ein ansehnliches Vermögen erworben, sie müh- ten sich, es nach Kräften zu mehren, damit Amalie einst in den Armen eines redlichen Mannes vollkommen ein Glück geniessen könne, welches sie der vielen Sorgen und häufigen Geschäfte wegen nur sparsam und kärglich ge- nossen hatten. Sie sahen diesem glücklichen Zeitpunkte mit Begierde entgegen, und woll- ten dann im ruhigen Genusse eines geschäft- freien Alters zusehen, wie ihr geliebtes Kind ein Glück geniessen würde, das ihnen so man- chen kummervollen Tag, so manche schlaflose Nacht gekostet hatte.
Amalie kannte die wohlthätige Absicht ih- rer guten Eltern, sie ehrte solche mit dem reinsten, kindlichsten Danke, aber sie fühlte noch nicht Drang nach Männerliebe, noch nicht Sehnsucht nach ihrem oft so gefährlichen Ge- nusse, ihr war so innig wohl, wenn sie frei und ohne Zwang umher wandeln, die Reitze
ein anſehnliches Vermoͤgen erworben, ſie muͤh- ten ſich, es nach Kraͤften zu mehren, damit Amalie einſt in den Armen eines redlichen Mannes vollkommen ein Gluͤck genieſſen koͤnne, welches ſie der vielen Sorgen und haͤufigen Geſchaͤfte wegen nur ſparſam und kaͤrglich ge- noſſen hatten. Sie ſahen dieſem gluͤcklichen Zeitpunkte mit Begierde entgegen, und woll- ten dann im ruhigen Genuſſe eines geſchaͤft- freien Alters zuſehen, wie ihr geliebtes Kind ein Gluͤck genieſſen wuͤrde, das ihnen ſo man- chen kummervollen Tag, ſo manche ſchlafloſe Nacht gekoſtet hatte.
Amalie kannte die wohlthaͤtige Abſicht ih- rer guten Eltern, ſie ehrte ſolche mit dem reinſten, kindlichſten Danke, aber ſie fuͤhlte noch nicht Drang nach Maͤnnerliebe, noch nicht Sehnſucht nach ihrem oft ſo gefaͤhrlichen Ge- nuſſe, ihr war ſo innig wohl, wenn ſie frei und ohne Zwang umher wandeln, die Reitze
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ein anſehnliches Vermoͤgen erworben, ſie muͤh-
ten ſich, es nach Kraͤften zu mehren, damit
Amalie einſt in den Armen eines redlichen
Mannes vollkommen ein Gluͤck genieſſen koͤnne,
welches ſie der vielen Sorgen und haͤufigen
Geſchaͤfte wegen nur ſparſam und kaͤrglich ge-
noſſen hatten. Sie ſahen dieſem gluͤcklichen
Zeitpunkte mit Begierde entgegen, und woll-
ten dann im ruhigen Genuſſe eines geſchaͤft-
freien Alters zuſehen, wie ihr geliebtes Kind
ein Gluͤck genieſſen wuͤrde, das ihnen ſo man-
chen kummervollen Tag, ſo manche ſchlafloſe
Nacht gekoſtet hatte.
Amalie kannte die wohlthaͤtige Abſicht ih-
rer guten Eltern, ſie ehrte ſolche mit dem
reinſten, kindlichſten Danke, aber ſie fuͤhlte
noch nicht Drang nach Maͤnnerliebe, noch nicht
Sehnſucht nach ihrem oft ſo gefaͤhrlichen Ge-
nuſſe, ihr war ſo innig wohl, wenn ſie frei
und ohne Zwang umher wandeln, die Reitze
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/16>, abgerufen am 21.11.2024.
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