und dasselbe auf der Grundlage einer festen Desinition und eines klaren Principes festzustellen.
Die Fragen über Werth, Einfluß, wirthschaftliche Bedingungen und geistige Bedeutung der Eisenbahnen gehören der Nationalökonomie und Gesellschaftslehre.
Die Frage über Ausdehnung, Linien, Bewegung und Capitals- verwendung gehören der Statistik.
Die Fragen über die Zweckmäßigkeit in Bau und Betrieb im weitesten Sinne gehören der Technik.
Der Verwaltungslehre dagegen gehört das Eisenbahnwesen, insofern dasselbe als eine jener großen organischen Bedingungen be- trachtet wird, welche der Einzelne nicht mehr entbehren, die er aber auch als Einzelner nicht schaffen kann, und die daher durch die Ge- meinschaft hergestellt werden muß. Die Verwaltungslehre hat es daher nur mit demjenigen zu thun, was der Staat für das Eisenbahn- wesen zu leisten und von demselben zu fordern hat. Diese Leistungen und Forderungen des Staats bilden die Eisenbahnverwaltung; die Bestimmungen über Eisenbahnverwaltung, zum geltenden Recht formulirt, bilden das Eisenbahnrecht; und die Gesammtheit aller auf die Eisenbahnen bezüglichen öffentlich rechtlichen Erscheinungen und Thatsachen, in Verbindung mit der statistischen und technischen Ent- wicklung desselben nennen wir das Eisenbahnwesen.
Diese formalen Begriffe sind einfach. Aber die positive Gestal- tung derselben hat einen ganz speciellen Charakter, der seinerseits auf den dem ganzen Bahnwesen eigenthümlichen Elementen desselben beruht.
Die rechtsbildenden Elemente des Eisenbahnwesens.
Es ist kein Zweifel mehr, daß die Auffassung des ganzen Bahn- wesens sich wesentlich in dem letzten Jahrzehnt umgestaltet hat. Als die Bahnen entstanden, erschienen sie vielen als ein Vortheil, manchen als eine Annehmlichkeit, den meisten aber wohl als eine Anstalt von örtlichem Werth und örtlicher Bedeutung. Dieser Standpunkt ist überwunden. Die Eisenbahnen sind als eine volkswirthschaftliche Noth- wendigkeit, als die unabweisbare Bedingung für die wirthschaftliche und selbst geistige Entwicklung der ganzen Gemeinschaft anerkannt. Das ist der Grundgedanke unserer Zeit, der mit jedem Tage sich fester einprägt, und zur allgemeinen Ueberzeugung aller Völker wird.
Ist das der Fall, so sind an sich betrachtet die Eisenbahnen eine Aufgabe der Verwaltung in Herstellung und Betrieb, wie Wege und Postwesen. Dem Princip nach soll der Staat sich selber seine Bahnen bauen und sie selbst verwalten.
Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 14
und daſſelbe auf der Grundlage einer feſten Deſinition und eines klaren Principes feſtzuſtellen.
Die Fragen über Werth, Einfluß, wirthſchaftliche Bedingungen und geiſtige Bedeutung der Eiſenbahnen gehören der Nationalökonomie und Geſellſchaftslehre.
Die Frage über Ausdehnung, Linien, Bewegung und Capitals- verwendung gehören der Statiſtik.
Die Fragen über die Zweckmäßigkeit in Bau und Betrieb im weiteſten Sinne gehören der Technik.
Der Verwaltungslehre dagegen gehört das Eiſenbahnweſen, inſofern daſſelbe als eine jener großen organiſchen Bedingungen be- trachtet wird, welche der Einzelne nicht mehr entbehren, die er aber auch als Einzelner nicht ſchaffen kann, und die daher durch die Ge- meinſchaft hergeſtellt werden muß. Die Verwaltungslehre hat es daher nur mit demjenigen zu thun, was der Staat für das Eiſenbahn- weſen zu leiſten und von demſelben zu fordern hat. Dieſe Leiſtungen und Forderungen des Staats bilden die Eiſenbahnverwaltung; die Beſtimmungen über Eiſenbahnverwaltung, zum geltenden Recht formulirt, bilden das Eiſenbahnrecht; und die Geſammtheit aller auf die Eiſenbahnen bezüglichen öffentlich rechtlichen Erſcheinungen und Thatſachen, in Verbindung mit der ſtatiſtiſchen und techniſchen Ent- wicklung deſſelben nennen wir das Eiſenbahnweſen.
Dieſe formalen Begriffe ſind einfach. Aber die poſitive Geſtal- tung derſelben hat einen ganz ſpeciellen Charakter, der ſeinerſeits auf den dem ganzen Bahnweſen eigenthümlichen Elementen deſſelben beruht.
Die rechtsbildenden Elemente des Eiſenbahnweſens.
Es iſt kein Zweifel mehr, daß die Auffaſſung des ganzen Bahn- weſens ſich weſentlich in dem letzten Jahrzehnt umgeſtaltet hat. Als die Bahnen entſtanden, erſchienen ſie vielen als ein Vortheil, manchen als eine Annehmlichkeit, den meiſten aber wohl als eine Anſtalt von örtlichem Werth und örtlicher Bedeutung. Dieſer Standpunkt iſt überwunden. Die Eiſenbahnen ſind als eine volkswirthſchaftliche Noth- wendigkeit, als die unabweisbare Bedingung für die wirthſchaftliche und ſelbſt geiſtige Entwicklung der ganzen Gemeinſchaft anerkannt. Das iſt der Grundgedanke unſerer Zeit, der mit jedem Tage ſich feſter einprägt, und zur allgemeinen Ueberzeugung aller Völker wird.
Iſt das der Fall, ſo ſind an ſich betrachtet die Eiſenbahnen eine Aufgabe der Verwaltung in Herſtellung und Betrieb, wie Wege und Poſtweſen. Dem Princip nach ſoll der Staat ſich ſelber ſeine Bahnen bauen und ſie ſelbſt verwalten.
Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 14
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und daſſelbe auf der Grundlage einer feſten Deſinition und eines klaren
Principes feſtzuſtellen.
Die Fragen über Werth, Einfluß, wirthſchaftliche Bedingungen
und geiſtige Bedeutung der Eiſenbahnen gehören der Nationalökonomie
und Geſellſchaftslehre.
Die Frage über Ausdehnung, Linien, Bewegung und Capitals-
verwendung gehören der Statiſtik.
Die Fragen über die Zweckmäßigkeit in Bau und Betrieb im
weiteſten Sinne gehören der Technik.
Der Verwaltungslehre dagegen gehört das Eiſenbahnweſen,
inſofern daſſelbe als eine jener großen organiſchen Bedingungen be-
trachtet wird, welche der Einzelne nicht mehr entbehren, die er aber
auch als Einzelner nicht ſchaffen kann, und die daher durch die Ge-
meinſchaft hergeſtellt werden muß. Die Verwaltungslehre hat es daher
nur mit demjenigen zu thun, was der Staat für das Eiſenbahn-
weſen zu leiſten und von demſelben zu fordern hat. Dieſe Leiſtungen
und Forderungen des Staats bilden die Eiſenbahnverwaltung;
die Beſtimmungen über Eiſenbahnverwaltung, zum geltenden Recht
formulirt, bilden das Eiſenbahnrecht; und die Geſammtheit aller
auf die Eiſenbahnen bezüglichen öffentlich rechtlichen Erſcheinungen und
Thatſachen, in Verbindung mit der ſtatiſtiſchen und techniſchen Ent-
wicklung deſſelben nennen wir das Eiſenbahnweſen.
Dieſe formalen Begriffe ſind einfach. Aber die poſitive Geſtal-
tung derſelben hat einen ganz ſpeciellen Charakter, der ſeinerſeits auf
den dem ganzen Bahnweſen eigenthümlichen Elementen deſſelben beruht.
Die rechtsbildenden Elemente des Eiſenbahnweſens.
Es iſt kein Zweifel mehr, daß die Auffaſſung des ganzen Bahn-
weſens ſich weſentlich in dem letzten Jahrzehnt umgeſtaltet hat. Als
die Bahnen entſtanden, erſchienen ſie vielen als ein Vortheil, manchen
als eine Annehmlichkeit, den meiſten aber wohl als eine Anſtalt von
örtlichem Werth und örtlicher Bedeutung. Dieſer Standpunkt iſt
überwunden. Die Eiſenbahnen ſind als eine volkswirthſchaftliche Noth-
wendigkeit, als die unabweisbare Bedingung für die wirthſchaftliche
und ſelbſt geiſtige Entwicklung der ganzen Gemeinſchaft anerkannt.
Das iſt der Grundgedanke unſerer Zeit, der mit jedem Tage ſich feſter
einprägt, und zur allgemeinen Ueberzeugung aller Völker wird.
Iſt das der Fall, ſo ſind an ſich betrachtet die Eiſenbahnen eine
Aufgabe der Verwaltung in Herſtellung und Betrieb, wie Wege
und Poſtweſen. Dem Princip nach ſoll der Staat ſich ſelber ſeine
Bahnen bauen und ſie ſelbſt verwalten.
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/233>, abgerufen am 16.07.2024.
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