Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

Bild:
<< vorherige Seite
pst_034.001

Im Zusammenhang der Strophen:

pst_034.002
"Ich träumte hinaus in das dunkle Tal pst_034.003
Auf engen Felsenstufen, pst_034.004
Und hab mein Liebchen ohne Zahl pst_034.005
Bald hier, bald da gerufen. pst_034.006
Treulieb, Treulieb ist verloren!
pst_034.007
Mein lieber Hirt, nun sage mir, pst_034.008
Hast du Treulieb gesehen? pst_034.009
Sie wollte zu den Lämmern hier pst_034.010
Und dann zum Brunnen gehen. - pst_034.011
Treulieb, Treulieb ist verloren ..."
pst_034.012

Die wechselnden Verse solcher Lieder werden meist pst_034.013
in einer mehr rezitativischen Weise vorgetragen, von pst_034.014
einem Einzelsänger womöglich, damit die "Geschichte" pst_034.015
verstanden wird. Beim Kehrreim fallen die Zuhörer ein. pst_034.016
Der Gesang schwillt an. Das Musikalische überwiegt die pst_034.017
Bedeutung der Worte.

pst_034.018

Der Kehrreim kommt aber auch am Anfang und in pst_034.019
der Mitte der Strophen vor:

pst_034.020
"Nach Sevilla, nach Sevilla ..." pst_034.021
"Einsam will ich untergehen ..." pst_034.022
"Nun soll ich in die Fremde ziehen ..."
pst_034.023

Brentano ahmt hier wieder die Volkslieder aus "Des pst_034.024
Knaben Wunderhorn" nach. Und diese Beispiele zeigen pst_034.025
wohl am deutlichsten, was der Kehrreim leistet. Der pst_034.026
Dichter schlägt die Saite, die unwillkürlich in seinem pst_034.027
Herzen erklang, mit Wissen und Willen abermals an pst_034.028
und lauscht dem Ton zum zweiten, dritten, vierten und pst_034.029
fünften Male nach. Was sich als Sprache von ihm gelöst

pst_034.001

Im Zusammenhang der Strophen:

pst_034.002
«Ich träumte hinaus in das dunkle Tal pst_034.003
Auf engen Felsenstufen, pst_034.004
Und hab mein Liebchen ohne Zahl pst_034.005
Bald hier, bald da gerufen. pst_034.006
Treulieb, Treulieb ist verloren!
pst_034.007
Mein lieber Hirt, nun sage mir, pst_034.008
Hast du Treulieb gesehen? pst_034.009
Sie wollte zu den Lämmern hier pst_034.010
Und dann zum Brunnen gehen. – pst_034.011
Treulieb, Treulieb ist verloren ...»
pst_034.012

  Die wechselnden Verse solcher Lieder werden meist pst_034.013
in einer mehr rezitativischen Weise vorgetragen, von pst_034.014
einem Einzelsänger womöglich, damit die «Geschichte» pst_034.015
verstanden wird. Beim Kehrreim fallen die Zuhörer ein. pst_034.016
Der Gesang schwillt an. Das Musikalische überwiegt die pst_034.017
Bedeutung der Worte.

pst_034.018

  Der Kehrreim kommt aber auch am Anfang und in pst_034.019
der Mitte der Strophen vor:

pst_034.020
«Nach Sevilla, nach Sevilla ...» pst_034.021
«Einsam will ich untergehen ...» pst_034.022
«Nun soll ich in die Fremde ziehen ...»
pst_034.023

Brentano ahmt hier wieder die Volkslieder aus «Des pst_034.024
Knaben Wunderhorn» nach. Und diese Beispiele zeigen pst_034.025
wohl am deutlichsten, was der Kehrreim leistet. Der pst_034.026
Dichter schlägt die Saite, die unwillkürlich in seinem pst_034.027
Herzen erklang, mit Wissen und Willen abermals an pst_034.028
und lauscht dem Ton zum zweiten, dritten, vierten und pst_034.029
fünften Male nach. Was sich als Sprache von ihm gelöst

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0038" n="34"/>
          <lb n="pst_034.001"/>
          <p>Im Zusammenhang der Strophen:</p>
          <lb n="pst_034.002"/>
          <lg>
            <l>«Ich träumte hinaus in das dunkle Tal</l>
            <lb n="pst_034.003"/>
            <l>Auf engen Felsenstufen,</l>
            <lb n="pst_034.004"/>
            <l>Und hab mein Liebchen ohne Zahl</l>
            <lb n="pst_034.005"/>
            <l>Bald hier, bald da gerufen.</l>
            <lb n="pst_034.006"/>
            <l>Treulieb, Treulieb ist verloren! </l>
          </lg>
          <lg>
            <lb n="pst_034.007"/>
            <l>Mein lieber Hirt, nun sage mir,</l>
            <lb n="pst_034.008"/>
            <l>Hast du Treulieb gesehen?</l>
            <lb n="pst_034.009"/>
            <l>Sie wollte zu den Lämmern hier</l>
            <lb n="pst_034.010"/>
            <l>Und dann zum Brunnen gehen. &#x2013;</l>
            <lb n="pst_034.011"/>
            <l>Treulieb, Treulieb ist verloren ...»</l>
          </lg>
          <lb n="pst_034.012"/>
          <p>  Die wechselnden Verse solcher Lieder werden meist <lb n="pst_034.013"/>
in einer mehr rezitativischen Weise vorgetragen, von <lb n="pst_034.014"/>
einem Einzelsänger womöglich, damit die «Geschichte» <lb n="pst_034.015"/>
verstanden wird. Beim Kehrreim fallen die Zuhörer ein. <lb n="pst_034.016"/>
Der Gesang schwillt an. Das Musikalische überwiegt die <lb n="pst_034.017"/>
Bedeutung der Worte.</p>
          <lb n="pst_034.018"/>
          <p>  Der Kehrreim kommt aber auch am Anfang und in <lb n="pst_034.019"/>
der Mitte der Strophen vor:</p>
          <lb n="pst_034.020"/>
          <lg>
            <l>«Nach Sevilla, nach Sevilla ...»</l>
            <lb n="pst_034.021"/>
            <l>«Einsam will ich untergehen ...»</l>
            <lb n="pst_034.022"/>
            <l>«Nun soll ich in die Fremde ziehen ...»</l>
          </lg>
          <lb n="pst_034.023"/>
          <p>Brentano ahmt hier wieder die Volkslieder aus «Des <lb n="pst_034.024"/>
Knaben Wunderhorn» nach. Und diese Beispiele zeigen <lb n="pst_034.025"/>
wohl am deutlichsten, was der Kehrreim leistet. Der <lb n="pst_034.026"/>
Dichter schlägt die Saite, die unwillkürlich in seinem <lb n="pst_034.027"/>
Herzen erklang, mit Wissen und Willen abermals an <lb n="pst_034.028"/>
und lauscht dem Ton zum zweiten, dritten, vierten und <lb n="pst_034.029"/>
fünften Male nach. Was sich als Sprache von ihm gelöst
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0038] pst_034.001 Im Zusammenhang der Strophen: pst_034.002 «Ich träumte hinaus in das dunkle Tal pst_034.003 Auf engen Felsenstufen, pst_034.004 Und hab mein Liebchen ohne Zahl pst_034.005 Bald hier, bald da gerufen. pst_034.006 Treulieb, Treulieb ist verloren! pst_034.007 Mein lieber Hirt, nun sage mir, pst_034.008 Hast du Treulieb gesehen? pst_034.009 Sie wollte zu den Lämmern hier pst_034.010 Und dann zum Brunnen gehen. – pst_034.011 Treulieb, Treulieb ist verloren ...» pst_034.012   Die wechselnden Verse solcher Lieder werden meist pst_034.013 in einer mehr rezitativischen Weise vorgetragen, von pst_034.014 einem Einzelsänger womöglich, damit die «Geschichte» pst_034.015 verstanden wird. Beim Kehrreim fallen die Zuhörer ein. pst_034.016 Der Gesang schwillt an. Das Musikalische überwiegt die pst_034.017 Bedeutung der Worte. pst_034.018   Der Kehrreim kommt aber auch am Anfang und in pst_034.019 der Mitte der Strophen vor: pst_034.020 «Nach Sevilla, nach Sevilla ...» pst_034.021 «Einsam will ich untergehen ...» pst_034.022 «Nun soll ich in die Fremde ziehen ...» pst_034.023 Brentano ahmt hier wieder die Volkslieder aus «Des pst_034.024 Knaben Wunderhorn» nach. Und diese Beispiele zeigen pst_034.025 wohl am deutlichsten, was der Kehrreim leistet. Der pst_034.026 Dichter schlägt die Saite, die unwillkürlich in seinem pst_034.027 Herzen erklang, mit Wissen und Willen abermals an pst_034.028 und lauscht dem Ton zum zweiten, dritten, vierten und pst_034.029 fünften Male nach. Was sich als Sprache von ihm gelöst

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/38
Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/38>, abgerufen am 25.11.2024.