Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Da die Fürstin jeden möglichen Argwohn
hindern wollte, so ging sie die ersten Tage
nicht nach dem Garten, nur die vertraute Kam-
merfrau ging dahin, und trug den Verborg-
nen, unter dem Vorwande, daß sie für die
Fürstin Bücher aus der dort befindlichen Bi-
bliothek hole, Speise und Trank zu. Stärker
schlug dann allemal das Herz der Edlen,
wenn die rückkehrende Kammerfrau ihr er-
zählte, daß es den Gefangnen wohlergehe,
daß der Graf in den rührendsten Ausdrücken
der Retterin seines Lebens danke. Als die
Fürstin gewahrte, daß niemand etwas ahne,
ging sie, wie gewöhnlich, nach dem Garten,
besuchte die Versteckten allemal, sprach tröstend
mit ihnen, und erschien stets mit Wohlthaten
in der Hand. Bald brachte sie ihnen die nö-
thige Speise, bald wieder Wäsche und andere
unentbehrliche Dinge, die des Lebens Noth-
durft erforderte.

Da die Fuͤrſtin jeden moͤglichen Argwohn
hindern wollte, ſo ging ſie die erſten Tage
nicht nach dem Garten, nur die vertraute Kam-
merfrau ging dahin, und trug den Verborg-
nen, unter dem Vorwande, daß ſie fuͤr die
Fuͤrſtin Buͤcher aus der dort befindlichen Bi-
bliothek hole, Speiſe und Trank zu. Staͤrker
ſchlug dann allemal das Herz der Edlen,
wenn die ruͤckkehrende Kammerfrau ihr er-
zaͤhlte, daß es den Gefangnen wohlergehe,
daß der Graf in den ruͤhrendſten Ausdruͤcken
der Retterin ſeines Lebens danke. Als die
Fuͤrſtin gewahrte, daß niemand etwas ahne,
ging ſie, wie gewoͤhnlich, nach dem Garten,
beſuchte die Verſteckten allemal, ſprach troͤſtend
mit ihnen, und erſchien ſtets mit Wohlthaten
in der Hand. Bald brachte ſie ihnen die noͤ-
thige Speiſe, bald wieder Waͤſche und andere
unentbehrliche Dinge, die des Lebens Noth-
durft erforderte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0153" n="143"/>
        <p>Da die Fu&#x0364;r&#x017F;tin jeden mo&#x0364;glichen Argwohn<lb/>
hindern wollte, &#x017F;o ging &#x017F;ie die er&#x017F;ten Tage<lb/>
nicht nach dem Garten, nur die vertraute Kam-<lb/>
merfrau ging dahin, und trug den Verborg-<lb/>
nen, unter dem Vorwande, daß &#x017F;ie fu&#x0364;r die<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin Bu&#x0364;cher aus der dort befindlichen Bi-<lb/>
bliothek hole, Spei&#x017F;e und Trank zu. Sta&#x0364;rker<lb/>
&#x017F;chlug dann allemal das Herz der Edlen,<lb/>
wenn die ru&#x0364;ckkehrende Kammerfrau ihr er-<lb/>
za&#x0364;hlte, daß es den Gefangnen wohlergehe,<lb/>
daß der Graf in den ru&#x0364;hrend&#x017F;ten Ausdru&#x0364;cken<lb/>
der Retterin &#x017F;eines Lebens danke. Als die<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin gewahrte, daß niemand etwas ahne,<lb/>
ging &#x017F;ie, wie gewo&#x0364;hnlich, nach dem Garten,<lb/>
be&#x017F;uchte die Ver&#x017F;teckten allemal, &#x017F;prach tro&#x0364;&#x017F;tend<lb/>
mit ihnen, und er&#x017F;chien &#x017F;tets mit Wohlthaten<lb/>
in der Hand. Bald brachte &#x017F;ie ihnen die no&#x0364;-<lb/>
thige Spei&#x017F;e, bald wieder Wa&#x0364;&#x017F;che und andere<lb/>
unentbehrliche Dinge, die des Lebens Noth-<lb/>
durft erforderte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0153] Da die Fuͤrſtin jeden moͤglichen Argwohn hindern wollte, ſo ging ſie die erſten Tage nicht nach dem Garten, nur die vertraute Kam- merfrau ging dahin, und trug den Verborg- nen, unter dem Vorwande, daß ſie fuͤr die Fuͤrſtin Buͤcher aus der dort befindlichen Bi- bliothek hole, Speiſe und Trank zu. Staͤrker ſchlug dann allemal das Herz der Edlen, wenn die ruͤckkehrende Kammerfrau ihr er- zaͤhlte, daß es den Gefangnen wohlergehe, daß der Graf in den ruͤhrendſten Ausdruͤcken der Retterin ſeines Lebens danke. Als die Fuͤrſtin gewahrte, daß niemand etwas ahne, ging ſie, wie gewoͤhnlich, nach dem Garten, beſuchte die Verſteckten allemal, ſprach troͤſtend mit ihnen, und erſchien ſtets mit Wohlthaten in der Hand. Bald brachte ſie ihnen die noͤ- thige Speiſe, bald wieder Waͤſche und andere unentbehrliche Dinge, die des Lebens Noth- durft erforderte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/153
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/153>, abgerufen am 02.05.2024.