Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Da der arme Graf sein künftiges Schick-
sal in der Hand einer so großmüthigen Fürstin
sah, so zagte er nicht mehr für die Zukunft,
aber das weit unglücklichere Schicksal seines
verlaßnen Weibes, seiner unerzognen Kinder
quälte sein Herz doppelt. Er empfahl sie der
Vorsorge der gnädigen Fürstin aufs dringen-
de, und verleitete sie dadurch zu dem unerwar-
teten Schritt, bei der Geliebten ihres Gatten
die Fürsprecherin der Unglücklichen zu werden.
Der heisse Dank des Grafen, die Ueberzeu-
gung, daß sie edel gehandelt habe, lohnten
ihr diese Ueberwindung reichlich, welche ganz
natürlich dieser Schritt ihrem Herzen gekostet
hatte.

Nun war der sehnlichste Wunsch des Gra-
fen erfüllt, nun blieb ihm keiner übrig, als
seiner Wohlthäterin nicht länger lästig zu fal-
len, und in irgend einem Winkel der Erde
seine kummervollen Tage zu vertrauern. Die

Fürstin

Da der arme Graf ſein kuͤnftiges Schick-
ſal in der Hand einer ſo großmuͤthigen Fuͤrſtin
ſah, ſo zagte er nicht mehr fuͤr die Zukunft,
aber das weit ungluͤcklichere Schickſal ſeines
verlaßnen Weibes, ſeiner unerzognen Kinder
quaͤlte ſein Herz doppelt. Er empfahl ſie der
Vorſorge der gnaͤdigen Fuͤrſtin aufs dringen-
de, und verleitete ſie dadurch zu dem unerwar-
teten Schritt, bei der Geliebten ihres Gatten
die Fuͤrſprecherin der Ungluͤcklichen zu werden.
Der heiſſe Dank des Grafen, die Ueberzeu-
gung, daß ſie edel gehandelt habe, lohnten
ihr dieſe Ueberwindung reichlich, welche ganz
natuͤrlich dieſer Schritt ihrem Herzen gekoſtet
hatte.

Nun war der ſehnlichſte Wunſch des Gra-
fen erfuͤllt, nun blieb ihm keiner uͤbrig, als
ſeiner Wohlthaͤterin nicht laͤnger laͤſtig zu fal-
len, und in irgend einem Winkel der Erde
ſeine kummervollen Tage zu vertrauern. Die

Fuͤrſtin
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0154" n="144"/>
        <p>Da der arme Graf &#x017F;ein ku&#x0364;nftiges Schick-<lb/>
&#x017F;al in der Hand einer &#x017F;o großmu&#x0364;thigen Fu&#x0364;r&#x017F;tin<lb/>
&#x017F;ah, &#x017F;o zagte er nicht mehr fu&#x0364;r die Zukunft,<lb/>
aber das weit unglu&#x0364;cklichere Schick&#x017F;al &#x017F;eines<lb/>
verlaßnen Weibes, &#x017F;einer unerzognen Kinder<lb/>
qua&#x0364;lte &#x017F;ein Herz doppelt. Er empfahl &#x017F;ie der<lb/>
Vor&#x017F;orge der gna&#x0364;digen Fu&#x0364;r&#x017F;tin aufs dringen-<lb/>
de, und verleitete &#x017F;ie dadurch zu dem unerwar-<lb/>
teten Schritt, bei der Geliebten ihres Gatten<lb/>
die Fu&#x0364;r&#x017F;precherin der Unglu&#x0364;cklichen zu werden.<lb/>
Der hei&#x017F;&#x017F;e Dank des Grafen, die Ueberzeu-<lb/>
gung, daß &#x017F;ie edel gehandelt habe, lohnten<lb/>
ihr die&#x017F;e Ueberwindung reichlich, welche ganz<lb/>
natu&#x0364;rlich die&#x017F;er Schritt ihrem Herzen geko&#x017F;tet<lb/>
hatte.</p><lb/>
        <p>Nun war der &#x017F;ehnlich&#x017F;te Wun&#x017F;ch des Gra-<lb/>
fen erfu&#x0364;llt, nun blieb ihm keiner u&#x0364;brig, als<lb/>
&#x017F;einer Wohltha&#x0364;terin nicht la&#x0364;nger la&#x0364;&#x017F;tig zu fal-<lb/>
len, und in irgend einem Winkel der Erde<lb/>
&#x017F;eine kummervollen Tage zu vertrauern. Die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fu&#x0364;r&#x017F;tin</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0154] Da der arme Graf ſein kuͤnftiges Schick- ſal in der Hand einer ſo großmuͤthigen Fuͤrſtin ſah, ſo zagte er nicht mehr fuͤr die Zukunft, aber das weit ungluͤcklichere Schickſal ſeines verlaßnen Weibes, ſeiner unerzognen Kinder quaͤlte ſein Herz doppelt. Er empfahl ſie der Vorſorge der gnaͤdigen Fuͤrſtin aufs dringen- de, und verleitete ſie dadurch zu dem unerwar- teten Schritt, bei der Geliebten ihres Gatten die Fuͤrſprecherin der Ungluͤcklichen zu werden. Der heiſſe Dank des Grafen, die Ueberzeu- gung, daß ſie edel gehandelt habe, lohnten ihr dieſe Ueberwindung reichlich, welche ganz natuͤrlich dieſer Schritt ihrem Herzen gekoſtet hatte. Nun war der ſehnlichſte Wunſch des Gra- fen erfuͤllt, nun blieb ihm keiner uͤbrig, als ſeiner Wohlthaͤterin nicht laͤnger laͤſtig zu fal- len, und in irgend einem Winkel der Erde ſeine kummervollen Tage zu vertrauern. Die Fuͤrſtin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/154
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/154>, abgerufen am 02.05.2024.