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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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würden vor Furcht Tag und Nacht keinen Augenblick mehr
allein bleiben wollen, und das konnte sehr unbequeme Folgen
für sie haben. Jetzt ging sie stracks in's Studierzimmer
hinüber, wo die Beiden zusammensaßen, und erzählte mit
gedämpfter Stimme von den nächtlichen Erscheinungen eines
Unbekannten. Sofort schrie Klara auf, sie bleibe keinen
Augenblick mehr allein, der Papa müsse nach Hause kommen
und Fräulein Rottenmeier müsse zum Schlafen in ihr
Zimmer hinüberziehen, und Heidi dürfe auch nicht mehr
allein sein, sonst könne das Gespenst einmal zu ihm kommen
und ihm Etwas thun, sie wollten Alle in einem Zimmer
schlafen und die ganze Nacht das Licht brennen lassen, und
Tinette müsse nebenan schlafen und der Sebastian und
der Johann müssen auch herunterkommen und auf dem
Corridor schlafen, daß sie gleich schreien und das Gespenst
erschrecken können, wenn es etwa die Treppe heraufkommen
wollte. Klara war sehr aufgeregt und Fräulein Rotten¬
meier hatte nun die größte Mühe, sie etwas zu beschwich¬
tigen. Sie versprach ihr, sogleich an den Papa zu schreiben
und auch ihr Bett in Klara's Zimmer stellen und sie nie
mehr allein lassen zu wollen. Alle konnten sie nicht in
demselben Raume schlafen, aber wenn Adelheid sich auch
fürchten sollte, so müßte Tinette ihr Nachtlager bei ihr auf¬
schlagen. Aber Heidi fürchtete sich mehr vor der Tinette,
als vor Gespenstern, von denen das Kind noch gar nie
Etwas gehört hatte, und es erklärte gleich, es fürchte das

würden vor Furcht Tag und Nacht keinen Augenblick mehr
allein bleiben wollen, und das konnte ſehr unbequeme Folgen
für ſie haben. Jetzt ging ſie ſtracks in's Studierzimmer
hinüber, wo die Beiden zuſammenſaßen, und erzählte mit
gedämpfter Stimme von den nächtlichen Erſcheinungen eines
Unbekannten. Sofort ſchrie Klara auf, ſie bleibe keinen
Augenblick mehr allein, der Papa müſſe nach Hauſe kommen
und Fräulein Rottenmeier müſſe zum Schlafen in ihr
Zimmer hinüberziehen, und Heidi dürfe auch nicht mehr
allein ſein, ſonſt könne das Geſpenſt einmal zu ihm kommen
und ihm Etwas thun, ſie wollten Alle in einem Zimmer
ſchlafen und die ganze Nacht das Licht brennen laſſen, und
Tinette müſſe nebenan ſchlafen und der Sebaſtian und
der Johann müſſen auch herunterkommen und auf dem
Corridor ſchlafen, daß ſie gleich ſchreien und das Geſpenſt
erſchrecken können, wenn es etwa die Treppe heraufkommen
wollte. Klara war ſehr aufgeregt und Fräulein Rotten¬
meier hatte nun die größte Mühe, ſie etwas zu beſchwich¬
tigen. Sie verſprach ihr, ſogleich an den Papa zu ſchreiben
und auch ihr Bett in Klara's Zimmer ſtellen und ſie nie
mehr allein laſſen zu wollen. Alle konnten ſie nicht in
demſelben Raume ſchlafen, aber wenn Adelheid ſich auch
fürchten ſollte, ſo müßte Tinette ihr Nachtlager bei ihr auf¬
ſchlagen. Aber Heidi fürchtete ſich mehr vor der Tinette,
als vor Geſpenſtern, von denen das Kind noch gar nie
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[181/0191] würden vor Furcht Tag und Nacht keinen Augenblick mehr allein bleiben wollen, und das konnte ſehr unbequeme Folgen für ſie haben. Jetzt ging ſie ſtracks in's Studierzimmer hinüber, wo die Beiden zuſammenſaßen, und erzählte mit gedämpfter Stimme von den nächtlichen Erſcheinungen eines Unbekannten. Sofort ſchrie Klara auf, ſie bleibe keinen Augenblick mehr allein, der Papa müſſe nach Hauſe kommen und Fräulein Rottenmeier müſſe zum Schlafen in ihr Zimmer hinüberziehen, und Heidi dürfe auch nicht mehr allein ſein, ſonſt könne das Geſpenſt einmal zu ihm kommen und ihm Etwas thun, ſie wollten Alle in einem Zimmer ſchlafen und die ganze Nacht das Licht brennen laſſen, und Tinette müſſe nebenan ſchlafen und der Sebaſtian und der Johann müſſen auch herunterkommen und auf dem Corridor ſchlafen, daß ſie gleich ſchreien und das Geſpenſt erſchrecken können, wenn es etwa die Treppe heraufkommen wollte. Klara war ſehr aufgeregt und Fräulein Rotten¬ meier hatte nun die größte Mühe, ſie etwas zu beſchwich¬ tigen. Sie verſprach ihr, ſogleich an den Papa zu ſchreiben und auch ihr Bett in Klara's Zimmer ſtellen und ſie nie mehr allein laſſen zu wollen. Alle konnten ſie nicht in demſelben Raume ſchlafen, aber wenn Adelheid ſich auch fürchten ſollte, ſo müßte Tinette ihr Nachtlager bei ihr auf¬ ſchlagen. Aber Heidi fürchtete ſich mehr vor der Tinette, als vor Geſpenſtern, von denen das Kind noch gar nie Etwas gehört hatte, und es erklärte gleich, es fürchte das

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/191>, abgerufen am 23.11.2024.