Stählein, Johann Michael: Der reisende Schneidergesell. Erfurt, 1783.gen. Den letzten Tag vor seiner Abreise Mayer,
gen. Den letzten Tag vor ſeiner Abreiſe Mayer,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="12"/> gen. Den letzten Tag vor ſeiner Abreiſe<lb/> brach ihm das Herz. Er konnte die grau-<lb/> ſame Begegnung nicht laͤnger anſehen, ſon-<lb/> dern wollte uns loskaufen. Er ſprach des-<lb/> wegen mit unſerm Bauer. Der Bauer<lb/> ſchikte auf das Feld, ließ uns abſpannen,<lb/> und der Renegate fuͤhrte uns zu ihm.<lb/> Der Bauer fragte uns: ob wir wollten<lb/> los ſeyn? Wir antworteten ihm: Wenn<lb/> es Gottes Wille waͤre. Da fieng der Bauer<lb/> an: Wenn man euch verbrennete, wuͤrde<lb/> euch euer Gott doch nicht erretten koͤnnen.<lb/> Wir hoͤrten dieſe gottloſe Reden mit Ge-<lb/> duld an, und ſagten, daß uns Gott nicht<lb/> mehr auflegen wuͤrde, als wir ertragen koͤnn-<lb/> ten. Da nun der Bauer ſahe, daß er nichts<lb/> mit uns ausrichtete, ließ er uns noch zum<lb/> leztenmale durch den Renegaten ſo peitſchen,<lb/> daß wir auf der Erde herumkrochen, und uns<lb/> wie Wuͤrmer kruͤmmeten. Herr <hi rendition="#fr">Heldenſtein</hi><lb/> unſer Erretter mußte dieſe Grauſamkeit mit<lb/> anſehen, und konnte ſich der Thraͤnen nicht<lb/> enthalten. Endlich bat er, er moͤchte doch<lb/> eimal aufhoͤren laſſen. Auf dieſes handelte<lb/> er um uns, und der Bauer ſagte: Jhr ſollt<lb/> los ſeyn! Wir fielen auf dieſes ſo angenehme<lb/> Wort dem Bauer und Herrn <hi rendition="#fr">Heltenſtein</hi><lb/> zu Fuͤſſen, und dankten lezterm fuͤr unſere<lb/> gnaͤdige Erloͤſung. Dieſe betraf nicht allein<lb/> mich, ſondern noch einen meiner Ungluͤks-<lb/> kammeraden, Nahmens <hi rendition="#fr">Johann Leonhard</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Mayer,</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0014]
gen. Den letzten Tag vor ſeiner Abreiſe
brach ihm das Herz. Er konnte die grau-
ſame Begegnung nicht laͤnger anſehen, ſon-
dern wollte uns loskaufen. Er ſprach des-
wegen mit unſerm Bauer. Der Bauer
ſchikte auf das Feld, ließ uns abſpannen,
und der Renegate fuͤhrte uns zu ihm.
Der Bauer fragte uns: ob wir wollten
los ſeyn? Wir antworteten ihm: Wenn
es Gottes Wille waͤre. Da fieng der Bauer
an: Wenn man euch verbrennete, wuͤrde
euch euer Gott doch nicht erretten koͤnnen.
Wir hoͤrten dieſe gottloſe Reden mit Ge-
duld an, und ſagten, daß uns Gott nicht
mehr auflegen wuͤrde, als wir ertragen koͤnn-
ten. Da nun der Bauer ſahe, daß er nichts
mit uns ausrichtete, ließ er uns noch zum
leztenmale durch den Renegaten ſo peitſchen,
daß wir auf der Erde herumkrochen, und uns
wie Wuͤrmer kruͤmmeten. Herr Heldenſtein
unſer Erretter mußte dieſe Grauſamkeit mit
anſehen, und konnte ſich der Thraͤnen nicht
enthalten. Endlich bat er, er moͤchte doch
eimal aufhoͤren laſſen. Auf dieſes handelte
er um uns, und der Bauer ſagte: Jhr ſollt
los ſeyn! Wir fielen auf dieſes ſo angenehme
Wort dem Bauer und Herrn Heltenſtein
zu Fuͤſſen, und dankten lezterm fuͤr unſere
gnaͤdige Erloͤſung. Dieſe betraf nicht allein
mich, ſondern noch einen meiner Ungluͤks-
kammeraden, Nahmens Johann Leonhard
Mayer,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |