Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Tirols Gränzen lag, und ihm vom Vater
als Erbtheil geschenkt wurde. Er flehte, daß
ich mit ihm ziehen, die schöne Gegend in
ein Paradies wandeln sollte; ich versprachs,
und er frohlockte sehr. Er forschte emsig nach
meiner Geschichte, nach meinem, nach meines
Vaters Stand und Namen, mit aller Mühe,
die ich anwande, konnte ich ihm doch nur be-
greiflich machen, daß mein Vater ein edler Rit-
ter sei, daß die Räuber mich mit List geraubt
hatten. Mehr forderte er nicht, und ich zog,
willig mit ihm.

Ehe wir noch die Veste erreichten, hatte
ich ihn, und er mir schon innige Liebe ge-
standen, als wir einige Tage dort angelangt
waren, trat er mit einem ehrwürdigen Mönch
in mein Gemach, und heischte Erklärung:
Ob ich ihm in Gegenwart dieses Priesters
meine Hand reichen, und sein Weib werden
wolle? Ich gedachte zum erstenmale der

Biogr. d. W. 4r Bd. R

Tirols Graͤnzen lag, und ihm vom Vater
als Erbtheil geſchenkt wurde. Er flehte, daß
ich mit ihm ziehen, die ſchoͤne Gegend in
ein Paradies wandeln ſollte; ich verſprachs,
und er frohlockte ſehr. Er forſchte emſig nach
meiner Geſchichte, nach meinem, nach meines
Vaters Stand und Namen, mit aller Muͤhe,
die ich anwande, konnte ich ihm doch nur be-
greiflich machen, daß mein Vater ein edler Rit-
ter ſei, daß die Raͤuber mich mit Liſt geraubt
hatten. Mehr forderte er nicht, und ich zog,
willig mit ihm.

Ehe wir noch die Veſte erreichten, hatte
ich ihn, und er mir ſchon innige Liebe ge-
ſtanden, als wir einige Tage dort angelangt
waren, trat er mit einem ehrwuͤrdigen Moͤnch
in mein Gemach, und heiſchte Erklaͤrung:
Ob ich ihm in Gegenwart dieſes Prieſters
meine Hand reichen, und ſein Weib werden
wolle? Ich gedachte zum erſtenmale der

Biogr. d. W. 4r Bd. R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="257"/>
Tirols Gra&#x0364;nzen lag, und ihm vom Vater<lb/>
als Erbtheil ge&#x017F;chenkt wurde. Er flehte, daß<lb/>
ich mit ihm ziehen, die &#x017F;cho&#x0364;ne Gegend in<lb/>
ein Paradies wandeln &#x017F;ollte; ich ver&#x017F;prachs,<lb/>
und er frohlockte &#x017F;ehr. Er for&#x017F;chte em&#x017F;ig nach<lb/>
meiner Ge&#x017F;chichte, nach meinem, nach meines<lb/>
Vaters Stand und Namen, mit aller Mu&#x0364;he,<lb/>
die ich anwande, konnte ich ihm doch nur be-<lb/>
greiflich machen, daß mein Vater ein edler Rit-<lb/>
ter &#x017F;ei, daß die Ra&#x0364;uber mich mit Li&#x017F;t geraubt<lb/>
hatten. Mehr forderte er nicht, und ich zog,<lb/>
willig mit ihm.</p><lb/>
        <p>Ehe wir noch die Ve&#x017F;te erreichten, hatte<lb/>
ich ihn, und er mir &#x017F;chon innige Liebe ge-<lb/>
&#x017F;tanden, als wir einige Tage dort angelangt<lb/>
waren, trat er mit einem ehrwu&#x0364;rdigen Mo&#x0364;nch<lb/>
in mein Gemach, und hei&#x017F;chte Erkla&#x0364;rung:<lb/>
Ob ich ihm in Gegenwart die&#x017F;es Prie&#x017F;ters<lb/>
meine Hand reichen, und &#x017F;ein Weib werden<lb/>
wolle? Ich gedachte zum er&#x017F;tenmale der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Biogr. d. W. 4r Bd. R</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0267] Tirols Graͤnzen lag, und ihm vom Vater als Erbtheil geſchenkt wurde. Er flehte, daß ich mit ihm ziehen, die ſchoͤne Gegend in ein Paradies wandeln ſollte; ich verſprachs, und er frohlockte ſehr. Er forſchte emſig nach meiner Geſchichte, nach meinem, nach meines Vaters Stand und Namen, mit aller Muͤhe, die ich anwande, konnte ich ihm doch nur be- greiflich machen, daß mein Vater ein edler Rit- ter ſei, daß die Raͤuber mich mit Liſt geraubt hatten. Mehr forderte er nicht, und ich zog, willig mit ihm. Ehe wir noch die Veſte erreichten, hatte ich ihn, und er mir ſchon innige Liebe ge- ſtanden, als wir einige Tage dort angelangt waren, trat er mit einem ehrwuͤrdigen Moͤnch in mein Gemach, und heiſchte Erklaͤrung: Ob ich ihm in Gegenwart dieſes Prieſters meine Hand reichen, und ſein Weib werden wolle? Ich gedachte zum erſtenmale der Biogr. d. W. 4r Bd. R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/267
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/267>, abgerufen am 22.11.2024.