Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie Wilhelm zur Prinzessin geführt wur-
de, um ihr auf Befehl des Markgrafen für
ihre Fürbitte, für sein Leben zu danken, stand
Sophie im Gemache derselben. Ihr rothge-
weintes Auge, ihr noch thränender Blick über-
zeugte ihn deutlich, daß ihr Leiden, ihr Jam-
mer groß war, er sah zugleich ein, daß sie
die Retterin seines Lebens war, und ohne ihre
Mitwürkung die Prinzessin schwerlich für ihn
gebeten hätte. Dieser große Beweis ihrer
Liebe ermunterte ihn zur Dankbarkeit, er trat
näher zu ihr. Wenn ichs je vergesse, flü-
sterte er leise, was ich ihnen zu verdanken
habe, so soll mir Gott schnell wieder rauben,
was er mir so wunderbar schenkte. Vergessen
sie indeß den Unglücklichen nicht ganz, er
ist ihres Mitleids würdig. Sophie konnte
nicht antworten, aber ihr Blick sprach um so
stärker, Wilhelm ging mit der Gewißheit von
dannen, daß sie ihn noch liebe, und seiner
harren würde.

Die

Wie Wilhelm zur Prinzeſſin gefuͤhrt wur-
de, um ihr auf Befehl des Markgrafen fuͤr
ihre Fuͤrbitte, fuͤr ſein Leben zu danken, ſtand
Sophie im Gemache derſelben. Ihr rothge-
weintes Auge, ihr noch thraͤnender Blick uͤber-
zeugte ihn deutlich, daß ihr Leiden, ihr Jam-
mer groß war, er ſah zugleich ein, daß ſie
die Retterin ſeines Lebens war, und ohne ihre
Mitwuͤrkung die Prinzeſſin ſchwerlich fuͤr ihn
gebeten haͤtte. Dieſer große Beweis ihrer
Liebe ermunterte ihn zur Dankbarkeit, er trat
naͤher zu ihr. Wenn ichs je vergeſſe, fluͤ-
ſterte er leiſe, was ich ihnen zu verdanken
habe, ſo ſoll mir Gott ſchnell wieder rauben,
was er mir ſo wunderbar ſchenkte. Vergeſſen
ſie indeß den Ungluͤcklichen nicht ganz, er
iſt ihres Mitleids wuͤrdig. Sophie konnte
nicht antworten, aber ihr Blick ſprach um ſo
ſtaͤrker, Wilhelm ging mit der Gewißheit von
dannen, daß ſie ihn noch liebe, und ſeiner
harren wuͤrde.

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0042" n="32"/>
        <p>Wie Wilhelm zur Prinze&#x017F;&#x017F;in gefu&#x0364;hrt wur-<lb/>
de, um ihr auf Befehl des Markgrafen fu&#x0364;r<lb/>
ihre Fu&#x0364;rbitte, fu&#x0364;r &#x017F;ein Leben zu danken, &#x017F;tand<lb/>
Sophie im Gemache der&#x017F;elben. Ihr rothge-<lb/>
weintes Auge, ihr noch thra&#x0364;nender Blick u&#x0364;ber-<lb/>
zeugte ihn deutlich, daß ihr Leiden, ihr Jam-<lb/>
mer groß war, er &#x017F;ah zugleich ein, daß &#x017F;ie<lb/>
die Retterin &#x017F;eines Lebens war, und ohne ihre<lb/>
Mitwu&#x0364;rkung die Prinze&#x017F;&#x017F;in &#x017F;chwerlich fu&#x0364;r ihn<lb/>
gebeten ha&#x0364;tte. Die&#x017F;er große Beweis ihrer<lb/>
Liebe ermunterte ihn zur Dankbarkeit, er trat<lb/>
na&#x0364;her zu ihr. Wenn ichs je verge&#x017F;&#x017F;e, flu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;terte er lei&#x017F;e, was ich ihnen zu verdanken<lb/>
habe, &#x017F;o &#x017F;oll mir Gott &#x017F;chnell wieder rauben,<lb/>
was er mir &#x017F;o wunderbar &#x017F;chenkte. Verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie indeß den Unglu&#x0364;cklichen nicht ganz, er<lb/>
i&#x017F;t ihres Mitleids wu&#x0364;rdig. Sophie konnte<lb/>
nicht antworten, aber ihr Blick &#x017F;prach um &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rker, Wilhelm ging mit der Gewißheit von<lb/>
dannen, daß &#x017F;ie ihn noch liebe, und &#x017F;einer<lb/>
harren wu&#x0364;rde.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0042] Wie Wilhelm zur Prinzeſſin gefuͤhrt wur- de, um ihr auf Befehl des Markgrafen fuͤr ihre Fuͤrbitte, fuͤr ſein Leben zu danken, ſtand Sophie im Gemache derſelben. Ihr rothge- weintes Auge, ihr noch thraͤnender Blick uͤber- zeugte ihn deutlich, daß ihr Leiden, ihr Jam- mer groß war, er ſah zugleich ein, daß ſie die Retterin ſeines Lebens war, und ohne ihre Mitwuͤrkung die Prinzeſſin ſchwerlich fuͤr ihn gebeten haͤtte. Dieſer große Beweis ihrer Liebe ermunterte ihn zur Dankbarkeit, er trat naͤher zu ihr. Wenn ichs je vergeſſe, fluͤ- ſterte er leiſe, was ich ihnen zu verdanken habe, ſo ſoll mir Gott ſchnell wieder rauben, was er mir ſo wunderbar ſchenkte. Vergeſſen ſie indeß den Ungluͤcklichen nicht ganz, er iſt ihres Mitleids wuͤrdig. Sophie konnte nicht antworten, aber ihr Blick ſprach um ſo ſtaͤrker, Wilhelm ging mit der Gewißheit von dannen, daß ſie ihn noch liebe, und ſeiner harren wuͤrde. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/42
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/42>, abgerufen am 24.04.2024.