Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_197.001 pst_197.004 4. pst_197.005 Vielleicht geht aber die Bewegung sogar noch über pst_197.006 1 pst_197.028 Vgl. den "Aufsatz, den sichern Weg des Glücks zu finden". 2 pst_197.029
Goethe zu Falk um 1809. pst_197.001 pst_197.004 4. pst_197.005 Vielleicht geht aber die Bewegung sogar noch über pst_197.006 1 pst_197.028 Vgl. den «Aufsatz, den sichern Weg des Glücks zu finden». 2 pst_197.029
Goethe zu Falk um 1809. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0201" n="197"/><lb n="pst_197.001"/> alles ins Rechte gefügt hat – Held des Dramas, dessen <lb n="pst_197.002"/> Bewegung auf ein Ziel, wenn möglich ein letztes Ziel <lb n="pst_197.003"/> des Menschen, gerichtet ist.</p> </div> <div n="2"> <lb n="pst_197.004"/> <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head> <lb n="pst_197.005"/> <p> Vielleicht geht aber die Bewegung sogar noch über <lb n="pst_197.006"/> das Ziel hinaus, so, daß die Frage «Worumwillen?» zuletzt <lb n="pst_197.007"/> ins Leere stößt. – Heinrich von Kleist hat schon als <lb n="pst_197.008"/> junger Mensch die Idee seines Lebens entworfen<note xml:id="PST_197_1" place="foot" n="1"><lb n="pst_197.028"/> Vgl. den «Aufsatz, den sichern Weg des Glücks zu finden».</note>. Wahrheit <lb n="pst_197.009"/> und Tugend werden als höchster Sinn bezeichnet. <lb n="pst_197.010"/> Ein Weg wird beschrieben, auf dem der Mensch dieses <lb n="pst_197.011"/> Ziel mit absoluter Gewißheit erreichen muß. Die Briefe <lb n="pst_197.012"/> Kleists bezeugen, daß er mit preußischer Folgerichtigkeit, <lb n="pst_197.013"/> mit der «nordischen Schärfe des Hypochonders»<note xml:id="PST_197_2" place="foot" n="2"><lb n="pst_197.029"/> Goethe zu Falk um 1809.</note>, <lb n="pst_197.014"/> sein Leben im Großen und Kleinen nach seinem Entwurf <lb n="pst_197.015"/> eingerichtet und jede Stunde, jede Tat, ja jeden <lb n="pst_197.016"/> Gedanken auf die eine umfassende Idee bezogen hat. <lb n="pst_197.017"/> Bald zeigt sich aber, daß er den scheinbar sicheren Weg <lb n="pst_197.018"/> nicht gehen kann, nicht etwa deshalb, weil er es an der <lb n="pst_197.019"/> nötigen Anstrengung fehlen ließe – im Gegenteil, deshalb, <lb n="pst_197.020"/> weil er auch nicht zu dem leisesten Kompromiß <lb n="pst_197.021"/> bereit ist. Der Wille zur Tugend scheitert an unvermeidlichen <lb n="pst_197.022"/> Kollisionen der Pflichten. Er weiß nicht, ob er <lb n="pst_197.023"/> als Offizier oder ob er als Mensch handeln soll. Der Wille <lb n="pst_197.024"/> zur Wahrheit stößt auf die durch Kant vermittelte Erkenntnis, <lb n="pst_197.025"/> daß eine Wahrheit unabhängig vom Sein des <lb n="pst_197.026"/> Menschen undenkbar ist. So führt die Mühe um sein <lb n="pst_197.027"/> Problem zur Einsicht, daß es sich selbst widerspricht.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0201]
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alles ins Rechte gefügt hat – Held des Dramas, dessen pst_197.002
Bewegung auf ein Ziel, wenn möglich ein letztes Ziel pst_197.003
des Menschen, gerichtet ist.
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4. pst_197.005
Vielleicht geht aber die Bewegung sogar noch über pst_197.006
das Ziel hinaus, so, daß die Frage «Worumwillen?» zuletzt pst_197.007
ins Leere stößt. – Heinrich von Kleist hat schon als pst_197.008
junger Mensch die Idee seines Lebens entworfen 1. Wahrheit pst_197.009
und Tugend werden als höchster Sinn bezeichnet. pst_197.010
Ein Weg wird beschrieben, auf dem der Mensch dieses pst_197.011
Ziel mit absoluter Gewißheit erreichen muß. Die Briefe pst_197.012
Kleists bezeugen, daß er mit preußischer Folgerichtigkeit, pst_197.013
mit der «nordischen Schärfe des Hypochonders» 2, pst_197.014
sein Leben im Großen und Kleinen nach seinem Entwurf pst_197.015
eingerichtet und jede Stunde, jede Tat, ja jeden pst_197.016
Gedanken auf die eine umfassende Idee bezogen hat. pst_197.017
Bald zeigt sich aber, daß er den scheinbar sicheren Weg pst_197.018
nicht gehen kann, nicht etwa deshalb, weil er es an der pst_197.019
nötigen Anstrengung fehlen ließe – im Gegenteil, deshalb, pst_197.020
weil er auch nicht zu dem leisesten Kompromiß pst_197.021
bereit ist. Der Wille zur Tugend scheitert an unvermeidlichen pst_197.022
Kollisionen der Pflichten. Er weiß nicht, ob er pst_197.023
als Offizier oder ob er als Mensch handeln soll. Der Wille pst_197.024
zur Wahrheit stößt auf die durch Kant vermittelte Erkenntnis, pst_197.025
daß eine Wahrheit unabhängig vom Sein des pst_197.026
Menschen undenkbar ist. So führt die Mühe um sein pst_197.027
Problem zur Einsicht, daß es sich selbst widerspricht.
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Vgl. den «Aufsatz, den sichern Weg des Glücks zu finden».
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Goethe zu Falk um 1809.
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