkeit der Erklärungen ist aber für den Credit weit größer, und
die ersten werden durch das Princip der Führung (s. unten) im
Wesentlichen wieder aufgehoben.

Dagegen hat das Gericht nicht über die Natur und Gültigkeit des
den Grundbuchsakten zum Grunde liegenden Geschäfts, sondern nur
über die Dispositionsfähigkeit der Personen und die formale
Gültigkeit des Vertrages zu entscheiden und die Ein- und Austragung
nur aus solchen Gründen zurückzuweisen. Denn die erste macht das
Geschäft selbst ungültig, die zweite dagegen läßt das Recht auf die
Priorität bestehen, wenn die Ungültigkeit zu ändern ist.

B. Die Führung umfaßt im weitern Sinne auch das Verfahren
von Seiten der Betheiligten, im engern nur das des eigentlichen Grund-
buchsorgans. Sie beginnt mit der Einreichung, für welche Tag
und Stunde als Grundlage der Priorität angemerkt werden, darauf
folgt die Eingabe an das Gericht, der Bescheid desselben, und dann
die Eintragung oder Löschung. Die letzteren, als zweite wesent-
liche Aufgabe der Führung, sollen sich auf das Geschäft nicht beziehen,
so wenig wie auf das Recht desselben, sondern nur die Thatsache des
geschehenen Aktes (unter Angabe des erworbenen Rechts) und seinen
Zeitpunkt constatiren, natürlich mit Bezug auf die zum Grunde liegen-
den Akten. Es ist von Wichtigkeit, daß dafür bestimmte Formeln be-
stehen; jede Grundbuchsordnung sollte dieselben genau vorschreiben.
Jeder hat das Recht, eine Bestätigung der geschehenen Akte für sich
zu fordern, ohne Rücksicht auf das Princip der Publicität (Recognitions-

erworben wird, und deren formale Richtigkeit daher die Vorausſetzung
des Credits bildet. Dadurch werden die einzelnen Momente dieſes
Verfahrens von entſcheidender Bedeutung, und fordern eine eingehende
Erwägung.

Natürlich ſind dieſelben verſchieden, je nachdem bloß ein Schuld-
oder auch ein Beſitz- und Laſtenbuch vorliegt. Die für alle Momente
gemeinſamen Grundlagen ſind das Princip, die Führung, die Haftung
und die Koſten.

A. Das leitende Princip aller Grundbuchsführung muß ein
ſolches ſein, das dem ganzen Verfahren ſelbſt objektive Gewißheit und
Sicherheit gibt; die Grundbuchsakten dürfen demnach nicht einfach von
dem Willen und der Angabe der Parteien abhängen, ſondern müſſen
durch ein öffentliches Organ anerkannt werden. Dieß aber iſt bei allen
Verkehrsakten das Gericht. Das leitende Princip alles Grundbuchs-
verfahrens iſt demnach, daß die Gültigkeit jedes Akts einen gericht-
lichen Beſcheid als Grundlage fordert
. Die Uebelſtände dabei
durch mögliche Verzögerung ſind groß, der Werth einer objektiven
Gültigkeit der Erklärungen iſt aber für den Credit weit größer, und
die erſten werden durch das Princip der Führung (ſ. unten) im
Weſentlichen wieder aufgehoben.

Dagegen hat das Gericht nicht über die Natur und Gültigkeit des
den Grundbuchsakten zum Grunde liegenden Geſchäfts, ſondern nur
über die Diſpoſitionsfähigkeit der Perſonen und die formale
Gültigkeit des Vertrages zu entſcheiden und die Ein- und Austragung
nur aus ſolchen Gründen zurückzuweiſen. Denn die erſte macht das
Geſchäft ſelbſt ungültig, die zweite dagegen läßt das Recht auf die
Priorität beſtehen, wenn die Ungültigkeit zu ändern iſt.

B. Die Führung umfaßt im weitern Sinne auch das Verfahren
von Seiten der Betheiligten, im engern nur das des eigentlichen Grund-
buchsorgans. Sie beginnt mit der Einreichung, für welche Tag
und Stunde als Grundlage der Priorität angemerkt werden, darauf
folgt die Eingabe an das Gericht, der Beſcheid deſſelben, und dann
die Eintragung oder Löſchung. Die letzteren, als zweite weſent-
liche Aufgabe der Führung, ſollen ſich auf das Geſchäft nicht beziehen,
ſo wenig wie auf das Recht deſſelben, ſondern nur die Thatſache des
geſchehenen Aktes (unter Angabe des erworbenen Rechts) und ſeinen
Zeitpunkt conſtatiren, natürlich mit Bezug auf die zum Grunde liegen-
den Akten. Es iſt von Wichtigkeit, daß dafür beſtimmte Formeln be-
ſtehen; jede Grundbuchsordnung ſollte dieſelben genau vorſchreiben.
Jeder hat das Recht, eine Beſtätigung der geſchehenen Akte für ſich
zu fordern, ohne Rückſicht auf das Princip der Publicität (Recognitions-

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[270/0294] erworben wird, und deren formale Richtigkeit daher die Vorausſetzung des Credits bildet. Dadurch werden die einzelnen Momente dieſes Verfahrens von entſcheidender Bedeutung, und fordern eine eingehende Erwägung. Natürlich ſind dieſelben verſchieden, je nachdem bloß ein Schuld- oder auch ein Beſitz- und Laſtenbuch vorliegt. Die für alle Momente gemeinſamen Grundlagen ſind das Princip, die Führung, die Haftung und die Koſten. A. Das leitende Princip aller Grundbuchsführung muß ein ſolches ſein, das dem ganzen Verfahren ſelbſt objektive Gewißheit und Sicherheit gibt; die Grundbuchsakten dürfen demnach nicht einfach von dem Willen und der Angabe der Parteien abhängen, ſondern müſſen durch ein öffentliches Organ anerkannt werden. Dieß aber iſt bei allen Verkehrsakten das Gericht. Das leitende Princip alles Grundbuchs- verfahrens iſt demnach, daß die Gültigkeit jedes Akts einen gericht- lichen Beſcheid als Grundlage fordert. Die Uebelſtände dabei durch mögliche Verzögerung ſind groß, der Werth einer objektiven Gültigkeit der Erklärungen iſt aber für den Credit weit größer, und die erſten werden durch das Princip der Führung (ſ. unten) im Weſentlichen wieder aufgehoben. Dagegen hat das Gericht nicht über die Natur und Gültigkeit des den Grundbuchsakten zum Grunde liegenden Geſchäfts, ſondern nur über die Diſpoſitionsfähigkeit der Perſonen und die formale Gültigkeit des Vertrages zu entſcheiden und die Ein- und Austragung nur aus ſolchen Gründen zurückzuweiſen. Denn die erſte macht das Geſchäft ſelbſt ungültig, die zweite dagegen läßt das Recht auf die Priorität beſtehen, wenn die Ungültigkeit zu ändern iſt. B. Die Führung umfaßt im weitern Sinne auch das Verfahren von Seiten der Betheiligten, im engern nur das des eigentlichen Grund- buchsorgans. Sie beginnt mit der Einreichung, für welche Tag und Stunde als Grundlage der Priorität angemerkt werden, darauf folgt die Eingabe an das Gericht, der Beſcheid deſſelben, und dann die Eintragung oder Löſchung. Die letzteren, als zweite weſent- liche Aufgabe der Führung, ſollen ſich auf das Geſchäft nicht beziehen, ſo wenig wie auf das Recht deſſelben, ſondern nur die Thatſache des geſchehenen Aktes (unter Angabe des erworbenen Rechts) und ſeinen Zeitpunkt conſtatiren, natürlich mit Bezug auf die zum Grunde liegen- den Akten. Es iſt von Wichtigkeit, daß dafür beſtimmte Formeln be- ſtehen; jede Grundbuchsordnung ſollte dieſelben genau vorſchreiben. Jeder hat das Recht, eine Beſtätigung der geſchehenen Akte für ſich zu fordern, ohne Rückſicht auf das Princip der Publicität (Recognitions-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/294>, abgerufen am 12.05.2024.