Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

freudigen Zurufe unterbrach, und ihnen noch
nebenbei erzählte, daß ein Kammerjunker,
wie sie bei der Hauptwache vorbeieilte, diese
Gnade bereits dem armen Wilhelm im Na-
men des Marggrafen verkündigt habe. Der
grosse Jammer hatte bereits ihre wenige Le-
benskraft mächtig geschwächt, die schnelle Freu-
de schien den Ueberrest ganz zu rauben. Man
mußte die unglücklichen Alten aufs Bette le-
gen, alle ihre Glieder durchbebte ein hefti-
ger Fieberfrost, sie waren dem Tode nahe,
näherten sich ihm bald noch mehr, als sie
kurz hernach hörten, daß der Marggraf zwar
ihrem Sohne das Leben geschenkt, ihn aber
doch zur Versöhnung der Gerechtigkeit auf
drei Jahre zur Zuchthausstrafe verurtheilt
habe.

Damals achtete man jeden, der in die-
sem Hause dulden mußte, für unehrlich.
Keiner unter den Bürgern sprach mit diesen

freudigen Zurufe unterbrach, und ihnen noch
nebenbei erzaͤhlte, daß ein Kammerjunker,
wie ſie bei der Hauptwache vorbeieilte, dieſe
Gnade bereits dem armen Wilhelm im Na-
men des Marggrafen verkuͤndigt habe. Der
groſſe Jammer hatte bereits ihre wenige Le-
benskraft maͤchtig geſchwaͤcht, die ſchnelle Freu-
de ſchien den Ueberreſt ganz zu rauben. Man
mußte die ungluͤcklichen Alten aufs Bette le-
gen, alle ihre Glieder durchbebte ein hefti-
ger Fieberfroſt, ſie waren dem Tode nahe,
naͤherten ſich ihm bald noch mehr, als ſie
kurz hernach hoͤrten, daß der Marggraf zwar
ihrem Sohne das Leben geſchenkt, ihn aber
doch zur Verſoͤhnung der Gerechtigkeit auf
drei Jahre zur Zuchthausſtrafe verurtheilt
habe.

Damals achtete man jeden, der in die-
ſem Hauſe dulden mußte, fuͤr unehrlich.
Keiner unter den Buͤrgern ſprach mit dieſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="28"/>
freudigen Zurufe unterbrach, und ihnen noch<lb/>
nebenbei erza&#x0364;hlte, daß ein Kammerjunker,<lb/>
wie &#x017F;ie bei der Hauptwache vorbeieilte, die&#x017F;e<lb/>
Gnade bereits dem armen Wilhelm im Na-<lb/>
men des Marggrafen verku&#x0364;ndigt habe. Der<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Jammer hatte bereits ihre wenige Le-<lb/>
benskraft ma&#x0364;chtig ge&#x017F;chwa&#x0364;cht, die &#x017F;chnelle Freu-<lb/>
de &#x017F;chien den Ueberre&#x017F;t ganz zu rauben. Man<lb/>
mußte die unglu&#x0364;cklichen Alten aufs Bette le-<lb/>
gen, alle ihre Glieder durchbebte ein hefti-<lb/>
ger Fieberfro&#x017F;t, &#x017F;ie waren dem Tode nahe,<lb/>
na&#x0364;herten &#x017F;ich ihm bald noch mehr, als &#x017F;ie<lb/>
kurz hernach ho&#x0364;rten, daß der Marggraf zwar<lb/>
ihrem Sohne das Leben ge&#x017F;chenkt, ihn aber<lb/>
doch zur Ver&#x017F;o&#x0364;hnung der Gerechtigkeit auf<lb/>
drei Jahre zur Zuchthaus&#x017F;trafe verurtheilt<lb/>
habe.</p><lb/>
        <p>Damals achtete man jeden, der in die-<lb/>
&#x017F;em Hau&#x017F;e dulden mußte, fu&#x0364;r unehrlich.<lb/>
Keiner unter den Bu&#x0364;rgern &#x017F;prach mit die&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0038] freudigen Zurufe unterbrach, und ihnen noch nebenbei erzaͤhlte, daß ein Kammerjunker, wie ſie bei der Hauptwache vorbeieilte, dieſe Gnade bereits dem armen Wilhelm im Na- men des Marggrafen verkuͤndigt habe. Der groſſe Jammer hatte bereits ihre wenige Le- benskraft maͤchtig geſchwaͤcht, die ſchnelle Freu- de ſchien den Ueberreſt ganz zu rauben. Man mußte die ungluͤcklichen Alten aufs Bette le- gen, alle ihre Glieder durchbebte ein hefti- ger Fieberfroſt, ſie waren dem Tode nahe, naͤherten ſich ihm bald noch mehr, als ſie kurz hernach hoͤrten, daß der Marggraf zwar ihrem Sohne das Leben geſchenkt, ihn aber doch zur Verſoͤhnung der Gerechtigkeit auf drei Jahre zur Zuchthausſtrafe verurtheilt habe. Damals achtete man jeden, der in die- ſem Hauſe dulden mußte, fuͤr unehrlich. Keiner unter den Buͤrgern ſprach mit dieſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/38
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/38>, abgerufen am 18.12.2024.