kleine Kind auf seinen Armen neben her, es spielte mit dem grauen Haare des Vaters, und fragte ihn mehr als einmal; Ob er es liebe?
Wie sie im Saale anlangten, führte sie der Vater zum Kredenztische, er schwenkte die Humpe, sie war noch halb gefüllt. Ge- liebte Tochter, rief er wonnetrunken aus, fülle mir den Becher! Immer flehte ich zu Gott, daß er mir dies Glück gewähren solle, er hat mein Flehen erhört, ich will's genüs- sen!
Edeldrud füllte den Becher, Thränen träufelten darein. Es sind Thränen der Freu- de, es sind deine Thränen, sie können nicht schaden, sprach der Vater, und leerte den Becher. Izt, fuhr er fort, sättige aber auch meine Neugierde, die sich mächtig regt. Wo warst du diese lange Zeit? Wie kam dies
kleine Kind auf ſeinen Armen neben her, es ſpielte mit dem grauen Haare des Vaters, und fragte ihn mehr als einmal; Ob er es liebe?
Wie ſie im Saale anlangten, fuͤhrte ſie der Vater zum Kredenztiſche, er ſchwenkte die Humpe, ſie war noch halb gefuͤllt. Ge- liebte Tochter, rief er wonnetrunken aus, fuͤlle mir den Becher! Immer flehte ich zu Gott, daß er mir dies Gluͤck gewaͤhren ſolle, er hat mein Flehen erhoͤrt, ich will's genuͤſ- ſen!
Edeldrud fuͤllte den Becher, Thraͤnen traͤufelten darein. Es ſind Thraͤnen der Freu- de, es ſind deine Thraͤnen, ſie koͤnnen nicht ſchaden, ſprach der Vater, und leerte den Becher. Izt, fuhr er fort, ſaͤttige aber auch meine Neugierde, die ſich maͤchtig regt. Wo warſt du dieſe lange Zeit? Wie kam dies
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kleine Kind auf ſeinen Armen neben her, es
ſpielte mit dem grauen Haare des Vaters,
und fragte ihn mehr als einmal; Ob er es
liebe?
Wie ſie im Saale anlangten, fuͤhrte ſie
der Vater zum Kredenztiſche, er ſchwenkte
die Humpe, ſie war noch halb gefuͤllt. Ge-
liebte Tochter, rief er wonnetrunken aus,
fuͤlle mir den Becher! Immer flehte ich zu
Gott, daß er mir dies Gluͤck gewaͤhren ſolle,
er hat mein Flehen erhoͤrt, ich will's genuͤſ-
ſen!
Edeldrud fuͤllte den Becher, Thraͤnen
traͤufelten darein. Es ſind Thraͤnen der Freu-
de, es ſind deine Thraͤnen, ſie koͤnnen nicht
ſchaden, ſprach der Vater, und leerte den
Becher. Izt, fuhr er fort, ſaͤttige aber auch
meine Neugierde, die ſich maͤchtig regt. Wo
warſt du dieſe lange Zeit? Wie kam dies
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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