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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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III. Die Schulverwaltung.

Die Schulverwaltung entsteht nun, indem der Staat die Ver-
wirklichung jener im Wesen der Schule liegenden Forderungen durch
seinen Organismus verwirklicht. Sie ist zuerst allerdings eine rein
örtliche, und gehört der Gemeinde. Erst mit dem achtzehnten Jahr-
hundert, wo der Volksunterricht als Aufgabe der Gesammtheit aner-
kannt wird, unterzieht der einheitliche Staat denselben seiner Gewalt,
und jetzt wird die Schulverwaltung zu einem Systeme, indem sie das
Rechtsverhältniß der Schule zum Staate, zur Gemeinde und zum Einzelnen
feststellt. Aus dem ersten entsteht das, was wir den Organismus
der Schulverwaltung nennen; aus dem zweiten die öffentliche Ordnung
der Schullast; aus dem dritten das Verhältniß der Privatschulen.

a) Organismus der Volksschulverwaltung.

Die Organisation des Schulwesens beginnt allenthalben in den
Stadtgemeinden. Ihre Grundlage ist anfänglich eine doppelte: die
Schule ist entweder eine rein kirchliche Institution, oder eine städtische.
Von den Städten geht die Bildung von Schulen auf das Land über,
und das grundherrliche Schulwesen entsteht neben dem städtischen.
Mit diesem Resultat tritt dasselbe in das achtzehnte Jahrhundert. Das
dauernde Ergebniß der ersten Epoche ist der Grundsatz, daß die Schule
eine Gemeindeangelegenheit sei. Das achtzehnte Jahrhundert
erzeugt nun auch hier das Princip, daß die neuentstehende Regierungs-
gewalt nicht bloß die Oberaufsicht, sondern auch die eigentliche Ver-
waltung der Schule habe, für welche die Gemeinde nunmehr nur die
Mittel bieten solle. So entsteht aus dem Gemeindeschulwesen das
Landesschulwesen mit dem System der Schulbehörden. Oertlich
steht an der Spitze der letzteren die Geistlichkeit; für das ganze Land
gewöhnlich ein eigenes höchstes Schulorgan. Dem Princip nach herrscht
der Staat, der Wirklichkeit nach die Kirche. Dieser Zustand wird nun
mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts zuerst ernstlich angegriffen
durch die Entstehung der Pädagogik, welche die Lehre aus einer bloßen
Uebung zu einer Wissenschaft, und aus der Lehre einen der Kirche
und ihrem Gebiete gleichstehenden Stand macht. Dann kommt mit
dem Beginne unseres Jahrhunderts die Bildung des freien Gemeinde-
wesens hinzu, und damit entstehen die Grundlagen der neuen Organi-
sation des Volksschulwesens. Die Basis dieser Verwaltung ist die
Oberaufsicht der Regierung, welche die Einheit in das Schulwesen
zu bringen hat, und unter dem Ministerium für Unterricht durch
Schulinspektoren geübt wird, andererseits die örtliche Verwaltung
der Schule durch die Gemeinde, welche principiell die Herrschaft der

III. Die Schulverwaltung.

Die Schulverwaltung entſteht nun, indem der Staat die Ver-
wirklichung jener im Weſen der Schule liegenden Forderungen durch
ſeinen Organismus verwirklicht. Sie iſt zuerſt allerdings eine rein
örtliche, und gehört der Gemeinde. Erſt mit dem achtzehnten Jahr-
hundert, wo der Volksunterricht als Aufgabe der Geſammtheit aner-
kannt wird, unterzieht der einheitliche Staat denſelben ſeiner Gewalt,
und jetzt wird die Schulverwaltung zu einem Syſteme, indem ſie das
Rechtsverhältniß der Schule zum Staate, zur Gemeinde und zum Einzelnen
feſtſtellt. Aus dem erſten entſteht das, was wir den Organismus
der Schulverwaltung nennen; aus dem zweiten die öffentliche Ordnung
der Schullaſt; aus dem dritten das Verhältniß der Privatſchulen.

a) Organismus der Volksſchulverwaltung.

Die Organiſation des Schulweſens beginnt allenthalben in den
Stadtgemeinden. Ihre Grundlage iſt anfänglich eine doppelte: die
Schule iſt entweder eine rein kirchliche Inſtitution, oder eine ſtädtiſche.
Von den Städten geht die Bildung von Schulen auf das Land über,
und das grundherrliche Schulweſen entſteht neben dem ſtädtiſchen.
Mit dieſem Reſultat tritt daſſelbe in das achtzehnte Jahrhundert. Das
dauernde Ergebniß der erſten Epoche iſt der Grundſatz, daß die Schule
eine Gemeindeangelegenheit ſei. Das achtzehnte Jahrhundert
erzeugt nun auch hier das Princip, daß die neuentſtehende Regierungs-
gewalt nicht bloß die Oberaufſicht, ſondern auch die eigentliche Ver-
waltung der Schule habe, für welche die Gemeinde nunmehr nur die
Mittel bieten ſolle. So entſteht aus dem Gemeindeſchulweſen das
Landesſchulweſen mit dem Syſtem der Schulbehörden. Oertlich
ſteht an der Spitze der letzteren die Geiſtlichkeit; für das ganze Land
gewöhnlich ein eigenes höchſtes Schulorgan. Dem Princip nach herrſcht
der Staat, der Wirklichkeit nach die Kirche. Dieſer Zuſtand wird nun
mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts zuerſt ernſtlich angegriffen
durch die Entſtehung der Pädagogik, welche die Lehre aus einer bloßen
Uebung zu einer Wiſſenſchaft, und aus der Lehre einen der Kirche
und ihrem Gebiete gleichſtehenden Stand macht. Dann kommt mit
dem Beginne unſeres Jahrhunderts die Bildung des freien Gemeinde-
weſens hinzu, und damit entſtehen die Grundlagen der neuen Organi-
ſation des Volksſchulweſens. Die Baſis dieſer Verwaltung iſt die
Oberaufſicht der Regierung, welche die Einheit in das Schulweſen
zu bringen hat, und unter dem Miniſterium für Unterricht durch
Schulinſpektoren geübt wird, andererſeits die örtliche Verwaltung
der Schule durch die Gemeinde, welche principiell die Herrſchaft der

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[122/0146] III. Die Schulverwaltung. Die Schulverwaltung entſteht nun, indem der Staat die Ver- wirklichung jener im Weſen der Schule liegenden Forderungen durch ſeinen Organismus verwirklicht. Sie iſt zuerſt allerdings eine rein örtliche, und gehört der Gemeinde. Erſt mit dem achtzehnten Jahr- hundert, wo der Volksunterricht als Aufgabe der Geſammtheit aner- kannt wird, unterzieht der einheitliche Staat denſelben ſeiner Gewalt, und jetzt wird die Schulverwaltung zu einem Syſteme, indem ſie das Rechtsverhältniß der Schule zum Staate, zur Gemeinde und zum Einzelnen feſtſtellt. Aus dem erſten entſteht das, was wir den Organismus der Schulverwaltung nennen; aus dem zweiten die öffentliche Ordnung der Schullaſt; aus dem dritten das Verhältniß der Privatſchulen. a) Organismus der Volksſchulverwaltung. Die Organiſation des Schulweſens beginnt allenthalben in den Stadtgemeinden. Ihre Grundlage iſt anfänglich eine doppelte: die Schule iſt entweder eine rein kirchliche Inſtitution, oder eine ſtädtiſche. Von den Städten geht die Bildung von Schulen auf das Land über, und das grundherrliche Schulweſen entſteht neben dem ſtädtiſchen. Mit dieſem Reſultat tritt daſſelbe in das achtzehnte Jahrhundert. Das dauernde Ergebniß der erſten Epoche iſt der Grundſatz, daß die Schule eine Gemeindeangelegenheit ſei. Das achtzehnte Jahrhundert erzeugt nun auch hier das Princip, daß die neuentſtehende Regierungs- gewalt nicht bloß die Oberaufſicht, ſondern auch die eigentliche Ver- waltung der Schule habe, für welche die Gemeinde nunmehr nur die Mittel bieten ſolle. So entſteht aus dem Gemeindeſchulweſen das Landesſchulweſen mit dem Syſtem der Schulbehörden. Oertlich ſteht an der Spitze der letzteren die Geiſtlichkeit; für das ganze Land gewöhnlich ein eigenes höchſtes Schulorgan. Dem Princip nach herrſcht der Staat, der Wirklichkeit nach die Kirche. Dieſer Zuſtand wird nun mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts zuerſt ernſtlich angegriffen durch die Entſtehung der Pädagogik, welche die Lehre aus einer bloßen Uebung zu einer Wiſſenſchaft, und aus der Lehre einen der Kirche und ihrem Gebiete gleichſtehenden Stand macht. Dann kommt mit dem Beginne unſeres Jahrhunderts die Bildung des freien Gemeinde- weſens hinzu, und damit entſtehen die Grundlagen der neuen Organi- ſation des Volksſchulweſens. Die Baſis dieſer Verwaltung iſt die Oberaufſicht der Regierung, welche die Einheit in das Schulweſen zu bringen hat, und unter dem Miniſterium für Unterricht durch Schulinſpektoren geübt wird, andererſeits die örtliche Verwaltung der Schule durch die Gemeinde, welche principiell die Herrſchaft der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/146>, abgerufen am 29.11.2024.