Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.So wird also von allen grossen Opernbühnen herab bei der jedesmaligen Aufführung der herrlichen Oper Mozarts die Behauptung aufrecht erhalten, das erwähnte Herrenrecht habe wirklich bestanden, und diejenigen, die das Gegentheil behaupten, sollten daher nach meiner Ansicht gegen die Hochzeit des Figaro eine polemische Oper componiren, in der Alles, was gegen das Herrenrecht spricht, in Musik gesetzt würde. Der Chor der Bäuerinnen hätte dann etwa zum Schlusse zu singen: "Wir haben unsere Tugend uns selbst zu verdanken, denn das Jus primae noctis hat nie existirt." Severin wird nun im Auftrage der feudal-clericalen Partei den Nachweis liefern, dass von den frommen Gutsherren des Mittelalters niemals auch nur der Versuch gemacht worden sei, dieses Recht auszuüben, dass nur der Bräutigam für die Ehebewilligung eine Abgabe zu entrichten gehabt habe, die nichts anderes gewesen sei als eine Art von Verzehrungssteuer, wie sie ja auch heute noch, etwa für ein Stück Vieh, das man in So wird also von allen grossen Opernbühnen herab bei der jedesmaligen Aufführung der herrlichen Oper Mozarts die Behauptung aufrecht erhalten, das erwähnte Herrenrecht habe wirklich bestanden, und diejenigen, die das Gegentheil behaupten, sollten daher nach meiner Ansicht gegen die Hochzeit des Figaro eine polemische Oper componiren, in der Alles, was gegen das Herrenrecht spricht, in Musik gesetzt würde. Der Chor der Bäuerinnen hätte dann etwa zum Schlusse zu singen: »Wir haben unsere Tugend uns selbst zu verdanken, denn das Jus primae noctis hat nie existirt.« Severin wird nun im Auftrage der feudal-clericalen Partei den Nachweis liefern, dass von den frommen Gutsherren des Mittelalters niemals auch nur der Versuch gemacht worden sei, dieses Recht auszuüben, dass nur der Bräutigam für die Ehebewilligung eine Abgabe zu entrichten gehabt habe, die nichts anderes gewesen sei als eine Art von Verzehrungssteuer, wie sie ja auch heute noch, etwa für ein Stück Vieh, das man in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0023" n="21"/> <p>So wird also von allen grossen Opernbühnen herab bei der jedesmaligen Aufführung der herrlichen Oper Mozarts die Behauptung aufrecht erhalten, das erwähnte Herrenrecht habe wirklich bestanden, und diejenigen, die das Gegentheil behaupten, sollten daher nach meiner Ansicht gegen die Hochzeit des Figaro eine polemische Oper componiren, in der Alles, was gegen das Herrenrecht spricht, in Musik gesetzt würde. Der Chor der Bäuerinnen hätte dann etwa zum Schlusse zu singen:</p> <p>»Wir haben unsere Tugend uns selbst zu verdanken, denn das <hi rendition="#i">Jus primae noctis</hi> hat nie existirt.«</p> <p>Severin wird nun im Auftrage der feudal-clericalen Partei den Nachweis liefern, dass von den frommen Gutsherren des Mittelalters niemals auch nur der Versuch gemacht worden sei, dieses Recht auszuüben, dass nur der Bräutigam für die Ehebewilligung eine Abgabe zu entrichten gehabt habe, die nichts anderes gewesen sei als eine Art von Verzehrungssteuer, wie sie ja auch heute noch, etwa für ein Stück Vieh, das man in </p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0023]
So wird also von allen grossen Opernbühnen herab bei der jedesmaligen Aufführung der herrlichen Oper Mozarts die Behauptung aufrecht erhalten, das erwähnte Herrenrecht habe wirklich bestanden, und diejenigen, die das Gegentheil behaupten, sollten daher nach meiner Ansicht gegen die Hochzeit des Figaro eine polemische Oper componiren, in der Alles, was gegen das Herrenrecht spricht, in Musik gesetzt würde. Der Chor der Bäuerinnen hätte dann etwa zum Schlusse zu singen:
»Wir haben unsere Tugend uns selbst zu verdanken, denn das Jus primae noctis hat nie existirt.«
Severin wird nun im Auftrage der feudal-clericalen Partei den Nachweis liefern, dass von den frommen Gutsherren des Mittelalters niemals auch nur der Versuch gemacht worden sei, dieses Recht auszuüben, dass nur der Bräutigam für die Ehebewilligung eine Abgabe zu entrichten gehabt habe, die nichts anderes gewesen sei als eine Art von Verzehrungssteuer, wie sie ja auch heute noch, etwa für ein Stück Vieh, das man in
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