worte, nur durch Thränen. Schon im ersten Jahre gebahr sie mir einen Sohn. Dieser warst du! O ich hob dich dankend und frohlok- kend in die Höhe, als ich dich zum erstenmale in ihren Armen erblickte, sie schien meine Liebe zu fühlen, und lohnte sie zum erstenmale mit einem freiwilligen Kusse.
Als du erst ein halbes Jahr alt warst, ward uns Nachricht, daß der böhmische König Johann seine Braut Elisabeth als Weib nach Prag geführt habe, und dieser in einigen Ta- gen der kostbare Schatz folgen würde, welchen sie von ihrem Vater Wenzel ererbt, und bisher auf einer Veste bewahrt hatte, die nur eine Tagereise weit von unsern Höhlen entfernt lag. Meine Gefährden hatten ausgekundschaf- tet, daß nur zweihundert Lanzenknechte ihn geleiten würden, und achteten den Raub des- selben für leicht und möglich.
worte, nur durch Thraͤnen. Schon im erſten Jahre gebahr ſie mir einen Sohn. Dieſer warſt du! O ich hob dich dankend und frohlok- kend in die Hoͤhe, als ich dich zum erſtenmale in ihren Armen erblickte, ſie ſchien meine Liebe zu fuͤhlen, und lohnte ſie zum erſtenmale mit einem freiwilligen Kuſſe.
Als du erſt ein halbes Jahr alt warſt, ward uns Nachricht, daß der boͤhmiſche Koͤnig Johann ſeine Braut Eliſabeth als Weib nach Prag gefuͤhrt habe, und dieſer in einigen Ta- gen der koſtbare Schatz folgen wuͤrde, welchen ſie von ihrem Vater Wenzel ererbt, und bisher auf einer Veſte bewahrt hatte, die nur eine Tagereiſe weit von unſern Hoͤhlen entfernt lag. Meine Gefaͤhrden hatten ausgekundſchaf- tet, daß nur zweihundert Lanzenknechte ihn geleiten wuͤrden, und achteten den Raub deſ- ſelben fuͤr leicht und moͤglich.
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worte, nur durch Thraͤnen. Schon im erſten
Jahre gebahr ſie mir einen Sohn. Dieſer
warſt du! O ich hob dich dankend und frohlok-
kend in die Hoͤhe, als ich dich zum erſtenmale
in ihren Armen erblickte, ſie ſchien meine Liebe
zu fuͤhlen, und lohnte ſie zum erſtenmale mit
einem freiwilligen Kuſſe.
Als du erſt ein halbes Jahr alt warſt,
ward uns Nachricht, daß der boͤhmiſche Koͤnig
Johann ſeine Braut Eliſabeth als Weib nach
Prag gefuͤhrt habe, und dieſer in einigen Ta-
gen der koſtbare Schatz folgen wuͤrde, welchen
ſie von ihrem Vater Wenzel ererbt, und
bisher auf einer Veſte bewahrt hatte, die nur
eine Tagereiſe weit von unſern Hoͤhlen entfernt
lag. Meine Gefaͤhrden hatten ausgekundſchaf-
tet, daß nur zweihundert Lanzenknechte ihn
geleiten wuͤrden, und achteten den Raub deſ-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/239>, abgerufen am 22.11.2024.
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