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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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"Heidi, geh' zu den Gaißen", sagte der Großvater.
"Kannst ein wenig Salz mitnehmen und bei ihnen bleiben,
bis ich auch komme."

Heidi verschwand sofort.

"Das Kind hätte schon vor dem Jahr und noch sicherer
diesen Winter die Schule besuchen sollen", sagte nun der
Herr Pfarrer; "der Lehrer hat Euch mahnen lassen, Ihr
habt keine Antwort darauf gegeben; was habt Ihr mit dem
Kind im Sinn, Nachbar?"

"Ich habe im Sinn, es nicht in die Schule zu schicken",
war die Antwort.

Verwundert schaute der Herr Pfarrer auf den Alten,
der mit gekreuzten Armen auf seiner Bank saß und gar
nicht nachgiebig aussah.

"Was wollt Ihr aus dem Kinde machen?" fragte jetzt
der Herr Pfarrer.

"Nichts, es wächst und gedeiht mit den Gaißen und
den Vögeln; bei denen ist es ihm wohl und es lernt nichts
Böses von ihnen."

"Aber das Kind ist keine Gaiß und kein Vogel, es ist
ein Menschenkind. Wenn es nichts Böses lernt von diesen
seinen Kameraden, so lernt es auch sonst Nichts von ihnen,
es soll aber Etwas lernen, und die Zeit dazu ist da. Ich
bin gekommen, es Euch zeitig zu sagen, Nachbar, damit Ihr
Euch besinnen und einrichten könnt den Sommer durch.
Dieses war der letzte Winter, den das Kind so ohne allen

„Heidi, geh' zu den Gaißen“, ſagte der Großvater.
„Kannſt ein wenig Salz mitnehmen und bei ihnen bleiben,
bis ich auch komme.“

Heidi verſchwand ſofort.

„Das Kind hätte ſchon vor dem Jahr und noch ſicherer
dieſen Winter die Schule beſuchen ſollen“, ſagte nun der
Herr Pfarrer; „der Lehrer hat Euch mahnen laſſen, Ihr
habt keine Antwort darauf gegeben; was habt Ihr mit dem
Kind im Sinn, Nachbar?“

„Ich habe im Sinn, es nicht in die Schule zu ſchicken“,
war die Antwort.

Verwundert ſchaute der Herr Pfarrer auf den Alten,
der mit gekreuzten Armen auf ſeiner Bank ſaß und gar
nicht nachgiebig ausſah.

„Was wollt Ihr aus dem Kinde machen?“ fragte jetzt
der Herr Pfarrer.

„Nichts, es wächſt und gedeiht mit den Gaißen und
den Vögeln; bei denen iſt es ihm wohl und es lernt nichts
Böſes von ihnen.“

„Aber das Kind iſt keine Gaiß und kein Vogel, es iſt
ein Menſchenkind. Wenn es nichts Böſes lernt von dieſen
ſeinen Kameraden, ſo lernt es auch ſonſt Nichts von ihnen,
es ſoll aber Etwas lernen, und die Zeit dazu iſt da. Ich
bin gekommen, es Euch zeitig zu ſagen, Nachbar, damit Ihr
Euch beſinnen und einrichten könnt den Sommer durch.
Dieſes war der letzte Winter, den das Kind ſo ohne allen

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[75/0085] „Heidi, geh' zu den Gaißen“, ſagte der Großvater. „Kannſt ein wenig Salz mitnehmen und bei ihnen bleiben, bis ich auch komme.“ Heidi verſchwand ſofort. „Das Kind hätte ſchon vor dem Jahr und noch ſicherer dieſen Winter die Schule beſuchen ſollen“, ſagte nun der Herr Pfarrer; „der Lehrer hat Euch mahnen laſſen, Ihr habt keine Antwort darauf gegeben; was habt Ihr mit dem Kind im Sinn, Nachbar?“ „Ich habe im Sinn, es nicht in die Schule zu ſchicken“, war die Antwort. Verwundert ſchaute der Herr Pfarrer auf den Alten, der mit gekreuzten Armen auf ſeiner Bank ſaß und gar nicht nachgiebig ausſah. „Was wollt Ihr aus dem Kinde machen?“ fragte jetzt der Herr Pfarrer. „Nichts, es wächſt und gedeiht mit den Gaißen und den Vögeln; bei denen iſt es ihm wohl und es lernt nichts Böſes von ihnen.“ „Aber das Kind iſt keine Gaiß und kein Vogel, es iſt ein Menſchenkind. Wenn es nichts Böſes lernt von dieſen ſeinen Kameraden, ſo lernt es auch ſonſt Nichts von ihnen, es ſoll aber Etwas lernen, und die Zeit dazu iſt da. Ich bin gekommen, es Euch zeitig zu ſagen, Nachbar, damit Ihr Euch beſinnen und einrichten könnt den Sommer durch. Dieſes war der letzte Winter, den das Kind ſo ohne allen

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/85>, abgerufen am 23.11.2024.