Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_074.001 Im "Wanderer in der Sägemühle" träumt Kerner, pst_074.008 Am kühnsten spricht sich wohl Eichendorff aus: pst_074.017"Schweigt der Menschen laute Lust: pst_074.018 pst_074.024Rauscht die Erde wie in Träumen pst_074.019 Wunderbar mit allen Bäumen, pst_074.020 Was dem Herzen kaum bewußt, pst_074.021 Alte Zeiten, linde Trauer, pst_074.022 Und es schweifen leise Schauer pst_074.023 Wetterleuchtend durch die Brust." Die Erde rauscht - erstaunlich ist der Akkusativ - pst_074.025 Von allen Seiten winkt nun aber bereits das unerschöpflichste pst_074.029 pst_074.001 Im «Wanderer in der Sägemühle» träumt Kerner, pst_074.008 Am kühnsten spricht sich wohl Eichendorff aus: pst_074.017«Schweigt der Menschen laute Lust: pst_074.018 pst_074.024Rauscht die Erde wie in Träumen pst_074.019 Wunderbar mit allen Bäumen, pst_074.020 Was dem Herzen kaum bewußt, pst_074.021 Alte Zeiten, linde Trauer, pst_074.022 Und es schweifen leise Schauer pst_074.023 Wetterleuchtend durch die Brust.» Die Erde rauscht – erstaunlich ist der Akkusativ – pst_074.025 Von allen Seiten winkt nun aber bereits das unerschöpflichste pst_074.029 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0078" n="74"/><lb n="pst_074.001"/> Vers von den «Fischlein im Busen» bestimmt, von «Ich <lb n="pst_074.002"/> in dir» dann etwa das Fliegen der Seele, so weit der <lb n="pst_074.003"/> Himmel reicht. Und wieder in dem Gedicht «Im <lb n="pst_074.004"/> Frühling», wo die Wolke «mein Flügel» wird und wo <lb n="pst_074.005"/> sich der Atem der Frühlingslandschaft mit dem Atem <lb n="pst_074.006"/> der Seele zu <hi rendition="#g">einem</hi> wohligen Auf und Nieder vereint.</p> <lb n="pst_074.007"/> <p> Im «Wanderer in der Sägemühle» träumt Kerner, <lb n="pst_074.008"/> was ihm vor Augen steht, erinnert die Landschaft und <lb n="pst_074.009"/> die Mühle; und solche Erinnerung ist möglich, weil er <lb n="pst_074.010"/> in dem Rinnsal, das die Schaufelkammern füllt und <lb n="pst_074.011"/> senkt, die Schwermut seines versiegenden Lebens, in <lb n="pst_074.012"/> dem schönen Ton der Schneide, die schmerzhaft durch <lb n="pst_074.013"/> das Tannenholz fährt, den schmerzlichen Ursprung seines <lb n="pst_074.014"/> Dichtens, und in der Bereitung des Sarges, des Todes, <lb n="pst_074.015"/> den letzten Sinn seines Lebens fühlt.</p> <lb n="pst_074.016"/> <p> Am kühnsten spricht sich wohl Eichendorff aus:</p> <lb n="pst_074.017"/> <lg> <l>«Schweigt der Menschen laute Lust:</l> <lb n="pst_074.018"/> <l>Rauscht die Erde wie in Träumen</l> <lb n="pst_074.019"/> <l>Wunderbar mit allen Bäumen,</l> <lb n="pst_074.020"/> <l>Was dem Herzen kaum bewußt,</l> <lb n="pst_074.021"/> <l>Alte Zeiten, linde Trauer,</l> <lb n="pst_074.022"/> <l>Und es schweifen leise Schauer</l> <lb n="pst_074.023"/> <l>Wetterleuchtend durch die Brust.»</l> </lg> <lb n="pst_074.024"/> <p> Die Erde rauscht – erstaunlich ist der Akkusativ – <lb n="pst_074.025"/> alte Zeiten. Sie rauscht, was dem Herzen kaum bewußt <lb n="pst_074.026"/> ist. Die Seele geht restlos in der Landschaft, die Landschaft <lb n="pst_074.027"/> in der Seele auf.</p> <lb n="pst_074.028"/> <p> Von allen Seiten winkt nun aber bereits das unerschöpflichste <lb n="pst_074.029"/> Thema lyrischer Poesie, die Liebe. Die <lb n="pst_074.030"/> meisten großen Lyriker sind große Liebende gewesen – </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0078]
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Vers von den «Fischlein im Busen» bestimmt, von «Ich pst_074.002
in dir» dann etwa das Fliegen der Seele, so weit der pst_074.003
Himmel reicht. Und wieder in dem Gedicht «Im pst_074.004
Frühling», wo die Wolke «mein Flügel» wird und wo pst_074.005
sich der Atem der Frühlingslandschaft mit dem Atem pst_074.006
der Seele zu einem wohligen Auf und Nieder vereint.
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Im «Wanderer in der Sägemühle» träumt Kerner, pst_074.008
was ihm vor Augen steht, erinnert die Landschaft und pst_074.009
die Mühle; und solche Erinnerung ist möglich, weil er pst_074.010
in dem Rinnsal, das die Schaufelkammern füllt und pst_074.011
senkt, die Schwermut seines versiegenden Lebens, in pst_074.012
dem schönen Ton der Schneide, die schmerzhaft durch pst_074.013
das Tannenholz fährt, den schmerzlichen Ursprung seines pst_074.014
Dichtens, und in der Bereitung des Sarges, des Todes, pst_074.015
den letzten Sinn seines Lebens fühlt.
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Am kühnsten spricht sich wohl Eichendorff aus:
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«Schweigt der Menschen laute Lust: pst_074.018
Rauscht die Erde wie in Träumen pst_074.019
Wunderbar mit allen Bäumen, pst_074.020
Was dem Herzen kaum bewußt, pst_074.021
Alte Zeiten, linde Trauer, pst_074.022
Und es schweifen leise Schauer pst_074.023
Wetterleuchtend durch die Brust.»
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Die Erde rauscht – erstaunlich ist der Akkusativ – pst_074.025
alte Zeiten. Sie rauscht, was dem Herzen kaum bewußt pst_074.026
ist. Die Seele geht restlos in der Landschaft, die Landschaft pst_074.027
in der Seele auf.
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Von allen Seiten winkt nun aber bereits das unerschöpflichste pst_074.029
Thema lyrischer Poesie, die Liebe. Die pst_074.030
meisten großen Lyriker sind große Liebende gewesen –
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