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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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Tochter des Hauses zu betrachten. Der Anblick schien sie
nicht zu befriedigen. Heidi hatte sein einfaches Baumwoll¬
röckchen an und sein altes, zerdrücktes Strohhütchen auf
dem Kopf. Das Kind guckte sehr harmlos darunter hervor
und betrachtete mit unverhehlter Verwunderung den Thurm¬
bau auf dem Kopf der Dame.

"Wie heißest du?" fragte Fräulein Rottenmeier, nach¬
dem auch sie einige Minuten lang forschend das Kind an¬
gesehen hatte, das kein Auge von ihr verwandte.

"Heidi", antwortete es deutlich und mit klangvoller
Stimme.

"Wie? Wie? das soll doch wohl kein christlicher Name
sein? So bist du doch nicht getauft worden. Welchen Namen
hast du in der Taufe erhalten?" fragte Fräulein Rotten¬
meier weiter.

"Das weiß ich jetzt nicht mehr", entgegnete Heidi.

"Ist das eine Antwort!" bemerkte die Dame mit
Kopfschütteln. "Jungfer Dete, ist das Kind einfältig oder
schnippisch?"

"Mit Erlaubniß und wenn es die Dame gestattet, so
will ich gern reden für das Kind, denn es ist sehr uner¬
fahren", sagte die Dete, nachdem sie dem Heidi heimlich
einen kleinen Stoß gegeben hatte für die unpassende Ant¬
wort. "Es ist aber nicht einfältig und auch nicht schnippisch,
davon weiß es gar Nichts; es meint Alles so, wie es redet.
Aber es ist heut' zum ersten Mal in einem Herrenhaus

Tochter des Hauſes zu betrachten. Der Anblick ſchien ſie
nicht zu befriedigen. Heidi hatte ſein einfaches Baumwoll¬
röckchen an und ſein altes, zerdrücktes Strohhütchen auf
dem Kopf. Das Kind guckte ſehr harmlos darunter hervor
und betrachtete mit unverhehlter Verwunderung den Thurm¬
bau auf dem Kopf der Dame.

„Wie heißeſt du?“ fragte Fräulein Rottenmeier, nach¬
dem auch ſie einige Minuten lang forſchend das Kind an¬
geſehen hatte, das kein Auge von ihr verwandte.

„Heidi“, antwortete es deutlich und mit klangvoller
Stimme.

„Wie? Wie? das ſoll doch wohl kein chriſtlicher Name
ſein? So biſt du doch nicht getauft worden. Welchen Namen
haſt du in der Taufe erhalten?“ fragte Fräulein Rotten¬
meier weiter.

„Das weiß ich jetzt nicht mehr“, entgegnete Heidi.

„Iſt das eine Antwort!“ bemerkte die Dame mit
Kopfſchütteln. „Jungfer Dete, iſt das Kind einfältig oder
ſchnippiſch?“

„Mit Erlaubniß und wenn es die Dame geſtattet, ſo
will ich gern reden für das Kind, denn es iſt ſehr uner¬
fahren“, ſagte die Dete, nachdem ſie dem Heidi heimlich
einen kleinen Stoß gegeben hatte für die unpaſſende Ant¬
wort. „Es iſt aber nicht einfältig und auch nicht ſchnippiſch,
davon weiß es gar Nichts; es meint Alles ſo, wie es redet.
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[92/0102] Tochter des Hauſes zu betrachten. Der Anblick ſchien ſie nicht zu befriedigen. Heidi hatte ſein einfaches Baumwoll¬ röckchen an und ſein altes, zerdrücktes Strohhütchen auf dem Kopf. Das Kind guckte ſehr harmlos darunter hervor und betrachtete mit unverhehlter Verwunderung den Thurm¬ bau auf dem Kopf der Dame. „Wie heißeſt du?“ fragte Fräulein Rottenmeier, nach¬ dem auch ſie einige Minuten lang forſchend das Kind an¬ geſehen hatte, das kein Auge von ihr verwandte. „Heidi“, antwortete es deutlich und mit klangvoller Stimme. „Wie? Wie? das ſoll doch wohl kein chriſtlicher Name ſein? So biſt du doch nicht getauft worden. Welchen Namen haſt du in der Taufe erhalten?“ fragte Fräulein Rotten¬ meier weiter. „Das weiß ich jetzt nicht mehr“, entgegnete Heidi. „Iſt das eine Antwort!“ bemerkte die Dame mit Kopfſchütteln. „Jungfer Dete, iſt das Kind einfältig oder ſchnippiſch?“ „Mit Erlaubniß und wenn es die Dame geſtattet, ſo will ich gern reden für das Kind, denn es iſt ſehr uner¬ fahren“, ſagte die Dete, nachdem ſie dem Heidi heimlich einen kleinen Stoß gegeben hatte für die unpaſſende Ant¬ wort. „Es iſt aber nicht einfältig und auch nicht ſchnippiſch, davon weiß es gar Nichts; es meint Alles ſo, wie es redet. Aber es iſt heut' zum erſten Mal in einem Herrenhaus

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/102>, abgerufen am 23.11.2024.