lange unsere juristischen Fakultäten ihre gegenwärtige Gestalt und Ordnung behalten, werden wir mit allen Reichs-, Landes- und Gemeindeverfassungen ewig regiert werden, statt zu regieren; so lange die Pandekten zu viel bedeuten an den deutschen Universitäten, werden die Deutschen zu wenig bedeuten in Europa.
Darum nun, um der kommenden Zeit mit ihrem staats- männischen Inhalt vorzuarbeiten, so weit die geringen Kräfte eines Einzelnen gehen, habe ich versucht, das Handbuch der Institutionen des Verwaltungsrechts auszuarbeiten, der Zeit in Treue harrend, wo das öffentliche Recht dieselbe Stelle an den Universitäten ein- nehmen wird, welche das öffentliche Leben allmählig im deutschen Volke einnimmt, und wo man seine Studien nicht eher für absol- virt halten wird, bis man neben den Pandekten Tribonians auch die der Verwaltung, ihres Organismus, ihrer Geschichte und ihrer großen Aufgaben sich eigen gemacht hat. Es ist eine andere Frage, wie sich das in der Oekonomie der Studienzeit dann gestalten wird; wir behandeln sie seiner Zeit an einem andern Ort. Wir wären aber stolz darauf, wenn diese Erstlingsarbeit auf diesem Gebiete den Anstoß zur ernsteren Erwägung über die Einrichtung der Fachbildung für das öffentliche Rechtsleben geben würde.
Wien, Juni 1870.
Dr. Lorenz von Stein.
lange unſere juriſtiſchen Fakultäten ihre gegenwärtige Geſtalt und Ordnung behalten, werden wir mit allen Reichs-, Landes- und Gemeindeverfaſſungen ewig regiert werden, ſtatt zu regieren; ſo lange die Pandekten zu viel bedeuten an den deutſchen Univerſitäten, werden die Deutſchen zu wenig bedeuten in Europa.
Darum nun, um der kommenden Zeit mit ihrem ſtaats- männiſchen Inhalt vorzuarbeiten, ſo weit die geringen Kräfte eines Einzelnen gehen, habe ich verſucht, das Handbuch der Inſtitutionen des Verwaltungsrechts auszuarbeiten, der Zeit in Treue harrend, wo das öffentliche Recht dieſelbe Stelle an den Univerſitäten ein- nehmen wird, welche das öffentliche Leben allmählig im deutſchen Volke einnimmt, und wo man ſeine Studien nicht eher für abſol- virt halten wird, bis man neben den Pandekten Tribonians auch die der Verwaltung, ihres Organismus, ihrer Geſchichte und ihrer großen Aufgaben ſich eigen gemacht hat. Es iſt eine andere Frage, wie ſich das in der Oekonomie der Studienzeit dann geſtalten wird; wir behandeln ſie ſeiner Zeit an einem andern Ort. Wir wären aber ſtolz darauf, wenn dieſe Erſtlingsarbeit auf dieſem Gebiete den Anſtoß zur ernſteren Erwägung über die Einrichtung der Fachbildung für das öffentliche Rechtsleben geben würde.
Wien, Juni 1870.
Dr. Lorenz von Stein.
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[VIII/0014]
lange unſere juriſtiſchen Fakultäten ihre gegenwärtige Geſtalt und
Ordnung behalten, werden wir mit allen Reichs-, Landes- und
Gemeindeverfaſſungen ewig regiert werden, ſtatt zu regieren; ſo
lange die Pandekten zu viel bedeuten an den deutſchen Univerſitäten,
werden die Deutſchen zu wenig bedeuten in Europa.
Darum nun, um der kommenden Zeit mit ihrem ſtaats-
männiſchen Inhalt vorzuarbeiten, ſo weit die geringen Kräfte eines
Einzelnen gehen, habe ich verſucht, das Handbuch der Inſtitutionen
des Verwaltungsrechts auszuarbeiten, der Zeit in Treue harrend,
wo das öffentliche Recht dieſelbe Stelle an den Univerſitäten ein-
nehmen wird, welche das öffentliche Leben allmählig im deutſchen
Volke einnimmt, und wo man ſeine Studien nicht eher für abſol-
virt halten wird, bis man neben den Pandekten Tribonians auch
die der Verwaltung, ihres Organismus, ihrer Geſchichte und ihrer
großen Aufgaben ſich eigen gemacht hat. Es iſt eine andere Frage,
wie ſich das in der Oekonomie der Studienzeit dann geſtalten
wird; wir behandeln ſie ſeiner Zeit an einem andern Ort. Wir
wären aber ſtolz darauf, wenn dieſe Erſtlingsarbeit auf dieſem
Gebiete den Anſtoß zur ernſteren Erwägung über die Einrichtung
der Fachbildung für das öffentliche Rechtsleben geben würde.
Wien, Juni 1870.
Dr. Lorenz von Stein.
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/14>, abgerufen am 24.11.2024.
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