überlassen, während die wirthschaftliche Verwaltung fast ganz dem- selben entzogen, und der Regierung übergeben ist.
b) Das Prüfungssystem wird in dem Maße wichtiger, in welchem die Lernfreiheit die Strenge der Studienordnung durchbricht. Es ist kein Zweifel, daß hier die schwierigste Frage der nächsten Zu- kunft liegt. Durch die frühere ständische Gestalt des gelehrten Unter- richts hat namentlich Deutschland große Neigung, auf diesem Gebiete überhaupt zu viel zu thun und zu fordern, während England entschieden zu wenig thut, und Frankreich die Sache vorwiegend formell und ziemlich systemlos behandelt. Nur Deutschland hat daher ein aus- gebildetes Prüfungssystem und Prüfungsrecht, das übrigens hoffentlich einer Neugestaltung entgegen gehen wird. Die Grundlage ist die Unterscheidung der drei Kategorien des Prüfungswesens der Classenprüfung als Bedingung für die Benützung einer bestimmten Abtheilung der Berufsbildung, die Berufsprüfung als Beweis der für den Beruf erforderlichen Minimalbildung, und die Dienstprüfung als Bedingung für die Ausübung bestimmter öffentlicher Berufe. Die Theorie mangelt fast ganz; das positive Recht ist sich über das Classen- prüfungswesen ziemlich einig, dagegen wenig über Inhalt, Form und Verhältniß der Berufs- und Dienstprüfung; die neuere Zeit erkennt jedoch mehr und mehr, daß es dabei vor allem auf die Organisirung der Prüfungsstellen ankommt. Hier nun waltet noch eine große Ver- schiedenheit in Auffassung und Einrichtungen ob; dennoch steht es schon jetzt fest, daß die beiden Bedingungen einer guten Prüfung einerseits die Oeffentlichkeit derselben, andererseits das Herbeiziehen von Fachmännern als Examinatoren sind. Auf diesen Grundlagen wird das Prüfungswesen der Zukunft beruhen.
Auch hier die Erscheinung, daß die Literatur der einheitlichen Auffassung ermangelt, während sie über einzelne Punkte in hohem Grade reich, jedoch un- gleichmäßig entwickelt ist. Es gibt bisher keinen andern Versuch als Stein, Bildungswesen S. 149 bis Ende. -- In Deutschland hat jedes Gebiet seine eigene Gesetzgebung, und diese ist wieder in den einzelnen Ländern ver- schieden. Ziemlich gleichmäßig geordnet ist das Gymnasialwesen. Schmid, Encyclopädie unter den einzelnen Ländern; Stein S. 212 ff. Realschul- wesen seit 1817 zuerst in Preußen als Gewerbeschulwesen organisirt, von da an allmählige Ausbildung bis zur Gegenwart, Stein S. 256 ff. Wirth- schaftliche Fachbildungsordnungen Stein S. 277 ff. Prüfungswesen: Zusammenstellung Stein S. 170--176. Statistik bei Brachelli S. 542. Die Gesetzgebung Frankreichs; allgemeiner Charakter ebend. 45--52; speciell S. 295 ff.; Block, Dictionn. v. Instruction.Schmid, Encyclopädie Art. Frankreich (Bücheler). Beer und Hochstetter, Fortschritte des Unterrichts- wesens. 1867. 1. Bd. Speciell das sog. "Bifurkationssystem." Bücheler a. a. O.
überlaſſen, während die wirthſchaftliche Verwaltung faſt ganz dem- ſelben entzogen, und der Regierung übergeben iſt.
b) Das Prüfungsſyſtem wird in dem Maße wichtiger, in welchem die Lernfreiheit die Strenge der Studienordnung durchbricht. Es iſt kein Zweifel, daß hier die ſchwierigſte Frage der nächſten Zu- kunft liegt. Durch die frühere ſtändiſche Geſtalt des gelehrten Unter- richts hat namentlich Deutſchland große Neigung, auf dieſem Gebiete überhaupt zu viel zu thun und zu fordern, während England entſchieden zu wenig thut, und Frankreich die Sache vorwiegend formell und ziemlich ſyſtemlos behandelt. Nur Deutſchland hat daher ein aus- gebildetes Prüfungsſyſtem und Prüfungsrecht, das übrigens hoffentlich einer Neugeſtaltung entgegen gehen wird. Die Grundlage iſt die Unterſcheidung der drei Kategorien des Prüfungsweſens der Claſſenprüfung als Bedingung für die Benützung einer beſtimmten Abtheilung der Berufsbildung, die Berufsprüfung als Beweis der für den Beruf erforderlichen Minimalbildung, und die Dienſtprüfung als Bedingung für die Ausübung beſtimmter öffentlicher Berufe. Die Theorie mangelt faſt ganz; das poſitive Recht iſt ſich über das Claſſen- prüfungsweſen ziemlich einig, dagegen wenig über Inhalt, Form und Verhältniß der Berufs- und Dienſtprüfung; die neuere Zeit erkennt jedoch mehr und mehr, daß es dabei vor allem auf die Organiſirung der Prüfungsſtellen ankommt. Hier nun waltet noch eine große Ver- ſchiedenheit in Auffaſſung und Einrichtungen ob; dennoch ſteht es ſchon jetzt feſt, daß die beiden Bedingungen einer guten Prüfung einerſeits die Oeffentlichkeit derſelben, andererſeits das Herbeiziehen von Fachmännern als Examinatoren ſind. Auf dieſen Grundlagen wird das Prüfungsweſen der Zukunft beruhen.
Auch hier die Erſcheinung, daß die Literatur der einheitlichen Auffaſſung ermangelt, während ſie über einzelne Punkte in hohem Grade reich, jedoch un- gleichmäßig entwickelt iſt. Es gibt bisher keinen andern Verſuch als Stein, Bildungsweſen S. 149 bis Ende. — In Deutſchland hat jedes Gebiet ſeine eigene Geſetzgebung, und dieſe iſt wieder in den einzelnen Ländern ver- ſchieden. Ziemlich gleichmäßig geordnet iſt das Gymnaſialweſen. Schmid, Encyclopädie unter den einzelnen Ländern; Stein S. 212 ff. Realſchul- weſen ſeit 1817 zuerſt in Preußen als Gewerbeſchulweſen organiſirt, von da an allmählige Ausbildung bis zur Gegenwart, Stein S. 256 ff. Wirth- ſchaftliche Fachbildungsordnungen Stein S. 277 ff. Prüfungsweſen: Zuſammenſtellung Stein S. 170—176. Statiſtik bei Brachelli S. 542. Die Geſetzgebung Frankreichs; allgemeiner Charakter ebend. 45—52; ſpeciell S. 295 ff.; Block, Dictionn. v. Instruction.Schmid, Encyclopädie Art. Frankreich (Bücheler). Beer und Hochſtetter, Fortſchritte des Unterrichts- weſens. 1867. 1. Bd. Speciell das ſog. „Bifurkationsſyſtem.“ Bücheler a. a. O.
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ſelben entzogen, und der Regierung übergeben iſt.
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welchem die Lernfreiheit die Strenge der Studienordnung durchbricht.
Es iſt kein Zweifel, daß hier die ſchwierigſte Frage der nächſten Zu-
kunft liegt. Durch die frühere ſtändiſche Geſtalt des gelehrten Unter-
richts hat namentlich Deutſchland große Neigung, auf dieſem Gebiete
überhaupt zu viel zu thun und zu fordern, während England
entſchieden zu wenig thut, und Frankreich die Sache vorwiegend formell
und ziemlich ſyſtemlos behandelt. Nur Deutſchland hat daher ein aus-
gebildetes Prüfungsſyſtem und Prüfungsrecht, das übrigens
hoffentlich einer Neugeſtaltung entgegen gehen wird. Die Grundlage
iſt die Unterſcheidung der drei Kategorien des Prüfungsweſens der
Claſſenprüfung als Bedingung für die Benützung einer beſtimmten
Abtheilung der Berufsbildung, die Berufsprüfung als Beweis der
für den Beruf erforderlichen Minimalbildung, und die Dienſtprüfung
als Bedingung für die Ausübung beſtimmter öffentlicher Berufe. Die
Theorie mangelt faſt ganz; das poſitive Recht iſt ſich über das Claſſen-
prüfungsweſen ziemlich einig, dagegen wenig über Inhalt, Form und
Verhältniß der Berufs- und Dienſtprüfung; die neuere Zeit erkennt
jedoch mehr und mehr, daß es dabei vor allem auf die Organiſirung
der Prüfungsſtellen ankommt. Hier nun waltet noch eine große Ver-
ſchiedenheit in Auffaſſung und Einrichtungen ob; dennoch ſteht es ſchon
jetzt feſt, daß die beiden Bedingungen einer guten Prüfung einerſeits
die Oeffentlichkeit derſelben, andererſeits das Herbeiziehen von
Fachmännern als Examinatoren ſind. Auf dieſen Grundlagen wird
das Prüfungsweſen der Zukunft beruhen.
Auch hier die Erſcheinung, daß die Literatur der einheitlichen Auffaſſung
ermangelt, während ſie über einzelne Punkte in hohem Grade reich, jedoch un-
gleichmäßig entwickelt iſt. Es gibt bisher keinen andern Verſuch als Stein,
Bildungsweſen S. 149 bis Ende. — In Deutſchland hat jedes Gebiet ſeine
eigene Geſetzgebung, und dieſe iſt wieder in den einzelnen Ländern ver-
ſchieden. Ziemlich gleichmäßig geordnet iſt das Gymnaſialweſen. Schmid,
Encyclopädie unter den einzelnen Ländern; Stein S. 212 ff. Realſchul-
weſen ſeit 1817 zuerſt in Preußen als Gewerbeſchulweſen organiſirt, von da
an allmählige Ausbildung bis zur Gegenwart, Stein S. 256 ff. Wirth-
ſchaftliche Fachbildungsordnungen Stein S. 277 ff. Prüfungsweſen:
Zuſammenſtellung Stein S. 170—176. Statiſtik bei Brachelli S. 542.
Die Geſetzgebung Frankreichs; allgemeiner Charakter ebend. 45—52; ſpeciell
S. 295 ff.; Block, Dictionn. v. Instruction. Schmid, Encyclopädie Art.
Frankreich (Bücheler). Beer und Hochſtetter, Fortſchritte des Unterrichts-
weſens. 1867. 1. Bd. Speciell das ſog. „Bifurkationsſyſtem.“ Bücheler a. a. O.
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/157>, abgerufen am 22.12.2024.
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