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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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ihrem Gebete gedenken sollen! Geht! Mehr
fordere ich nicht! Kein Wort des Danks!
Euer stummes Entzücken, eure Thränen sind
mir Danks genug! Gott mit euch! ihr frei-
en Männer!

Der Wärter ging, wir folgten. Der Arzt
ergrif meine Hand, und drückte sie mit Wärme.
Das ist mein Liebling, sprach er mit gerühr-
ter Stimme, sein Wahnsinn ist mir so ehr-
würdig. Ich würde mich glücklich schätzen,
wenn ich ihm seinen Verstand wiedergeben
könnte, damit er die wenigen Tage seines
Lebens noch fühle, was er andern so willig
gönnt und schenkt.

Er war der Sohn eines sehr armen Edel-
manns, seine zahlreichen Ahnen verschaften
ihm das Maltheserkreuz. Da er nur von die-
sem bessere Tage hoffen konnte, so zog er

ihrem Gebete gedenken ſollen! Geht! Mehr
fordere ich nicht! Kein Wort des Danks!
Euer ſtummes Entzuͤcken, eure Thraͤnen ſind
mir Danks genug! Gott mit euch! ihr frei-
en Maͤnner!

Der Waͤrter ging, wir folgten. Der Arzt
ergrif meine Hand, und druͤckte ſie mit Waͤrme.
Das iſt mein Liebling, ſprach er mit geruͤhr-
ter Stimme, ſein Wahnſinn iſt mir ſo ehr-
wuͤrdig. Ich wuͤrde mich gluͤcklich ſchaͤtzen,
wenn ich ihm ſeinen Verſtand wiedergeben
koͤnnte, damit er die wenigen Tage ſeines
Lebens noch fuͤhle, was er andern ſo willig
goͤnnt und ſchenkt.

Er war der Sohn eines ſehr armen Edel-
manns, ſeine zahlreichen Ahnen verſchaften
ihm das Maltheſerkreuz. Da er nur von die-
ſem beſſere Tage hoffen konnte, ſo zog er

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[263/0277] ihrem Gebete gedenken ſollen! Geht! Mehr fordere ich nicht! Kein Wort des Danks! Euer ſtummes Entzuͤcken, eure Thraͤnen ſind mir Danks genug! Gott mit euch! ihr frei- en Maͤnner! Der Waͤrter ging, wir folgten. Der Arzt ergrif meine Hand, und druͤckte ſie mit Waͤrme. Das iſt mein Liebling, ſprach er mit geruͤhr- ter Stimme, ſein Wahnſinn iſt mir ſo ehr- wuͤrdig. Ich wuͤrde mich gluͤcklich ſchaͤtzen, wenn ich ihm ſeinen Verſtand wiedergeben koͤnnte, damit er die wenigen Tage ſeines Lebens noch fuͤhle, was er andern ſo willig goͤnnt und ſchenkt. Er war der Sohn eines ſehr armen Edel- manns, ſeine zahlreichen Ahnen verſchaften ihm das Maltheſerkreuz. Da er nur von die- ſem beſſere Tage hoffen konnte, ſo zog er

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/277>, abgerufen am 19.05.2024.