Nach seinem Verlangen reiste ich am an- dern Morgen wieder zu meiner Geliebten, bat sie zu uns zu Tische, und führte sie mei- nem Vater entgegen, als er von der Jagd rückkehrte. Er empfing sie außerordentlich freundlich, nannte sie schön und liebenswür- dig, streichelte ihre Wange und küßte ihre Stirne, sie mußte bei Tische an seiner Seite sitzen, er sprach nur mit ihr, und ward ganz entzückt, als die Holde aus Liebe zu mir sich außerordentlich mühte, seinen Bei- fall zu erhalten. Von dieser Zeit an war sie oft in unserm Hause, der Bund unsrer Lie- be ward daher täglich fester und inniger. Mein Vater hatte der Hochzeit wegen schon einmal Abrede mit ihren Eltern genommen, itzt schien er sie absichtlich durch kahle Aus- reden zu verzögern, obgleich meine Geliebte ihm immer theuerer und schätzbarer zu werden schien, sogar manches mit einem Worte von
ihm
Nach ſeinem Verlangen reiſte ich am an- dern Morgen wieder zu meiner Geliebten, bat ſie zu uns zu Tiſche, und fuͤhrte ſie mei- nem Vater entgegen, als er von der Jagd ruͤckkehrte. Er empfing ſie außerordentlich freundlich, nannte ſie ſchoͤn und liebenswuͤr- dig, ſtreichelte ihre Wange und kuͤßte ihre Stirne, ſie mußte bei Tiſche an ſeiner Seite ſitzen, er ſprach nur mit ihr, und ward ganz entzuͤckt, als die Holde aus Liebe zu mir ſich außerordentlich muͤhte, ſeinen Bei- fall zu erhalten. Von dieſer Zeit an war ſie oft in unſerm Hauſe, der Bund unſrer Lie- be ward daher taͤglich feſter und inniger. Mein Vater hatte der Hochzeit wegen ſchon einmal Abrede mit ihren Eltern genommen, itzt ſchien er ſie abſichtlich durch kahle Aus- reden zu verzoͤgern, obgleich meine Geliebte ihm immer theuerer und ſchaͤtzbarer zu werden ſchien, ſogar manches mit einem Worte von
ihm
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Nach ſeinem Verlangen reiſte ich am an-
dern Morgen wieder zu meiner Geliebten,
bat ſie zu uns zu Tiſche, und fuͤhrte ſie mei-
nem Vater entgegen, als er von der Jagd
ruͤckkehrte. Er empfing ſie außerordentlich
freundlich, nannte ſie ſchoͤn und liebenswuͤr-
dig, ſtreichelte ihre Wange und kuͤßte ihre
Stirne, ſie mußte bei Tiſche an ſeiner Seite
ſitzen, er ſprach nur mit ihr, und ward
ganz entzuͤckt, als die Holde aus Liebe zu
mir ſich außerordentlich muͤhte, ſeinen Bei-
fall zu erhalten. Von dieſer Zeit an war ſie
oft in unſerm Hauſe, der Bund unſrer Lie-
be ward daher taͤglich feſter und inniger.
Mein Vater hatte der Hochzeit wegen ſchon
einmal Abrede mit ihren Eltern genommen,
itzt ſchien er ſie abſichtlich durch kahle Aus-
reden zu verzoͤgern, obgleich meine Geliebte
ihm immer theuerer und ſchaͤtzbarer zu werden
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/78>, abgerufen am 25.11.2024.
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