Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.Heidi eines Tages es nicht mehr aushielt; es packte in aller "Was ist das für ein Aufzug? Was heißt das über¬ "Ich wollte nicht herumstreichen, ich wollte nur heim¬ "Wie? Was? Heimgehen? Heimgehen wolltest du?" "Nein", entgegnete Heidi. "Das weiß ich wohl!" fuhr die Dame eifrig fort, Heidi eines Tages es nicht mehr aushielt; es packte in aller „Was iſt das für ein Aufzug? Was heißt das über¬ „Ich wollte nicht herumſtreichen, ich wollte nur heim¬ „Wie? Was? Heimgehen? Heimgehen wollteſt du?“ „Nein“, entgegnete Heidi. „Das weiß ich wohl!“ fuhr die Dame eifrig fort, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143" n="133"/> Heidi eines Tages es nicht mehr aushielt; es packte in aller<lb/> Eile ſeine Brödchen in das große rothe Halstuch zuſammen,<lb/> ſetzte ſein Strohhütchen auf und zog aus. Aber ſchon unter<lb/> der Hausthüre traf es auf ein großes Reiſehinderniß, auf<lb/> Fräulein Rottenmeier ſelbſt, die eben von einem Ausgang<lb/> zurückkehrte. Sie ſtand ſtill und ſchaute in ſtarrem Er¬<lb/> ſtaunen Heidi von oben bis unten an, und ihr Blick blieb<lb/> vorzüglich auf dem gefüllten rothen Halstuch haften. Jetzt<lb/> brach ſie los.</p><lb/> <p>„Was iſt das für ein Aufzug? Was heißt das über¬<lb/> haupt? Habe ich dir nicht ſtreng verboten, je wieder herum¬<lb/> zuſtreichen? Nun probirſt du's doch wieder und dazu noch<lb/> völlig ausſehend wie eine Landſtreicherin.“</p><lb/> <p>„Ich wollte nicht herumſtreichen, ich wollte nur heim¬<lb/> gehen“, entgegnete Heidi ein wenig erſchrocken.</p><lb/> <p>„Wie? Was? Heimgehen? Heimgehen wollteſt du?“<lb/> Fräulein Rottenmeier ſchlug die Hände zuſammen vor Auf¬<lb/> regung. „Fortlaufen! Wenn das Herr Seſemann wüßte!<lb/> Fortlaufen aus ſeinem Hauſe! Mach' nicht, daß er das je<lb/> erfährt! Und was iſt dir denn nicht recht in ſeinem Hauſe?<lb/> Wirſt du nicht viel beſſer behandelt, als du verdienſt? Fehlt<lb/> es dir an irgend Etwas? Haſt du je in deinem ganzen Leben<lb/> eine Wohnung, oder einen Tiſch, oder eine Bedienung ge¬<lb/> habt, wie du hier haſt? ſag'!“</p><lb/> <p>„Nein“, entgegnete Heidi.</p><lb/> <p>„Das weiß ich wohl!“ fuhr die Dame eifrig fort,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0143]
Heidi eines Tages es nicht mehr aushielt; es packte in aller
Eile ſeine Brödchen in das große rothe Halstuch zuſammen,
ſetzte ſein Strohhütchen auf und zog aus. Aber ſchon unter
der Hausthüre traf es auf ein großes Reiſehinderniß, auf
Fräulein Rottenmeier ſelbſt, die eben von einem Ausgang
zurückkehrte. Sie ſtand ſtill und ſchaute in ſtarrem Er¬
ſtaunen Heidi von oben bis unten an, und ihr Blick blieb
vorzüglich auf dem gefüllten rothen Halstuch haften. Jetzt
brach ſie los.
„Was iſt das für ein Aufzug? Was heißt das über¬
haupt? Habe ich dir nicht ſtreng verboten, je wieder herum¬
zuſtreichen? Nun probirſt du's doch wieder und dazu noch
völlig ausſehend wie eine Landſtreicherin.“
„Ich wollte nicht herumſtreichen, ich wollte nur heim¬
gehen“, entgegnete Heidi ein wenig erſchrocken.
„Wie? Was? Heimgehen? Heimgehen wollteſt du?“
Fräulein Rottenmeier ſchlug die Hände zuſammen vor Auf¬
regung. „Fortlaufen! Wenn das Herr Seſemann wüßte!
Fortlaufen aus ſeinem Hauſe! Mach' nicht, daß er das je
erfährt! Und was iſt dir denn nicht recht in ſeinem Hauſe?
Wirſt du nicht viel beſſer behandelt, als du verdienſt? Fehlt
es dir an irgend Etwas? Haſt du je in deinem ganzen Leben
eine Wohnung, oder einen Tiſch, oder eine Bedienung ge¬
habt, wie du hier haſt? ſag'!“
„Nein“, entgegnete Heidi.
„Das weiß ich wohl!“ fuhr die Dame eifrig fort,
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