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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Einleitung.
gemacht hat, nicht unberührt lassen. Denn so wie sie selbst
einander entgegen gesetzt sind, eben so wiedersprechen sie beide
meiner Theorie.

Verschiedene Botaniker haben geglaubt, daß dieser Saft un-
mittelbar und zunächst den Blumen selbst zu Statten komme,
indem er entweder die Befruchtung des Fruchtknotens befördere,
dadurch, daß er denselben feucht und geschmeidig erhalte, oder
indem er den Samen, welchen er schwängere, bey seiner Tüch-
tigkeit zu keimen erhalte. Nach dieser Vorstellung würde der Um-
stand, daß Insekten diesem Saft nachgehen, nicht nur für etwas
zufälliges und eine Nebensache, sondern sogar für etwas den Blu-
men nachtheiliges angesehen werden müssen.

Nun ist zwar in vielen Blumen dieser Saft dem Fruchtkno-
ten nahe genug, in manchen wird er sogar von demselben selbst
bereitet und abgesondert; aber hieraus folgt noch nicht, daß er
auch dem Fruchtknoten unmittelbar zu Statten komme. Sollte
der Fruchtknoten durch den Saft geschmeidig erhalten werden,
oder sollten die in demselben eingeschloßnen Samenkörner von
ihm geschwängert werden: so würde es zweckmäßiger seyn, daß
er denselben behielte, als daß er ihn absondert. Bey vielen Blu-
men hingegen ist der Saft so weit und auf eine solche Art vom
Fruchtknoten entfernt, daß man nicht begreifen kann, wie er sollte
zu demselben gelangen können. Dies hat auch der Verfasser der Dis-
sertation de nectario florum, welche in Linne's Amoenitatibus
academicis
enthalten ist, eingesehen. Er sagt, dieser Hypothese
stehe dieses im Wege, daß männliche Blumen, welche von den
weiblichen oft weit entfernt sind, ein nectarium haben. Roth
hat seine Anmerkungen über diesen Gegenstand in das Magazin
für die Botanik (1787. 2. Stück. S. 31.) einrücken lassen. Um
diese Hypothese zu beweisen, sagt er unter andern, daß bey den
Afrikanischen Storchschnäbeln der Saft sich zwar in einer langen
Röhre befinde, aber in derselben hinauf bis zum Fruchtknoten
steige. Allein dieser Fruchtknoten ist mit den unterwärts zusam-
mengewachsenen Filamenten umgeben, kann folglich vom Saft
nicht unmittelbar berührt werden. Eben das Antirrhinum Li-
naria,
welches er auch anführet, hätte ihn schon auf eine andere
Vorstellung bringen sollen. Denn er hat ganz richtig bemerkt,
daß der Saft dieser Blume nicht von dem Sporn, in welchem
er enthalten ist, abgesondert wird, sondern von einer unten am
Fruchtknoten befindlichen Drüse, und daß er von derselben in den
Sporn hinabfließt, Wie kann er nun wieder aus dem Sporn
hinauf zum Fruchtknoten steigen? Und wenn dieses auch ge-
schähe, welche unnütze Weitläustigkeit würde das seyn? Wie
kann in der Passiflora, im Helleborus, in der Nigella, im
Aconitum der in Einem oder mehrern besonderen und vom Frucht-
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Einleitung.
knoten entfernten Behältnissen eingeschloßne Saft zum Fruchtkno-
ten gelangen? Vielleicht durch die Insekten. Was haben aber
die Insekten, wann sie den Saft verzehret haben, beym Frucht-
knoten zu schaffen?

Die andere Hypothese hat Krünitz in seiner Oekonomischen
Encyclopädie (4. Theil. S. 773.) vorgetragen. Er sagt, daß die
Bienen den Pflanzen einen dreifachen Nutzen verschaffen. Er-
stens: "Der Saft, den die Blumen absondern, wird denselben
"schädlich, wenn er nicht von den Bienen abgeholet wird. Denn
"derselbe ist anfangs flüssig, verändert sich aber, ohne zu ver-
"dünsten, häufet sich zu bald an, wird endlich ganz verdickt, ver-
"stopfet und überzieht dort, wo er liegen bleibt, die feinsten Aus-
"gänge, und verhindert und vernichtet die folgende völlige Aus-
"bildung und Wachsthum der höchst zarten Früchte." Diese Hy-
pothese ist der ersten grade entgegengesetzt. Nach der ersten ist der
Saft dem Fruchtknoten nützlich, nach der andern schädlich; nach
der ersten ist der Umstand, daß der Saft von den Insekten ver-
zehrt wird, etwas zufälliges und den Blumen schädliches, nach
der andern ist derselbe den Blumen nützlich, und scheint eine Ver-
anstaltung der Natur zu seyn.

Um zu beweisen, daß auch diese Hypothese ungegründet ist,
habe ich nicht nöthig, mich nach irgend einer zu dieser Absicht vor-
theilhaften Blume umzusehen, da ich eben diejenigen, deren ich
so eben erwähnt habe, hiezu anwenden kann. Denn aus eben
dem Grunde, woraus ich gefolgert habe, daß der Saft dem
Fruchtknoten nicht nützlich seyn könne, ergiebt sich auch, daß er
demselben nicht schädlich seyn könne, weil er nemlich immer in ei-
niger Entfernung vom Fruchtknoten bleibt. Der Saft mag sich
verändern, wie er will, so hat dies auf den Fruchtknoten keinen
Einfluß. Und wenn in andern Blumen der Saft dem Frucht-
knoten nahe ist, so folgt hieraus eben so wenig, daß er demselben
schädlich sey, als, daß er ihm nützlich sey. Was endlich diejeni-
gen Blumen betrifft, deren Fruchtknoten selbst den Saft abson-
dert: so scheint zwar eben daraus, daß derselbe den Saft abson-
dert, zu folgen, daß dieser ihm schädlich sey. Indessen kann
man theils schon aus der Analogie das Gegentheil vermuthen,
theils wird sich auch in der Folge hinlänglich zeigen lassen, daß
der Fruchtknoten dieser Blumen den Saft nicht als etwas ihm
schädliches, sondern zu einer gewissen Absicht absondert, und daß
folglich die Insekten zwar dem Fruchtknoten durch Abholung des
Safts nützlich werden, aber nicht unmittelbar durch diese Abho-
lung selbst, sondern durch die bey derselben nothwendig erfolgende
Befruchtung desselben.

Zweitens sagt er, daß die Bienen, indem sie den Staub
sammlen, denselben auf das Stigma bringen, sowohl in Blumen

A 2

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Einleitung.
gemacht hat, nicht unberuͤhrt laſſen. Denn ſo wie ſie ſelbſt
einander entgegen geſetzt ſind, eben ſo wiederſprechen ſie beide
meiner Theorie.

Verſchiedene Botaniker haben geglaubt, daß dieſer Saft un-
mittelbar und zunaͤchſt den Blumen ſelbſt zu Statten komme,
indem er entweder die Befruchtung des Fruchtknotens befoͤrdere,
dadurch, daß er denſelben feucht und geſchmeidig erhalte, oder
indem er den Samen, welchen er ſchwaͤngere, bey ſeiner Tuͤch-
tigkeit zu keimen erhalte. Nach dieſer Vorſtellung wuͤrde der Um-
ſtand, daß Inſekten dieſem Saft nachgehen, nicht nur fuͤr etwas
zufaͤlliges und eine Nebenſache, ſondern ſogar fuͤr etwas den Blu-
men nachtheiliges angeſehen werden muͤſſen.

Nun iſt zwar in vielen Blumen dieſer Saft dem Fruchtkno-
ten nahe genug, in manchen wird er ſogar von demſelben ſelbſt
bereitet und abgeſondert; aber hieraus folgt noch nicht, daß er
auch dem Fruchtknoten unmittelbar zu Statten komme. Sollte
der Fruchtknoten durch den Saft geſchmeidig erhalten werden,
oder ſollten die in demſelben eingeſchloßnen Samenkoͤrner von
ihm geſchwaͤngert werden: ſo wuͤrde es zweckmaͤßiger ſeyn, daß
er denſelben behielte, als daß er ihn abſondert. Bey vielen Blu-
men hingegen iſt der Saft ſo weit und auf eine ſolche Art vom
Fruchtknoten entfernt, daß man nicht begreifen kann, wie er ſollte
zu demſelben gelangen koͤnnen. Dies hat auch der Verfaſſer der Diſ-
ſertation de nectario florum, welche in Linne’s Amoenitatibus
academicis
enthalten iſt, eingeſehen. Er ſagt, dieſer Hypotheſe
ſtehe dieſes im Wege, daß maͤnnliche Blumen, welche von den
weiblichen oft weit entfernt ſind, ein nectarium haben. Roth
hat ſeine Anmerkungen uͤber dieſen Gegenſtand in das Magazin
fuͤr die Botanik (1787. 2. Stuͤck. S. 31.) einruͤcken laſſen. Um
dieſe Hypotheſe zu beweiſen, ſagt er unter andern, daß bey den
Afrikaniſchen Storchſchnaͤbeln der Saft ſich zwar in einer langen
Roͤhre befinde, aber in derſelben hinauf bis zum Fruchtknoten
ſteige. Allein dieſer Fruchtknoten iſt mit den unterwaͤrts zuſam-
mengewachſenen Filamenten umgeben, kann folglich vom Saft
nicht unmittelbar beruͤhrt werden. Eben das Antirrhinum Li-
naria,
welches er auch anfuͤhret, haͤtte ihn ſchon auf eine andere
Vorſtellung bringen ſollen. Denn er hat ganz richtig bemerkt,
daß der Saft dieſer Blume nicht von dem Sporn, in welchem
er enthalten iſt, abgeſondert wird, ſondern von einer unten am
Fruchtknoten befindlichen Druͤſe, und daß er von derſelben in den
Sporn hinabfließt, Wie kann er nun wieder aus dem Sporn
hinauf zum Fruchtknoten ſteigen? Und wenn dieſes auch ge-
ſchaͤhe, welche unnuͤtze Weitlaͤuſtigkeit wuͤrde das ſeyn? Wie
kann in der Paſſiflora, im Helleborus, in der Nigella, im
Aconitum der in Einem oder mehrern beſonderen und vom Frucht-
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Einleitung.
knoten entfernten Behaͤltniſſen eingeſchloßne Saft zum Fruchtkno-
ten gelangen? Vielleicht durch die Inſekten. Was haben aber
die Inſekten, wann ſie den Saft verzehret haben, beym Frucht-
knoten zu ſchaffen?

Die andere Hypotheſe hat Kruͤnitz in ſeiner Oekonomiſchen
Encyclopaͤdie (4. Theil. S. 773.) vorgetragen. Er ſagt, daß die
Bienen den Pflanzen einen dreifachen Nutzen verſchaffen. Er-
ſtens: „Der Saft, den die Blumen abſondern, wird denſelben
„ſchaͤdlich, wenn er nicht von den Bienen abgeholet wird. Denn
„derſelbe iſt anfangs fluͤſſig, veraͤndert ſich aber, ohne zu ver-
„duͤnſten, haͤufet ſich zu bald an, wird endlich ganz verdickt, ver-
„ſtopfet und uͤberzieht dort, wo er liegen bleibt, die feinſten Aus-
„gaͤnge, und verhindert und vernichtet die folgende voͤllige Aus-
„bildung und Wachsthum der hoͤchſt zarten Fruͤchte.“ Dieſe Hy-
potheſe iſt der erſten grade entgegengeſetzt. Nach der erſten iſt der
Saft dem Fruchtknoten nuͤtzlich, nach der andern ſchaͤdlich; nach
der erſten iſt der Umſtand, daß der Saft von den Inſekten ver-
zehrt wird, etwas zufaͤlliges und den Blumen ſchaͤdliches, nach
der andern iſt derſelbe den Blumen nuͤtzlich, und ſcheint eine Ver-
anſtaltung der Natur zu ſeyn.

Um zu beweiſen, daß auch dieſe Hypotheſe ungegruͤndet iſt,
habe ich nicht noͤthig, mich nach irgend einer zu dieſer Abſicht vor-
theilhaften Blume umzuſehen, da ich eben diejenigen, deren ich
ſo eben erwaͤhnt habe, hiezu anwenden kann. Denn aus eben
dem Grunde, woraus ich gefolgert habe, daß der Saft dem
Fruchtknoten nicht nuͤtzlich ſeyn koͤnne, ergiebt ſich auch, daß er
demſelben nicht ſchaͤdlich ſeyn koͤnne, weil er nemlich immer in ei-
niger Entfernung vom Fruchtknoten bleibt. Der Saft mag ſich
veraͤndern, wie er will, ſo hat dies auf den Fruchtknoten keinen
Einfluß. Und wenn in andern Blumen der Saft dem Frucht-
knoten nahe iſt, ſo folgt hieraus eben ſo wenig, daß er demſelben
ſchaͤdlich ſey, als, daß er ihm nuͤtzlich ſey. Was endlich diejeni-
gen Blumen betrifft, deren Fruchtknoten ſelbſt den Saft abſon-
dert: ſo ſcheint zwar eben daraus, daß derſelbe den Saft abſon-
dert, zu folgen, daß dieſer ihm ſchaͤdlich ſey. Indeſſen kann
man theils ſchon aus der Analogie das Gegentheil vermuthen,
theils wird ſich auch in der Folge hinlaͤnglich zeigen laſſen, daß
der Fruchtknoten dieſer Blumen den Saft nicht als etwas ihm
ſchaͤdliches, ſondern zu einer gewiſſen Abſicht abſondert, und daß
folglich die Inſekten zwar dem Fruchtknoten durch Abholung des
Safts nuͤtzlich werden, aber nicht unmittelbar durch dieſe Abho-
lung ſelbſt, ſondern durch die bey derſelben nothwendig erfolgende
Befruchtung deſſelben.

Zweitens ſagt er, daß die Bienen, indem ſie den Staub
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A 2
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[[15]/0015] Einleitung. Einleitung. gemacht hat, nicht unberuͤhrt laſſen. Denn ſo wie ſie ſelbſt einander entgegen geſetzt ſind, eben ſo wiederſprechen ſie beide meiner Theorie. Verſchiedene Botaniker haben geglaubt, daß dieſer Saft un- mittelbar und zunaͤchſt den Blumen ſelbſt zu Statten komme, indem er entweder die Befruchtung des Fruchtknotens befoͤrdere, dadurch, daß er denſelben feucht und geſchmeidig erhalte, oder indem er den Samen, welchen er ſchwaͤngere, bey ſeiner Tuͤch- tigkeit zu keimen erhalte. Nach dieſer Vorſtellung wuͤrde der Um- ſtand, daß Inſekten dieſem Saft nachgehen, nicht nur fuͤr etwas zufaͤlliges und eine Nebenſache, ſondern ſogar fuͤr etwas den Blu- men nachtheiliges angeſehen werden muͤſſen. Nun iſt zwar in vielen Blumen dieſer Saft dem Fruchtkno- ten nahe genug, in manchen wird er ſogar von demſelben ſelbſt bereitet und abgeſondert; aber hieraus folgt noch nicht, daß er auch dem Fruchtknoten unmittelbar zu Statten komme. Sollte der Fruchtknoten durch den Saft geſchmeidig erhalten werden, oder ſollten die in demſelben eingeſchloßnen Samenkoͤrner von ihm geſchwaͤngert werden: ſo wuͤrde es zweckmaͤßiger ſeyn, daß er denſelben behielte, als daß er ihn abſondert. Bey vielen Blu- men hingegen iſt der Saft ſo weit und auf eine ſolche Art vom Fruchtknoten entfernt, daß man nicht begreifen kann, wie er ſollte zu demſelben gelangen koͤnnen. Dies hat auch der Verfaſſer der Diſ- ſertation de nectario florum, welche in Linne’s Amoenitatibus academicis enthalten iſt, eingeſehen. Er ſagt, dieſer Hypotheſe ſtehe dieſes im Wege, daß maͤnnliche Blumen, welche von den weiblichen oft weit entfernt ſind, ein nectarium haben. Roth hat ſeine Anmerkungen uͤber dieſen Gegenſtand in das Magazin fuͤr die Botanik (1787. 2. Stuͤck. S. 31.) einruͤcken laſſen. Um dieſe Hypotheſe zu beweiſen, ſagt er unter andern, daß bey den Afrikaniſchen Storchſchnaͤbeln der Saft ſich zwar in einer langen Roͤhre befinde, aber in derſelben hinauf bis zum Fruchtknoten ſteige. Allein dieſer Fruchtknoten iſt mit den unterwaͤrts zuſam- mengewachſenen Filamenten umgeben, kann folglich vom Saft nicht unmittelbar beruͤhrt werden. Eben das Antirrhinum Li- naria, welches er auch anfuͤhret, haͤtte ihn ſchon auf eine andere Vorſtellung bringen ſollen. Denn er hat ganz richtig bemerkt, daß der Saft dieſer Blume nicht von dem Sporn, in welchem er enthalten iſt, abgeſondert wird, ſondern von einer unten am Fruchtknoten befindlichen Druͤſe, und daß er von derſelben in den Sporn hinabfließt, Wie kann er nun wieder aus dem Sporn hinauf zum Fruchtknoten ſteigen? Und wenn dieſes auch ge- ſchaͤhe, welche unnuͤtze Weitlaͤuſtigkeit wuͤrde das ſeyn? Wie kann in der Paſſiflora, im Helleborus, in der Nigella, im Aconitum der in Einem oder mehrern beſonderen und vom Frucht- knoten entfernten Behaͤltniſſen eingeſchloßne Saft zum Fruchtkno- ten gelangen? Vielleicht durch die Inſekten. Was haben aber die Inſekten, wann ſie den Saft verzehret haben, beym Frucht- knoten zu ſchaffen? Die andere Hypotheſe hat Kruͤnitz in ſeiner Oekonomiſchen Encyclopaͤdie (4. Theil. S. 773.) vorgetragen. Er ſagt, daß die Bienen den Pflanzen einen dreifachen Nutzen verſchaffen. Er- ſtens: „Der Saft, den die Blumen abſondern, wird denſelben „ſchaͤdlich, wenn er nicht von den Bienen abgeholet wird. Denn „derſelbe iſt anfangs fluͤſſig, veraͤndert ſich aber, ohne zu ver- „duͤnſten, haͤufet ſich zu bald an, wird endlich ganz verdickt, ver- „ſtopfet und uͤberzieht dort, wo er liegen bleibt, die feinſten Aus- „gaͤnge, und verhindert und vernichtet die folgende voͤllige Aus- „bildung und Wachsthum der hoͤchſt zarten Fruͤchte.“ Dieſe Hy- potheſe iſt der erſten grade entgegengeſetzt. Nach der erſten iſt der Saft dem Fruchtknoten nuͤtzlich, nach der andern ſchaͤdlich; nach der erſten iſt der Umſtand, daß der Saft von den Inſekten ver- zehrt wird, etwas zufaͤlliges und den Blumen ſchaͤdliches, nach der andern iſt derſelbe den Blumen nuͤtzlich, und ſcheint eine Ver- anſtaltung der Natur zu ſeyn. Um zu beweiſen, daß auch dieſe Hypotheſe ungegruͤndet iſt, habe ich nicht noͤthig, mich nach irgend einer zu dieſer Abſicht vor- theilhaften Blume umzuſehen, da ich eben diejenigen, deren ich ſo eben erwaͤhnt habe, hiezu anwenden kann. Denn aus eben dem Grunde, woraus ich gefolgert habe, daß der Saft dem Fruchtknoten nicht nuͤtzlich ſeyn koͤnne, ergiebt ſich auch, daß er demſelben nicht ſchaͤdlich ſeyn koͤnne, weil er nemlich immer in ei- niger Entfernung vom Fruchtknoten bleibt. Der Saft mag ſich veraͤndern, wie er will, ſo hat dies auf den Fruchtknoten keinen Einfluß. Und wenn in andern Blumen der Saft dem Frucht- knoten nahe iſt, ſo folgt hieraus eben ſo wenig, daß er demſelben ſchaͤdlich ſey, als, daß er ihm nuͤtzlich ſey. Was endlich diejeni- gen Blumen betrifft, deren Fruchtknoten ſelbſt den Saft abſon- dert: ſo ſcheint zwar eben daraus, daß derſelbe den Saft abſon- dert, zu folgen, daß dieſer ihm ſchaͤdlich ſey. Indeſſen kann man theils ſchon aus der Analogie das Gegentheil vermuthen, theils wird ſich auch in der Folge hinlaͤnglich zeigen laſſen, daß der Fruchtknoten dieſer Blumen den Saft nicht als etwas ihm ſchaͤdliches, ſondern zu einer gewiſſen Abſicht abſondert, und daß folglich die Inſekten zwar dem Fruchtknoten durch Abholung des Safts nuͤtzlich werden, aber nicht unmittelbar durch dieſe Abho- lung ſelbſt, ſondern durch die bey derſelben nothwendig erfolgende Befruchtung deſſelben. Zweitens ſagt er, daß die Bienen, indem ſie den Staub ſammlen, denſelben auf das Stigma bringen, ſowohl in Blumen A 2

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [15]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/15>, abgerufen am 20.04.2024.