meinten, daß er der vielen Schulden wegen entflohen sei; selbst seine Gattin war dieser Meinung, und tröstete sich bald über seinen Verlust, weil sie ihn längst nicht mehr liebte. Nur einige wenige erfuhren die wahre Ursa- che, und ehrten im Stillen die Gerechtigkeit des Prinzen, der seine Mutter selbst bat, ihr bereits gegebnes Wort zu erfüllen, und die unschuldigen Gläubiger des Entflohnen zu bezahlen.
Ehe der edle Prinz das Haus der Dul- derin verließ, trat er ins Zimmer ihrer wohl- thätigen Wirthin, und forschte genau: wie viel sie für die anständigste Pflege, Wartung und Kost der Unglücklichen des Jahrs hindurch fordere? Die Gnügsame heischte zweihundert Thaler, der Prinz gab ihr eine Anweisung auf vierhundert, welche sie jährlich aus seiner Kasse erheben sollte, und als er am Abende seiner erhabnen Gattin die rührende Geschichte
ver-
meinten, daß er der vielen Schulden wegen entflohen ſei; ſelbſt ſeine Gattin war dieſer Meinung, und troͤſtete ſich bald uͤber ſeinen Verluſt, weil ſie ihn laͤngſt nicht mehr liebte. Nur einige wenige erfuhren die wahre Urſa- che, und ehrten im Stillen die Gerechtigkeit des Prinzen, der ſeine Mutter ſelbſt bat, ihr bereits gegebnes Wort zu erfuͤllen, und die unſchuldigen Glaͤubiger des Entflohnen zu bezahlen.
Ehe der edle Prinz das Haus der Dul- derin verließ, trat er ins Zimmer ihrer wohl- thaͤtigen Wirthin, und forſchte genau: wie viel ſie fuͤr die anſtaͤndigſte Pflege, Wartung und Koſt der Ungluͤcklichen des Jahrs hindurch fordere? Die Gnuͤgſame heiſchte zweihundert Thaler, der Prinz gab ihr eine Anweiſung auf vierhundert, welche ſie jaͤhrlich aus ſeiner Kaſſe erheben ſollte, und als er am Abende ſeiner erhabnen Gattin die ruͤhrende Geſchichte
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meinten, daß er der vielen Schulden wegen
entflohen ſei; ſelbſt ſeine Gattin war dieſer
Meinung, und troͤſtete ſich bald uͤber ſeinen
Verluſt, weil ſie ihn laͤngſt nicht mehr liebte.
Nur einige wenige erfuhren die wahre Urſa-
che, und ehrten im Stillen die Gerechtigkeit
des Prinzen, der ſeine Mutter ſelbſt bat,
ihr bereits gegebnes Wort zu erfuͤllen, und
die unſchuldigen Glaͤubiger des Entflohnen zu
bezahlen.
Ehe der edle Prinz das Haus der Dul-
derin verließ, trat er ins Zimmer ihrer wohl-
thaͤtigen Wirthin, und forſchte genau: wie
viel ſie fuͤr die anſtaͤndigſte Pflege, Wartung
und Koſt der Ungluͤcklichen des Jahrs hindurch
fordere? Die Gnuͤgſame heiſchte zweihundert
Thaler, der Prinz gab ihr eine Anweiſung
auf vierhundert, welche ſie jaͤhrlich aus ſeiner
Kaſſe erheben ſollte, und als er am Abende
ſeiner erhabnen Gattin die ruͤhrende Geſchichte
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/190>, abgerufen am 27.11.2024.
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