Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

leichtern wolle. Die Tage, welche er in der
Grotte mit ihm durchlebt hatte, waren dem
guten Alten so angenehm verflossen, hatten
ihn so deutlich überzeugt, daß der Graf ei-
ner der besten Menschen sei. Diese Ueber-
zengung war die Ursache, daß er sich nie von
ihm trennen wollte, durch keine Ueberre-
dungskraft zu einem andern Entschlusse zu
bewegen war. Aber der Mensch denkt, und
Gott lenkt!

Eben als alles Nöthige zur Abreise an-
geordnet war, und sie schon am andern Tage
ihren Zufluchtsort verlassen, und sich dem
Schutze des Allmächtigen übergeben wollten,
ward der arme Kerkermeister krank, eine hef-
tige Augenentzündung endete in fünf Tagen
sein Leben, weil man ihm der grössern Ge-
fahr, der möglichen Entdeckung wegen keine
Hülfe leisten konnte. Er starb als Christ,
ruhig und gelassen, und ging mit der Gewiß-

leichtern wolle. Die Tage, welche er in der
Grotte mit ihm durchlebt hatte, waren dem
guten Alten ſo angenehm verfloſſen, hatten
ihn ſo deutlich uͤberzeugt, daß der Graf ei-
ner der beſten Menſchen ſei. Dieſe Ueber-
zengung war die Urſache, daß er ſich nie von
ihm trennen wollte, durch keine Ueberre-
dungskraft zu einem andern Entſchluſſe zu
bewegen war. Aber der Menſch denkt, und
Gott lenkt!

Eben als alles Noͤthige zur Abreiſe an-
geordnet war, und ſie ſchon am andern Tage
ihren Zufluchtsort verlaſſen, und ſich dem
Schutze des Allmaͤchtigen uͤbergeben wollten,
ward der arme Kerkermeiſter krank, eine hef-
tige Augenentzuͤndung endete in fuͤnf Tagen
ſein Leben, weil man ihm der groͤſſern Ge-
fahr, der moͤglichen Entdeckung wegen keine
Huͤlfe leiſten konnte. Er ſtarb als Chriſt,
ruhig und gelaſſen, und ging mit der Gewiß-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0160" n="150"/>
leichtern wolle. Die Tage, welche er in der<lb/>
Grotte mit ihm durchlebt hatte, waren dem<lb/>
guten Alten &#x017F;o angenehm verflo&#x017F;&#x017F;en, hatten<lb/>
ihn &#x017F;o deutlich u&#x0364;berzeugt, daß der Graf ei-<lb/>
ner der be&#x017F;ten Men&#x017F;chen &#x017F;ei. Die&#x017F;e Ueber-<lb/>
zengung war die Ur&#x017F;ache, daß er &#x017F;ich nie von<lb/>
ihm trennen wollte, durch keine Ueberre-<lb/>
dungskraft zu einem andern Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
bewegen war. Aber der Men&#x017F;ch denkt, und<lb/>
Gott lenkt!</p><lb/>
        <p>Eben als alles No&#x0364;thige zur Abrei&#x017F;e an-<lb/>
geordnet war, und &#x017F;ie &#x017F;chon am andern Tage<lb/>
ihren Zufluchtsort verla&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich dem<lb/>
Schutze des Allma&#x0364;chtigen u&#x0364;bergeben wollten,<lb/>
ward der arme Kerkermei&#x017F;ter krank, eine hef-<lb/>
tige Augenentzu&#x0364;ndung endete in fu&#x0364;nf Tagen<lb/>
&#x017F;ein Leben, weil man ihm der gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Ge-<lb/>
fahr, der mo&#x0364;glichen Entdeckung wegen keine<lb/>
Hu&#x0364;lfe lei&#x017F;ten konnte. Er &#x017F;tarb als Chri&#x017F;t,<lb/>
ruhig und gela&#x017F;&#x017F;en, und ging mit der Gewiß-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0160] leichtern wolle. Die Tage, welche er in der Grotte mit ihm durchlebt hatte, waren dem guten Alten ſo angenehm verfloſſen, hatten ihn ſo deutlich uͤberzeugt, daß der Graf ei- ner der beſten Menſchen ſei. Dieſe Ueber- zengung war die Urſache, daß er ſich nie von ihm trennen wollte, durch keine Ueberre- dungskraft zu einem andern Entſchluſſe zu bewegen war. Aber der Menſch denkt, und Gott lenkt! Eben als alles Noͤthige zur Abreiſe an- geordnet war, und ſie ſchon am andern Tage ihren Zufluchtsort verlaſſen, und ſich dem Schutze des Allmaͤchtigen uͤbergeben wollten, ward der arme Kerkermeiſter krank, eine hef- tige Augenentzuͤndung endete in fuͤnf Tagen ſein Leben, weil man ihm der groͤſſern Ge- fahr, der moͤglichen Entdeckung wegen keine Huͤlfe leiſten konnte. Er ſtarb als Chriſt, ruhig und gelaſſen, und ging mit der Gewiß-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/160
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/160>, abgerufen am 02.05.2024.