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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Kirche über die Schule ausschließt, und die erstere nur noch für das Gebiet
der Religion zuläßt. Zwischen Ministerium und Gemeinde stehen dann
die höchsten Landesbehörden, und die Schulangelegenheiten sind mit
Recht als Angelegenheiten des Landes der Landesvertretung überwiesen.
Bei großen Verschiedenheiten im Einzelnen ist das wenigstens auf dem
Continent die Grundlage für den Organismus der Schulverwaltung.

Festzuhalten, daß bei aller Gleichheit der Form die Verschiedenheit der
Organisation und ihr Charakter in der Stellung liegt, welche die Vertretung
der Gemeinde namentlich in Beziehung auf den Schulplan und das Lehrer-
wesen
besitzt. Der Charakter Englands besteht darin, daß der Einfluß der
Regierung überhaupt erst dann entsteht, wenn die Schule eine Unterstützung
fordert, also ein facultativer ist. Der Charakter Frankreichs besteht
darin, daß bei scharf ausgeprägtem System der Einfluß der Gemeinde durch
Mangel an Selbstverwaltung ein stets geringer ist, und das Schulwesen daher
nur eine formale Freiheit hat. Der Charakter der deutschen Schulverwaltung
ist der Kampf der Gemeinde mit dem noch immer in vielen Theilen herrschen-
den Elemente der Grundherrlichkeit und der Kirche. In den Städten ist der
Sieg meistens entschieden, auf dem Lande nicht. Ihren Abschluß kann diese
ganze Bewegung erst erhalten, wenn die systematische Lehrerbildung durchgeführt
ist. (Vergl. das System bei Stein, Bildungswesen S. 114--121.) Interessant
ist die Vergleichung zwischen Preußen, in welchem auf dem Lande noch Patrone
und Geistliche die leitenden Faktoren sind, und Oesterreich mit seinem neuen
Gesetze von 1869, das den Schwerpunkt in die Gemeinde legt, durch Landes-
und Bezirksinspektoren das Schulwesen überwacht, und den Landesvertretungen
die höchste Selbstverwaltung einräumt; Trennung von der Kirche (Gesetz vom
25. Mai 1868); Instruktion für die Bezirksschulinspektoren (Verordnung vom
18. Mai 1869); für die Landesschulinspektoren (Verordnung vom 11. Juli 1869).
Neueste bedeutende Bewegung in Preußen: Gneist, die confessionelle Schule
1869, und besonders: Gneist, die Selbstverwaltung der Volksschule 1869; das
österreichische Gesetz vom 25. Mai 1868 hat unseres Wissens das Princip der
"confessionslosen" Volksschule am klarsten formulirt und dasselbe auf die beiden
einfachen Grundsätze zurückgeführt: 1) jede mit öffentlicher Unterstützung arbeitende
Schule muß Kinder ohne Unterschied der Confession aufnehmen und 2) die Con-
fession ist weder Bedingung noch Hinderniß für die Lehrerstellung an der Volksschule.

b) Die Gemeinde und die Schullast.

Die historische Anknüpfung an die Gemeinde hat zuerst den Grundsatz
erzeugt, daß jede Gemeinde gesetzlich zur Aufstellung von Volksschulen
verpflichtet sei. Aus dieser Verpflichtung ist durch die Armuth vieler
Gemeinden der zweite Grundsatz entstanden, daß bei Unvermögen der
Gemeinde der Staat verpflichtet sein müsse, die Gemeinde zu unterstützen.
Diese letztere Verpflichtung ist meistens dahin formulirt, daß die Gemeinde
Haus, Holz, Lehrmittel ganz, der Staat höchstens die Lehrerbesoldung

Kirche über die Schule ausſchließt, und die erſtere nur noch für das Gebiet
der Religion zuläßt. Zwiſchen Miniſterium und Gemeinde ſtehen dann
die höchſten Landesbehörden, und die Schulangelegenheiten ſind mit
Recht als Angelegenheiten des Landes der Landesvertretung überwieſen.
Bei großen Verſchiedenheiten im Einzelnen iſt das wenigſtens auf dem
Continent die Grundlage für den Organismus der Schulverwaltung.

Feſtzuhalten, daß bei aller Gleichheit der Form die Verſchiedenheit der
Organiſation und ihr Charakter in der Stellung liegt, welche die Vertretung
der Gemeinde namentlich in Beziehung auf den Schulplan und das Lehrer-
weſen
beſitzt. Der Charakter Englands beſteht darin, daß der Einfluß der
Regierung überhaupt erſt dann entſteht, wenn die Schule eine Unterſtützung
fordert, alſo ein facultativer iſt. Der Charakter Frankreichs beſteht
darin, daß bei ſcharf ausgeprägtem Syſtem der Einfluß der Gemeinde durch
Mangel an Selbſtverwaltung ein ſtets geringer iſt, und das Schulweſen daher
nur eine formale Freiheit hat. Der Charakter der deutſchen Schulverwaltung
iſt der Kampf der Gemeinde mit dem noch immer in vielen Theilen herrſchen-
den Elemente der Grundherrlichkeit und der Kirche. In den Städten iſt der
Sieg meiſtens entſchieden, auf dem Lande nicht. Ihren Abſchluß kann dieſe
ganze Bewegung erſt erhalten, wenn die ſyſtematiſche Lehrerbildung durchgeführt
iſt. (Vergl. das Syſtem bei Stein, Bildungsweſen S. 114—121.) Intereſſant
iſt die Vergleichung zwiſchen Preußen, in welchem auf dem Lande noch Patrone
und Geiſtliche die leitenden Faktoren ſind, und Oeſterreich mit ſeinem neuen
Geſetze von 1869, das den Schwerpunkt in die Gemeinde legt, durch Landes-
und Bezirksinſpektoren das Schulweſen überwacht, und den Landesvertretungen
die höchſte Selbſtverwaltung einräumt; Trennung von der Kirche (Geſetz vom
25. Mai 1868); Inſtruktion für die Bezirksſchulinſpektoren (Verordnung vom
18. Mai 1869); für die Landesſchulinſpektoren (Verordnung vom 11. Juli 1869).
Neueſte bedeutende Bewegung in Preußen: Gneiſt, die confeſſionelle Schule
1869, und beſonders: Gneiſt, die Selbſtverwaltung der Volksſchule 1869; das
öſterreichiſche Geſetz vom 25. Mai 1868 hat unſeres Wiſſens das Princip der
„confeſſionsloſen“ Volksſchule am klarſten formulirt und daſſelbe auf die beiden
einfachen Grundſätze zurückgeführt: 1) jede mit öffentlicher Unterſtützung arbeitende
Schule muß Kinder ohne Unterſchied der Confeſſion aufnehmen und 2) die Con-
feſſion iſt weder Bedingung noch Hinderniß für die Lehrerſtellung an der Volksſchule.

b) Die Gemeinde und die Schullaſt.

Die hiſtoriſche Anknüpfung an die Gemeinde hat zuerſt den Grundſatz
erzeugt, daß jede Gemeinde geſetzlich zur Aufſtellung von Volksſchulen
verpflichtet ſei. Aus dieſer Verpflichtung iſt durch die Armuth vieler
Gemeinden der zweite Grundſatz entſtanden, daß bei Unvermögen der
Gemeinde der Staat verpflichtet ſein müſſe, die Gemeinde zu unterſtützen.
Dieſe letztere Verpflichtung iſt meiſtens dahin formulirt, daß die Gemeinde
Haus, Holz, Lehrmittel ganz, der Staat höchſtens die Lehrerbeſoldung

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[123/0147] Kirche über die Schule ausſchließt, und die erſtere nur noch für das Gebiet der Religion zuläßt. Zwiſchen Miniſterium und Gemeinde ſtehen dann die höchſten Landesbehörden, und die Schulangelegenheiten ſind mit Recht als Angelegenheiten des Landes der Landesvertretung überwieſen. Bei großen Verſchiedenheiten im Einzelnen iſt das wenigſtens auf dem Continent die Grundlage für den Organismus der Schulverwaltung. Feſtzuhalten, daß bei aller Gleichheit der Form die Verſchiedenheit der Organiſation und ihr Charakter in der Stellung liegt, welche die Vertretung der Gemeinde namentlich in Beziehung auf den Schulplan und das Lehrer- weſen beſitzt. Der Charakter Englands beſteht darin, daß der Einfluß der Regierung überhaupt erſt dann entſteht, wenn die Schule eine Unterſtützung fordert, alſo ein facultativer iſt. Der Charakter Frankreichs beſteht darin, daß bei ſcharf ausgeprägtem Syſtem der Einfluß der Gemeinde durch Mangel an Selbſtverwaltung ein ſtets geringer iſt, und das Schulweſen daher nur eine formale Freiheit hat. Der Charakter der deutſchen Schulverwaltung iſt der Kampf der Gemeinde mit dem noch immer in vielen Theilen herrſchen- den Elemente der Grundherrlichkeit und der Kirche. In den Städten iſt der Sieg meiſtens entſchieden, auf dem Lande nicht. Ihren Abſchluß kann dieſe ganze Bewegung erſt erhalten, wenn die ſyſtematiſche Lehrerbildung durchgeführt iſt. (Vergl. das Syſtem bei Stein, Bildungsweſen S. 114—121.) Intereſſant iſt die Vergleichung zwiſchen Preußen, in welchem auf dem Lande noch Patrone und Geiſtliche die leitenden Faktoren ſind, und Oeſterreich mit ſeinem neuen Geſetze von 1869, das den Schwerpunkt in die Gemeinde legt, durch Landes- und Bezirksinſpektoren das Schulweſen überwacht, und den Landesvertretungen die höchſte Selbſtverwaltung einräumt; Trennung von der Kirche (Geſetz vom 25. Mai 1868); Inſtruktion für die Bezirksſchulinſpektoren (Verordnung vom 18. Mai 1869); für die Landesſchulinſpektoren (Verordnung vom 11. Juli 1869). Neueſte bedeutende Bewegung in Preußen: Gneiſt, die confeſſionelle Schule 1869, und beſonders: Gneiſt, die Selbſtverwaltung der Volksſchule 1869; das öſterreichiſche Geſetz vom 25. Mai 1868 hat unſeres Wiſſens das Princip der „confeſſionsloſen“ Volksſchule am klarſten formulirt und daſſelbe auf die beiden einfachen Grundſätze zurückgeführt: 1) jede mit öffentlicher Unterſtützung arbeitende Schule muß Kinder ohne Unterſchied der Confeſſion aufnehmen und 2) die Con- feſſion iſt weder Bedingung noch Hinderniß für die Lehrerſtellung an der Volksſchule. b) Die Gemeinde und die Schullaſt. Die hiſtoriſche Anknüpfung an die Gemeinde hat zuerſt den Grundſatz erzeugt, daß jede Gemeinde geſetzlich zur Aufſtellung von Volksſchulen verpflichtet ſei. Aus dieſer Verpflichtung iſt durch die Armuth vieler Gemeinden der zweite Grundſatz entſtanden, daß bei Unvermögen der Gemeinde der Staat verpflichtet ſein müſſe, die Gemeinde zu unterſtützen. Dieſe letztere Verpflichtung iſt meiſtens dahin formulirt, daß die Gemeinde Haus, Holz, Lehrmittel ganz, der Staat höchſtens die Lehrerbeſoldung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/147>, abgerufen am 29.11.2024.